Hamburg. Die Gemeinschaft setzt sich für mehr Wertschätzung und Sichtbarkeit ein. Dafür sprechen auch wirtschaftliche Gründe.

„She got game“ steht auf dem Kapuzenpullover von Marie Gülich. Frei übersetzt bedeutet das so viel wie: „Sie kann spielen.“ Das kann die 30-Jährige zweifelsohne. Die Centerin ist Profi bei Valencia Basket, im Sommer nimmt sie mit der deutschen Nationalmannschaft an den Olympischen Spielen in Paris (26. Juli bis 11. August) teil.

Aber mitspielen können Frauen im Profisport, vor allem in Deutschland, immer noch selten, wenn es um die Spitzenpositionen geht. Im Fußball sind Führungsämter nur zu vier Prozent mit weiblichen Personen besetzt, Aufsichtsräte zu zehn Prozent. Die Entscheideretage des Deutschen Basketball Bunds kommt auf satte null Prozent. Der Sport ist eine Liga der außergewöhnlichen (und mitunter eher gewöhnlichen) Gentlemen. Ein Fakt, den „The League“ändern will.

The League setzt sich für mehr Frauen im Profisport ein

Die Vereinigung, die Stephanie Gonçalves Norberto 2020 gegründet hat, setzt sich für (mehr) Frauen und nicht-binäre Menschen im Sport ein. An diesem Montag ist in den Hamburger Räumlichkeiten des Sportvermarkters Sportfive die nächste Netzwerkveranstaltung der Gemeinschaft. HSV-Leichtathletin Vanessa Aniteye, Sportjournalistin Tiziana Höll und Digitalstrategin Nasanin Montazeri sind als Rednerinnen geladen. Die 70 Plätze waren frühzeitig restlos ausgebucht.

Die Botschaft dessen für „The League“? „Wir sind da“, sagt Gonçalves Norberto (34), die beim FC St. Pauli pädagogische Leiterin des Nachwuchsleistungszentrums ist. Überhaupt erstmal wahrgenommen zu werden; zu bemerken, nicht allein in einem männerdominierten Geschäftsfeld zu sein, bedeute vielen Frauen bereits etwas.

Es geht um Wertschätzung, nicht um Männer-Frauen-Vergleiche

Bei den jährlich durchschnittlich drei „Matches“, so nennen die Frauen hinter „The League“ ihre Themenabende, soll Wissen vermittelt werden. Andererseits aufgezeigt werden, „dass sich eine Bühne auch im Sport mit Frauen kuratieren lässt“, Gonçalves Norberto. Offenkundig, denn mittlerweile gibt es Gruppierungen in Hamburg, Berlin, München, Köln und Bremen.

Dennoch wird Frauen im Profisport häufig anders begegnet, zumeist sozialisationsbedingt. „Sobald ich sage, dass ich Profibasketballerin bin, kann ich mich darauf einstellen, dass irgendein Mann behauptet, er könne mich im Eins-gegen-Eins aber besiegen. Wir werden häufig nicht ernst genommen“, sagt Gülich. Dabei geht es den Verantwortlichen von „The League“ nicht um alberne Geschlechtervergleiche. „Diesen Wettkampf zwischen Mann und Frau gibt es auf den Spielfeldern sowieso nicht, und den wird es auch nie geben“, sagt Annie Brandt (32), bei den Veolia Towers Hamburg für die Social-Media-Produktionen verantwortlich.

Frauensport erzielt ständig neue Zuschauerrekorde

Stattdessen regen die Frauen einen Kulturwandel an. Nicht ausschließlich ideologisch, sondern auch mit wirtschaftlichen Argumenten, die in jedem Gremium auf offene Ohren stoßen dürften. Im Frauensport steckt massives, noch unerschlossenes Potenzial.

Laut einer Studie ist es beispielsweise fast fünfmal so wahrscheinlich, dass ein deutscher Sportfan ein von einer weiblichen Athletin beworbenes Produkt kauft als eines, das von einer anderen Werbefigur angepriesen wird – größer ist der Multiplikationseffekt in keinem anderen Land. Das Basketball-Länderspiel zwischen Deutschland und Italien im November vergangenen Jahres in der Wilhelmsburger Inselpark Arena war mit 3400 Zuschauern ausverkauft. Das Finale im Hamburger Fußball-Pokal fand vor der Rekordkulisse von 4133 Besuchern statt.

Towers-Managerin: „Den Clubs entgeht richtig Kohle!“

„The League“ sieht Vereine und Verbände in der Pflicht, mehr in die weiblichen Bereiche zu investieren. „Den Clubs entgeht richtig Kohle, wenn sie die Frauen-Abteilungen brachliegen lassen“, sagt Brandt. Vor allem aber fehlen Mädchen dann auch an der Spitze die Vorbilder, zu denen sie aufsehen können.

Ihre regelmäßigen Treffen nennen die Macherinnen von The League „Matches“.
Ihre regelmäßigen Treffen nennen die Macherinnen von The League „Matches“. © Witters | Leonie Horky

Zumal die finanziellen Aufwendungen für professionelle oder zumindest professionellere Strukturen nicht in die Millionen gehen. Frauensport lässt sich auch auf höchstem Niveau noch vergleichsweise kostengünstig betreiben. „Es muss nicht direkt von null auf 100 gehen“, sagt Gonçalves Norberto. Dass es zusätzlich noch an der Wertschätzung mangelt, ärgert Gülich besonders.

Deutsche Basketballerinnen erstmals für Olympia qualifiziert

„Vor zwei Jahren hat der Verband nicht einmal regelmäßige Trainingslager für uns organisiert. Es war dann an uns Spielerinnen, das einzufordern“, sagt die 32-fache Nationalspielerin. Das Resultat spricht Bände: Deutschland wurde vergangenes Jahr EM-Sechster, qualifizierte sich zu Beginn dieses Jahres erstmals überhaupt für Olympia.

Inzwischen präsentiert der Deutsche Basketball Bund sein Nationalteam angemessen. Der öffentliche Auftritt der in ihren Strukturen vielfach amateurhaften Damen-Basketball-Bundesliga ist dagegen an Dilettantismus kaum zu überbieten. In Spanien sei das ganz anders, berichtet Gülich: „Dort sind viele Frauenclubs in die großen Männervereine integriert, wie bei uns in Valencia. Wir nutzen die gleiche Infrastruktur, haben dadurch auch große Zuschauerkulissen.“

„The League“ fordert Frauenquote von 30 Prozent

Derzeit trainiert die gebürtige Altenkirchenerin in Hamburg, da ihr Freund dort lebt. Bei der Suche nach Trainingshallen wird sie zwar unter anderem von den Towers und dem Eimsbütteler TV unterstützt, so einfach wie für die männlichen Profis, die überall ihr bestehendes Netzwerk haben, ist es aber nicht.

Auch daher sei eine Frauenquote von mindestens 30 Prozent in Führungsgremien notwendig, meint Gonçalves Norberto. Nicht nur würde das „Buddy-Deals“, bei denen sich Posten gegenseitig zugeschachert werden, somit erschwert, es erhöhe auch die Qualität. „Beim FC St. Pauli funktioniert es doch schließlich auch“, sagt sie. Beim Kiezclub sind von sieben Aufsichtsratsposten vier weiblich besetzt.

Zunächst gehe es aber primär um Sichtbarkeit. Daher lautet der Titel des Matches in Hamburg „Du kannst nicht sein, was du nicht siehst.“ Gleichstand abseits der Spielfelder wird angestrebt. Denn mitspielen können und wollen sie alle.