Hamburg. Der Spielgestalter passt gut in die Nationalmannschaft, spielte zuletzt aber nicht. Zumindest in Hamburg wird sich das ändern.

„Hamburg! Euer Bürgermeister ist im Anmarsch.“ Die Botschaft wurde noch vom Rollfeld in Montpellier aus per Instagram in die Welt geschickt, und dann hob mutmaßlich Peter Tschentscher (SPD) ab. Falsch gedacht. Faktisch quetschte sich seiner statt der gut einen Kopf größere Justus Hollatz auf seinen nicht sonderlich großzügig bemessenen Platz in der Maschine nach Hamburg.

Ob echte Bürgermeister mehr Beinfreiheit genießen? Aus Sicht von Moritz Wagner offenbar nicht, denn der NBA-Profi der Orlando Magic war es, der seinen beengten Nationalmannschaftskollegen als Stadtoberhaupt bezeichnete. Gemeinsam werden die beiden Basketball-Weltmeister am Sonnabend (19.30 Uhr/MagentaSport) beim Testspiel gegen die Niederlande auf dem Parkett der bereits fast ausverkauften Barclays Arena stehen. Ob sie die Reisen in zu kleinen Flugzeugen anschließend fortsetzen, um schließlich gemeinsam bei den Olympischen Spielen in Paris (26. Juli bis 11. August) zu landen, ist allerdings offen.

Basketball: Hamburger Justus Hollatz kämpft um sein Ticket für Olympia

Hollatz ist zwar im Club der zwölf Weltmeister, denen Bundestrainer Gordon Herbert eine Vorzugsbehandlung bei der Nominierung für den Olympia-Kader einräumen will. Am Montagabend war der 23-Jährige aber auch im Cardio-Club.

So lautet die freundliche Formulierung von Athletiktrainer Arne Greskowiak für das Spielersatztraining. Das musste Hollatz gemeinsam mit dem gebürtigen Hamburger Louis Olinde (Alba Berlin) und Niels Giffey (FC Bayern München) absolvieren, weil er zuvor beim 70:65-Sieg Deutschlands gegen Frankreich nicht zum Einsatz gekommen war. Droht der Olympia-Traum des gebürtigen Harburgers noch zu platzen?

Hollatz Wackelkandidat auf der Liste von Bundestrainer Gordon Herbert

Zumindest ist es nicht mehr auszuschließen. 16 Akteure hat Bundestrainer Herbert ins Trainingslager eingeladen, vier muss er noch streichen. Neben Olinde, Weltmeister David Krämer und Leon Kratzer, Sohn des früheren BCJ-Tigers-Profis Marc Suhr, gilt Hollatz als Wackelkandidat.

„Die Situation ist schwierig, ich fand, dass ich eigentlich ganz gut gespielt habe“, sagte der Spielmacher noch am Sonnabend, nachdem die Deutschen ihr erstes Testspiel gegen Frankreich in Köln deutlich mit 66:90 verloren hatten. Immerhin 14 Minuten hatte der in Diensten des EuroLeague-Clubs Anadolu Efes Istanbul stehende Aufbauspieler da noch auf dem Feld gestanden, dabei eine Vorlage verteilt.

Hamburger ist der beste pure Passgeber im Nationalteam

„Mein Job war es, den Ball zu bewegen, zum Korb zu ziehen und dadurch die Schützen freizuspielen. Das ist ganz ordentlich gelungen“, sagte Hollatz. Dessen Jobbeschreibung ist insbesondere deshalb so interessant, weil sich kein weiterer Spieler seines Profils im Team wiederfindet.

Die Alternativen sind Guards, die eher selbst punkten oder deren primäre Position nicht die des Ballführers ist. Würde sich Herbert daher gegen Hollatz entscheiden, wäre das durchaus gewagt.

Eröffnungsfeier in Paris fällt für deutsche Basketballer flach

Aber so weit möchte der Hamburger vor seinem Heimspiel noch nicht denken. „Ich werde kämpfen und dann hoffentlich ein paar Minuten ergattern, in denen ich mich beweisen kann“, sagt er. Denn: „Die Erfahrung, bei Olympischen Spielen dabei zu sein, ist für jeden Sportler ein Traum.“

Doch selbst wenn sich dieser Traum erfüllen sollte, muss Hollatz noch ein wenig länger warten, bis er das Erlebnis so wirklich aufsaugen kann. Die Vorrunde des Basketball-Turniers wird nämlich in Lille, knapp drei Mannschaftsbusstunden nördlich von Paris, ausgetragen.

Hollatz möchte olympische Atmosphäre genießen

Da die Auftaktpartie gegen Japan am 27. August nur einen Tag nach der Eröffnungsfeier stattfindet, werden die deutschen Basketballer dort wohl nicht vor Ort dabei sein. „Umso größer ist unsere Motivation, ins Viertelfinale einzuziehen“, sagt Hollatz. Die Endrunde wird in Paris gespielt, bei den Gruppengegnern Japan, Frankreich und Brasilien sollten gute Aussichten aufs Weiterkommen bestehen.

„Ich würde mir sehr gern andere Sportarten anschauen, zum Beispiel das 100-Meter-Finale, aber auch einfach mal durchs olympische Dorf schlendern und schauen, wen man dort so trifft“, sagt Hollatz. Wenngleich sich die deutschen Basketballer herausragend verstehen und die Stimmung im Team grandios ist, soll die Reise nach Frankreich keinen Klassenfahrtscharakter besitzen.

Ziel des Basketball-Weltmeisters ist eine Medaille bei Olympia

„Klar ist es schön, wenn wir alle zusammen wieder solch einen Trip machen können. Aber wir wollen auch kompetitiv sein. Das ist das finale Jahr unseres Dreijahresplans, an dessen Ende wir eine Medaille gewinnen wollen“, sagt Hollatz. Als Weltmeister ist der Druck in der Gewissheit, bereits etwas Zählbares gewonnen zu haben (neben EM-Bronze 2022), zwar nicht immens. Andererseits haben die Deutschen jetzt eine Zielscheibe auf dem Rücken.

Allen voran die USA wollen Revanche nehmen nach der Niederlage im WM-Halbfinale vergangenen Jahres. Dafür hat der Titelverteidiger eine Mannschaft auf Niveau des Dreamteams von 1992 aufgestellt, unter anderem um die Legenden LeBron James, Stephen Curry und Kevin Durant.

USA stellen Legendenteam um LeBron James auf

Am 22. Juli trifft Deutschland in London zum Testspiel auf den haushohen Favoriten. „Wir haben Druck, aber der Trainer hat uns gesagt, dass wir uns keinen Kopf machen und die Situation genießen sollen“, sagt Hollatz.

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Genießen ist auch das Stichwort für die nächsten Tage. „Endlich wieder Hamburg, endlich zu Hause“, sagt der bei den Hamburg Towers ausgebildete 39-fache Nationalspieler. Sonntag und Montag sind frei, um daheim bei Mama Manuela und Papa Dirk auszuspannen, dann geht die Vorbereitung in Berlin weiter. Vorher will Hollatz aber in der Barclays Arena Herbert von sich überzeugen – und vielleicht ja auch Peter Tschentscher.