Manila/Hamburg. Das Team von Bundestrainer Gordon Herbert besiegt trotz einer schwachen Leistung ihres Kapitäns Lettland und löst das Olympia-Ticket.

Fünf Spiele hat Dennis Schröder die deutsche Basketball-Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft in Japan, Indonesien und auf den Philippinen getragen, am Mittwoch im Viertelfinale gegen Lettland musste der Kapitän getragen werden. Doch das wollte er nicht so recht.

Wurf um Wurf versuchte der neben sich stehende Spielmacher, sein Selbstvertrauen zurückzugewinnen, seinem Team ein vorangehender Anführer zu sein. Stattdessen überzog es der 29-Jährige mit erfolglosen Einzelaktionen.

Deutschland besiegt Lettland im WM-Viertelfinale

Auch seinen letzten Wurf bei einer Zweipunkteführung sieben Sekunden vor Schluss verfehlte Schröder. Und so kam es, dass Davis Bertrans, wegen seiner Treffsicherheit Träger des wunderschönen Spitznamens „Lettischer Laser“, zum siegbringenden Dreier ansetzen konnte.

„Der Moment hat Stunden gedauert, ich habe den Ball schon auf alle vorstellbaren Arten in den Korb gehen sehen“, sagte anschließend Andreas Obst, der bestens weiß, auf welche vorstellbaren und unvorstellbaren Arten sich Bälle aus weiter Distanz in Körben unterbringen lassen.

Schröder: "Mein schlechtestes Spiel"

Doch dieser Ball hatte nur die Ringkante als Destination. Deutschland gewann den Thriller in Manila haarscharf 81:79 (13:16, 23:18, 26:25, 19:20). Es war nicht nur ein blaues Auge, mit dem die Auswahl von Bundestrainer Gordon Herbert davonkam, es war ein veritables Schädel-Hirn-Trauma. Es war: egal. Denn erstmals seit 2002 steht wieder eine deutsche Mannschaft in einem WM-Halbfinale.

„Das war wahrscheinlich das schlechteste Spiel, das ich je gespielt habe“, sagte Schröder. Vier seiner 26 Würfe hatte er getroffen, keinen seiner acht Dreier, sich dazu vier Ballverluste geleistet. Die 30:10 Minuten mit dem Aufbauspieler der Toronto Raptors auf dem Feld verlor Deutschland mit 20 Punkten. Die restlichen 9:50 Minuten, in denen unter anderem der Hamburger Justus Hollatz Schröder vertrat, gewann es mit 22.

Deutsches Team reif und tief

Es war das vermutlich Beste, was dieser Mannschaft passieren konnte, ein K.-o.-Spiel erfolgreich zu bestreiten, in dem ihr Star einen wenig leistungsfähigen Doppelgänger aufs Feld geschickt zu haben schien. Dies zeugt von der überwältigenden Qualität im Team.

Und tatsächlich sollte die Geschichte des Viertelfinals keine über Schröder sein. Das wäre ihm, der zuvor so reif und zuverlässig agiert hatte, ungerecht gegenüber, vor allem aber auch seinen Mitspielern, die ein weiteres Mal über sich hinauswuchsen.

Franz Wagner mit starkem Comeback

Allen voran Franz Wagner, der bei seiner Rückkehr nach ausgeheilter Knöchelverletzung zum besten Punktesammler avancierte und dabei wirkte, als hätte er kaum etwas von seiner Spritzigkeit eingebüßt. „Franz ist unglaublich. Der ist 22 Jahre alt, war verletzt und kommt zurück und macht dann so ein Spiel. Er hat so viel Talent“, sagte Johannes Thiemann – der selbst zu den zu selten besungenen Helden der einzig noch unbesiegten Auswahl bei diesem WM-Turnier gehört.

Moritz Wagner, der vier Jahre ältere Bruder von Franz, lieferte beständig Energie. Defensivspezialist Isaac Bonga störte nicht nur Bertrans’ entscheidenden Wurf. Und Obst traf dann seine Dreier, als nichts mehr sonst zu funktionieren schien.

Deutschland für Olympia qualifiziert

„Großer Respekt an die Jungs. Dennis ist menschlich, er hatte ein schweres Spiel. Unsere zweite Einheit hat uns heute getragen und das Spiel gedreht“, sagte Herbert. Der 64 Jahre alte Kanadier wirkte nach der schwächsten bisherigen WM-Leistung unzufrieden, ordnete sie aber sachlich ein: „Das war nicht gut heute, aber uns war klar, dass wir irgendwann einen Stinker drinhaben werden.“

Im Halbfinale gegen die favorisierten USA am Freitag (14.40 Uhr/kostenlos bei MagentaSport) muss Deutschland angenehmere Duftmarken setzen, um seine Medaillenambitionen zu untermauern. Denn was bei dieser WM zählt, ist primär Edelmetall.

Medaille ist das Ziel

Mit dem Sieg Kanadas gegen Slowenien haben die Deutschen neben Serbien als eines der zwei besten europäischen Teams auch das Ticket für Olympia 2024 in Paris gelöst. Die Qualifikation ist nett, allerdings auch nicht mehr. Mit dieser starken Mannschaft aus einem bislang durchweg erfolgreichen Turnier ohne Greifbares zu gehen wäre ein Enttäuschung.

Schröder wird dafür sorgen, dass es nicht dazu kommt – sich aber im Notfall auch umsorgen lassen. Denn letztlich gab selbst der stolze Anführer zu: „Heute haben mich alle getragen, das war sehr geil.“

Deutschland: F. Wagner (16 Punkte), Obst (13), M. Wagner (12), Thiemann (10), Schröder (9), Theis (9), Lo (6), Bonga (3), Voigtmann (3), Hollatz.

Viertelfinale: Serbien – Litauen 87:68, USA – Italien 100:63, Deutschland – Lettland 81:79, Kanada – Slowenien 100:89.

Halbfinale, Freitag: Serbien – Kanada (10.45 Uhr), Deutschland – USA (14.40 Uhr).