Hamburg. Das Basketballduell wird in der edel-optics.de Arena zur Nebensache. Hunderte Anhänger aus Israel feiern ihre Mannschaft.

Noam wollte raus. Raus aus Israel. Raus aus dem Kriegsgebiet. Um 2 Uhr nachts kam er am Dienstagmorgen in Berlin an. Er sieht ziemlich geplättet aus, als er mit seinem Lockenschopf über der Balustrade der Wilhelmsburger edel-optics.de Arena lehnt.

Wahrscheinlich ist es nicht nur die Müdigkeit. Nein, ganz sicher ist sie es nicht nur. Noam ist Fan von Hapoel Tel Aviv. Ein Ultra. Und gemeinsam mit seinen Fanfreunden mussten sie in den vergangen acht Tagen fünf der Ihren beerdigen. Nun braucht Noam eine Auszeit, die er beim EuroCup-Duell von Hapoels Basketballern bei den Veolia Towers Hamburg findet.

Hapoel Tel Aviv besiegt Veolia Towers Hamburg

Noam ist einer der rund 50 rot gekleideten – zumindest, sofern das Shirt anbehalten wurde – Ultras der Israelis, die aus Tel Aviv angereist waren. Unterstützt wurden sie von gut 50 weiteren Anhängern aus deutschen Hapoel-Vereinen sowie knapp 100 Fans des FC St. Pauli, darunter Präsident Oke Göttlich.

Das normale Leben müsse eben weitergehen, meint Noam. Und normal bedeutet für ihn eben, seinem Verein hinterher zu reisen. „Wer weiß schon, wie lange das noch möglich ist, ich kann jederzeit zur Armee eingezogen werden“, sagt der schmächtige Mann.

Towers-Forward Meisner bricht sich die Nase

Für ein zusätzliches Normalitätsgefühl sorgte immerhin das Resultat. Die Towers verloren, was für sie seit nunmehr wettbewerbsübergreifend acht Spielen normal ist, deutlich mit 72:111 (19:36, 23:23, 15:27, 15:25).

Das Ergebnis wirkte angesichts der Umstände ebenso nebensächlich wie der abermals schwachen Auftritt der gegen den hohen Favoriten völlig chancenlosen Hamburger, denen der erkrankte Aljami Durham fehlte und denen Lukas Meisner, der sich das Nasenbein brach, im nächsten Spiel in Heidelberg am Sonnabend fehlen könnte.

Willoughby gedenkt toter Hapoel-Fans

„Sportlich ist das frustrierend, aber ich schäme mich fast, darauf zu verweisen. Es ist grauenvoll, wenn Zuschauer, die Karten für dieses Spiel gekauft hatten, inzwischen tot sind, wenn Jugendspieler von Hapoel niemals im Profibereich ankommen, weil auch sie gestorben sind“, sagte Towers-Boss Marvin Willoughby.

2032 Eintrittskarten waren im Vorwege verkauft worden. 47 Prozent der potenziellen Besucher in Besitz eines Tickets verzichteten allerdings auf den emotionalen Abend – oder hatten keine Chance mehr darauf. Sorgen um die Sicherheit schwangen auch beim Großteil der 1077 erschienenen Zuschauer mit. Sie waren unbegründet.

Polizei spricht von entspanntem Abend

„Der gemeinsame Fanmarsch der Ultras von Hapoel Tel Aviv und des FC St. Pauli verlief ganz ruhig, alle konnten problemlos zur Halle gehen“, sagte ein Beobachter. Lediglich eine Frau mit pro-palästinensischem T-Shirt habe kurzzeitig provoziert, sei anschließend aber in eine gemäßigte Diskussion eingestiegen. „Es war ein entspannter Abend für uns alle“, so der Fotograf.

Innerhalb der Inselparkhalle hatten die Towers in Zusammenarbeit mit der Polizei ein rigoroses Sicherheitskonzept ausgearbeitet. Trommeln und weitere Fanutensilien wie Fahnen, Taschen jeglicher Art und weitere Mitbringsel durften nicht in die Arena genommen werden, innerhalb derer ein Ausschankverbot von Alkohol bestand.

Hapoel-Fans verzichten auf Pyrotechnik

Jeder im Publikum musste sich vor Einlass einer Körperkontrolle unterziehen. Vor allem mit dem Ziel, mögliche Waffen, spitze Gegenstände und Pyrotechnik herauszufiltern.

Es wurde allerdings nichts gefunden. Die gastierenden Ultras verzichteten auf das Abbrennen von Feuerwerken – ansonsten hätte die Halle geräumt werden müssen. Aber Raketen würden derzeit sowieso die falschen Zeichen senden. Und weswegen einen Spielabbruch riskieren, wenn der eigene Club die Partie souverän nach Hause schaukelt?

Trainer Franco: "Geht um den Spirit für unsere Heimat"

So sprangen und sangen die Israelis auf der Stehplatztribüne durchweg, konnten 40 Minuten die Gräuel vergessen. "Wir wollten Hapoel das Geschenk eines guten Spiels machen, in dem sie sich nur auf Basketball konzentrieren konnten", sagte Towers-Cheftrainer Benka Barloschky.

Letztlich schenkten die Hamburger Tel Aviv auch den Sieg.„Aber es geht hier nicht um Sieg oder Niederlage. Es geht um den Spirit, den wir nach Hause schicken“, sagte Hapoel-Trainer Danny Franco.

Nach Hause will auch Noam. An diesem Mittwoch um 8 Uhr fliegt er zurück. „Wenn so ein Krieg tobt, willst du daheim sein.“ In Israel.

Veolia Towers Hamburg: King (22 Punkte), Gomez (11), Hinrichs (8), Christmas (8), Krause (6), Wohlfarth-Bottermann (5), Brauner (5), Dziewa (3), Hughes (2), Möller (2), Meisner, Reece.