Hamburg. Der Basketball-Bundesligist startet am Sonntag in die Pflichtspielsaison – mit optimistischem Cheftrainer, aber ohne Trikotsponsor.

Benka Barloschky bat, höflich wie der Cheftrainer der Veolia Towers Hamburg nun mal ist, um Verzeihung. „Manchmal ist zu viel Routine nicht gut“, lautete die Begründung des 35-Jährigen für seine 20-minütige Verspätung zur Saisoneröffnungspressekonferenz des Basketball-Bundesligisten. In alter Gewohnheit war Barloschky des Morgens zur edel-optics.de Arena in Wilhelmsburg gefahren anstatt zum Pressetermin ins Coworking-Space Hamburger Ding an der Reeperbahn.

Da ein guter Coach adaptiv ist, wurde der Spätstart anschließend einfach zur Devise Barloschkys und der Towers – womit wir vom Turm zum Kirchturm kommen. Dem UImer Münster genauer gesagt. Dort feierte ratiopharm Ulm im vergangenen Sommer völlig überraschend eine der sensationellsten Meisterschaften der Bundesligageschichte. Dabei hatten die Baden-Württemberger die Saison mit fünf Niederlagen begonnen und waren nur als Siebter in die Play-offs gegangen.

Veolia Towers Hamburg wollen es ratiopharm Ulm gleichtun

Nicht, dass die Hamburger nun den Titel als Ziel ausrufen, aber Barloschky wollte am Beispiel Ulm auch die Vorbereitung mit zwei Siegen aus sieben Testspielen einordnen und keine Erwartungshaltung schüren, seine aus neun Zugängen bestehende Mannschaft sei schon zu Saisonbeginn am Sonntag (15 Uhr/Dyn) im Pokal bei Zweitligist Dresden Titans in Optimalform. „Wir befinden uns in einem Prozess, bei dem wir uns nicht von Ergebnissen aus der Bahn werfen lassen. Dieser Prozess ist bestenfalls erst zum Ende der Saison hin abgeschlossen, sodass wir uns wie Ulm stetig verbessern“, sagt Barloschky. Zur ganzen Wahrheit gehört allerdings auch, dass der deutsche Meister nach dem Fehlstart hochklassige Spieler nachverpflichtete.

Ein Szenario, das auch die Towers erwarten könnte, die wie in der vergangenen Serie nur mit zehn Vollprofis in die Saison starten. Die übrigen Akteure sind Jugendspieler oder Doppellizenzler vom Drittligakooperationspartner SC Rist Wedel. Dass der Kader für die Dreifachbelastung aus Bundesliga, Pokal und EuroCup damit zu dünn besetzt sei, weisen Barloschky und Sportchef Marvin Willoughby zurück.

Kaderplätze elf und zwölf für junge Spieler vorgesehen

„Wir haben nicht das Budget, um drei weitere Profis von Beginn an unter Vertrag zu nehmen. Vor allem geht es uns aber darum, auf den Kaderplätzen elf und zwölf jungen Spielern Einsatzzeiten zu verschaffen“, sagt Willoughby und meint damit speziell den nun offenbar endlich fitten Leif Möller (20), der schon vor drei Jahren eingeplant war, aber ständig von Verletzungen ausgebremst wurde, sowie Niklas Krause (21). Allerdings räumt der Vereinsgründer auch ein, „dass wir reagieren, wenn wir sehen, dass wir etwas tun müssen“. Später, versteht sich – um beim Motto zu bleiben.

Auch Barloschky ist zufrieden mit dem Team, mit dem der langjährige Assistent in seine erste komplette Saison als Cheftrainer geht. „Wir haben Schlüsselfaktoren ausgemacht, die wir haben wollten. Unsere neue Mannschaft ist athletisch genug, um die Mehrfachbelastung zu verkraften, sie besteht aus hungrigen Spielern und sie kann werfen“, sagt der Coach, der im Hamburger Ding von einem der besonders potenten Werfer flankiert wurde: Nico Brauner.

Kapitän wird in dieser Woche gewählt

Der langjährige Zweitligaprofi steht vor seinem Debüt im Oberhaus und erfüllt die kulturellen Kriterien, die Willoughby auferlegt hat. „Wir wollen Spieler, die sich mit Hamburg identifizieren und gern hier spielen“, sagt der 45-Jährige. Das dürfte das geringste Problem sein. „Ich habe mich immer danach gesehnt, in einer attraktiven Stadt zu spielen“, sagt Brauner, der zuvor in Kirchheim („War nicht viel los“), Jena („Ging während Corona nichts“) und Gießen („Na ja“) aktiv war und in Hamburg bereits einen Freundeskreis mehrerer Abiturkumpels besitzt.

Allerdings ist der 28-Jährige, der als wichtige Präsenz der noch kapitänslosen Kabine – die Wahl trifft das Team noch in dieser Woche gemeinsam mit Sportpsychologin Renate Eichenberger – gilt, primär zu den Towers gewechselt, um seine Kernkompetenz einzubringen. „Wenn Nico an der Dreierlinie den Ball hat, springt die ganze Bank bereits auf, weil klar ist, dass er trifft“, sagt Barloschky über seinen Wurfexperten.

Brauner möchte „sogar“ um die Play-offs spielen

Wohin diese Qualitäten sowie die der weiteren, überwiegend unerfahrenen, Profis die Wilhelmsburger führen sollen, wollen sich die Verantwortlichen nicht entlocken lassen. Barloschky denkt prozessorientiert, Willoughby spielt den Ball ans Team weiter, „das sich interne Ziele setzt“. Brauner, ein leidenschaftlicher Golfer, hält sich bedeckt, möchte „den bestmöglichen Basketball spielen, um eventuell sogar um die Play-offs mitspielen“.

Das „sogar“ ist in diesem Fall die aufschlussreichste Vokabel. Nach zwei Teilnahmen an der Meisterrunde in Serie waren die Towers zuletzt auf Platz 15 abgestürzt, kämpften lange gegen den Abstieg. Und tatsächlich dürfte dies auch die realistischste Einschätzung sein, dass die Hamburger eher in der unteren Hälfte der Tabelle wiederzufinden sein werden. Was eine Play-off-Teilnahme keineswegs ausschließt, denn in der Bundesliga werden erstmalig die Play-ins eingeführt, in denen die Vereine der Ränge sieben bis zehn um zwei Spots in der Endrunde spielen.

Towers verlieren ihren Trikotsponsor

Klingt nicht ganz nach der Ulmer Erfolgsstory. Aber eine schöne Geschichte haben die Towers dennoch zu erzählen, denn eigentlich steht die Saison nicht unter dem Motto Spätstart, sondern „Ten Towerful Years“ (zehn Jahre Towers). Für ihre zehnte Saison ist unter anderem ein Geburtstagsspieltag vorgesehen sowie eine Partie, voraussichtlich im Frühjahr gegen den FC Bayern München, in der Barclays Arena geplant. „Wir sind in guten Gesprächen“, sagte Willoughby, der erneut über ein Budget von rund 5,5 Millionen Euro verfügt.

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Allerdings nicht mehr über einen Trikotsponsor. Der Energydrinkhersteller 28 Black stieg aus dem ursprünglich für drei Jahre angelegten Deal aus. Nach Abendblatt-Informationen hatte das Unternehmen den Vertrag über den ehemaligen Towers-Vermarkter More Than Sports abgeschlossen, er galt auch für weitere Sportunternehmungen von Towers-Hauptgesellschafter Tomislav Karajica, wie die Hamburg Sea Devils. Die normalerweise zusätzlich zu bezahlenden Aktivierungskosten für das Sponsoring waren in der von 28 Black überwiesenen Summe jedoch bereits eingepreist, wodurch den Basketballern kein all zu üppiger Betrag verlorengeht.

„Ein, zwei Problemchen“ habe das lediglich verursacht, sagt Willoughby. Barloschky schlägt ohnehin entspannte Töne an, verspricht, auch im Fall zunächst ausbleibender Resultate „nicht in Panik zu verfallen“. Auf einen Spätstart seines Teams könne er dennoch verzichten. 20 Minuten Verspätung genügen.