Hamburg. Die Hamburgerin leitet Partien in der Bundesliga und EuroLeague, geht mit den Superstars auf Tuchfühlung.
Journalisten lieben es, nach Anlässen für ihre Artikel zu suchen. Dass Anne Panther am Sonnabend (18.30 Uhr/Dyn) gemeinsam mit ihren Kolleginnen Danjana Rey und Aleksandra Pawlik das Niedersachsenderby in der Bundesliga zwischen den Basketball Löwen Braunschweig und der BG Göttingen gepfiffen hat, wäre so einer.
Wäre, Konjunktiv… Denn der Protagonistin dieses Textes „ging das Frauenthema früher schon auf den Keks“. Sollte ja auch nichts Besonderes mehr sein. Also dann, Anlass gefunden, Thema abgehakt, Win-win-Situation.
Anne Panther ist Europas beste Schiedsrichterin
Die viel geeignetere Gelegenheit, um über Panther zu schreiben ist ohnehin das ausklingende Jahr, das für die 41-Jährige ein ganz besonderes war. Das soll etwas heißen in einer Laufbahn, die mehr als 500 Einsätze in der Bundesliga und EuroLeague umfasst, die die gebürtige Schwerinerin zweimal ins Finalturnier von Europas Königsklasse sowie ins Bronzemedaillenspiel von Olympia 2016 in Rio de Janeiro führte. Doch tatsächlich bedeutete 2023 noch mal eine Zäsur im (Berufs-)Leben der Frau, der in Würzburg sogar der Fanclub „Anne Panther Ultras“ gewidmet wurde.
Im Sommer zog die ehemalige Zweitligaspielerin von Heidelberg nach Hamburg. Richtig heimisch habe sie sich nie im Süden gefühlt, „außerdem liebe ich den Hamburger Dialekt, könnte ihn stundenlang hören“.
Superstar Mirotic grüßt sie mittlerweile
Abgesehen von der Haushälfte mit Kamin in Schnelsen sowie dem Vereinswechsel zur von Schiedsrichterlegende Boris Schmidt geführten TSG Bergedorf wurde Panther im Oktober ein inoffizieller Ritterschlag zuteil. In einer Umfrage wählten die EuroLeague-Spieler, also die besten Profis Europas, sie zur besten Schiedsrichterin des Kontinents – Männer inkludiert.
„Ich habe null Erklärung dafür, sondern versuche einfach, authentisch zu sein, auch meinen Spaß mit den Spielern zu haben“, sagt Panther. Nikola Mirotic von Emporio Armani Mailand, einer der Superstars der EuroLeague, beispielsweise habe sich einmal zu häufig bei ihr beschwert. „Ich meinte dann: ,Du blaffst mich ständig an, sagst aber vorher nicht mal Hallo.‘ Seitdem ist es lockerer geworden.“ Und der Montenegriner grüßt.
Videoanalyse in doppelter Geschwindigkeit
Dass es keine Begründung für den Respekt der Spieler gibt, ist allerdings nur die halbe Wahrheit, zurückgehend auf Panthers Bescheidenheit. Mindestens zwei Stunden trainiert sie an spielfreien Tagen, hat dafür einen persönlichen Trainer engagiert, um an der Schnellkraft und Ausdauer zu arbeiten, Verletzungen vorzubeugen.
Zusätzlich betreibt Panther intensives Videostudium. „Ich schaue beispielsweise Spiele in doppelter Geschwindigkeit, um mein Auge zu schulen. Mit der Zeit begreift man intuitiver, welche Aktionen gerade auf dem Spielfeld vor sich gehen. Für viele Zuschauer ist das nicht greifbar“, sagt Panther.
Bis zu 95 Prozent korrekter Entscheidungen
Das Resultat: Zwischen 93 und 95 Prozent ihrer Entscheidungen erweisen sich als korrekt. „Wir sind aber keine Götter, die alles wissen“, stellt sie klar.
Was Panther mitunter selbst nicht weiß? „Wo ich gerade bin, wenn ich aufwache.“ Drei Partien pro Woche pfeift sie im Schnitt, Rekord waren acht in 14 Tagen.
Schiedsrichterin bereist ganz Europa
Dafür bereist die einstige deutsche Streetballmeisterin ganz Europa von Tel Aviv bis Barcelona, die Flugbuchungsapp Checkfelix ist eine der am häufigsten genutzten auf ihrem Smartphone. Bei Partien der EuroLeague ist es vorgeschrieben, bereits am Tag vorher am Spielort anzukommen.
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Für Panther, die zugleich noch 32 Stunden in der Woche in der Personalabteilung eines Onlinemarketing-Unternehmens arbeitet, ist dieser Lebensstil traumhaft. „Ich sehe es als riesiges Privileg für mein Leben an. Wir Schiedsrichter sind eine weltweite Gemeinschaft, und ich würde behaupten, dass es für mich nahezu unmöglich geworden ist, in eine Stadt zu kommen, in der ich keine Bekannten habe“, sagt die leidenschaftliche Acrylmalerin, deren Bilder bereits verkauft wurden.
Panther: "Bin mittendrin im Geschehen"
Überhaupt ist es der charismatischen Panther ein Anliegen, Werbung für die an Nachwuchsmangel leidende Schiedsrichterei zu betreiben: „Ich bekomme häufig eine Gänsehaut. Du bist mittendrin im Geschehen dabei, erlebst die Emotionen direkt mit. Ich kenne und sehe alle Spieler hautnah. Du spürst den Schweiß, es nicht immer angenehm ist.“
Während bei Profisportlern mit 35 Jahren das Karriereende naht, nimmt die Laufbahn bei Schiedsrichtern mit 40 häufig erst an Fahrt auf. Im Basketball gibt es keine Altersbeschränkung mehr für Unparteiische.
Bestechungsversuche sind gang und gäbe
Zudem kommt ein solider Verdienst hinzu. Für Partien in der Bundesliga gibt es rund 800 Euro, in der EuroLeague mehr. Immer wieder aber gibt es Gerüchte über Bestechungsversuche, Geschenke der gastgebenden Vereine auf den Hotelzimmern der Schiedsrichter waren zumindest früher gang und gäbe.
„Für alle Referees, die ich kenne, ist es aber ein absolutes No-Go, etwas anzunehmen. Selbst einen Pin fürs Jackett lassen wir unangerührt, auf keinen Fall will ich mich angreifbar machen“, sagt Panther, die noch einige Ziele hat.
Referees leiden unter Streit zwischen EuroLeague und Fiba
Eine erneute Teilnahme an Olympischen Spielen wäre eines davon, bei Welt- und Europameisterschaften zu pfeifen weitere. Dies wird ihr momentan verwehrt, weil die privatwirtschaftlich organisierte EuroLeague und der Weltverband Fiba über Kreuz liegen.
„Für uns Schiedsrichter ist das schade, unter diesem Streit zu leiden. Ich habe die Hoffnung, dass sich der Zwist nach Olympia in Paris legt“, sagt Panther. Sie entschied sich für die EuroLeague, „weil ich dachte, es nie dorthin zu schaffen, dort aber auf höchstem Niveau Spiele leiten und lernen kann“.
"Ey, bro": Spieler sprechen auf Augenhöhe
Dabei zählt sie längst selbst zu den Besten, ist vielleicht sogar die Beste. Das geht so weit, dass sie die oftmals mit einem enormen Selbstbewusstsein ausgestatteten EuroLeague-Akteure auf Augenhöhe, als eine der ihren, ansehen.
„Neulich hat mich ein Spieler mit ,Ey, bro‘ (Ey, Bruder) angesprochen. Da musste ich erst mal klarstellen, dass wir da noch lange nicht angekommen sind.“ Denn da steht Anne Panther locker drüber.