Hamburg/Okinawa. Der EM-Bronzemedaillengewinner widersteht Slowenien um Supertstar Luka Doncic sowie eine interne Stresssituation in einer Auszeit.
Es war einer dieser Momente, an denen ein Team zerbrechen kann. Eine Zäsur, nach der nichts ist, wie es zuvor war.
Die bislang so erfolgreiche Basketball-WM für die deutsche Nationalmannschaft war am Scheideweg angelangt. Das Team war mies in das Zwischenrundenfinale um den Gruppensieg gegen Slowenien gestartet, Bundestrainer Gordon Herbert hatte sich das taktische Mittel einer Auszeit zunutze machen wollen, doch dann schien alles in Scherben zu liegen.
Disput zwischen Schröder und Herbert
Kapitän Dennis Schröder und Center Daniel Theis hatten noch Gesprächsbedarf. Anstatt sich in Richtung Bank zu bewegen, trugen die engen Freunde ihren Privatdisput weiter aus.
Herbert, der höchst selten die Fassung verliert, wollte angesichts der bis dahin schwachen Leistung aber keine weitere Zeit verschwenden und wendete sich wütend an Schröder: „Verdammt, sei endlich still und setz dich hin, Dennis!“, brüllte der Kanadier und zerschlug vor Ärger seine Taktiktafel.
Deutschland besiegt Slowenien um Luka Doncic
Sein Anführer, ein stolzer Mann, entgegnete: „Entspann dich, Coach.“ Das Gegenteil geschah: Der Bundestrainer schob Schröder nicht unsanft, aber bestimmt in Richtung Bank, woraufhin dieser antworte: „Fass mich niemals so an.“
Der Eklat schien perfekt. Schröder, früher für seine Disziplinlosigkeit bekannt, musste zunächst auf der Bank schmoren, in den Folgeminuten gab es auch im restlichen Team kleinere Verwerfungen, und auf Gegenseite standen ja auch noch die bis dahin ebenfalls ungeschlagenen Slowenen mit Superduperstar Luka Doncic. Dass die Partie letztlich mit 100:71 (11:25, 27:9, 30:18, 32:19) an Deutschland ging, ist ein beängstigender Beleg der Stärke.
Kapitän zeigt sich gereift
Es war Schröder höchstpersönlich, der die Wende einleitete. Nachdem ihn Herbert Mitte des zweiten Viertels zurück aufs Feld beorderte, startete Deutschland einen 18:2-Lauf, dominierte den Europameister von 2017 in jeglichen Belangen.
Der 29-Jährige zeigte sich menschlich wie sportlich von seiner gereiften Seite, garnierte seine 24 Punkte mit zehn Vorlagen. Nach dem Spiel klatschte er mit Herbert ab, als sei nie etwas vorgefallen.
Schröder und Theis gute Freunde
Der Bundestrainer witzelte da schon nur noch darüber. „Daniel und Dennis haben wohl über ihre alten Zeiten in Braunschweig gesprochen. Wir werden das intern besprechen“, sagte der manchmal väterlich wirkende Kanadier über die Streithähne, die schon in Jugendzeiten gemeinsam in Braunschweig spielten.
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„Daniel und ich kennen uns seit Kindertagen. Wenn es etwas zu besprechen gibt, dann rede ich sofort mit ihm, ob er das mag oder nicht. Genauso kann er es mit mir machen, überhaupt kann jeder im Team das Wort erheben, jeden mal ansprechen und anscheißen“, sagte Schröder. Er sagte es nicht nur so dahin.
Giffey: "Wir haben so gute Spieler"
Der sehr intelligente Johannes Voigtmann, eine Instanz im Team, beruhigte die Gemüter. Basketball-Handwerker Andreas Obst entspannte das Geschehen auf dem Parkett mit zwei schnellen Dreiern, und Niels Giffey, mit 32 Jahren der Senior, wirkte sogar gerührt, ob des gelungenen Stresstests.
„Wir haben so gute Spieler. Ich bin einfach nur froh, hier mitspielen zu dürfen“, sagte der für den FC Bayern München spielende Berliner, der schon im Vorjahr zum EM-Bronzekader gezählt hatte. Dass die Deutschen zum dritten Mal in Folge schläfrig in die Partie starteten, monierte Giffey allerdings: „Offenbar brauchen wir das, um am Boden zu bleiben.“
Lettland Gegner im Viertelfinale
Klar ist aber, dass Viertelfinalgegner Lettland einen solchen Spätstart vermutlich härter bestrafen würde als die bisherigen Kontrahenten. Bei der erstmaligen WM-Teilnahme sind die wurfgewaltigen Balten die große Überraschung des Turniers.
Dass es für Deutschland dort nicht nur weit, sondern ganz weit gehen kann, steht jedoch ebenfalls fest. Der Sieg Litauens, die einzig weitere unbesiegte Mannschaft, gegen den möglichen deutschen Halbfinalgegner USA zeigte, dass kein Team unantastbar ist.
Franz Wagner im Viertelfinale wieder fit?
Und die deutsche Mannschaft hat ja sogar eventuell noch einen Joker. Es ist schon fast in Vergessenheit geraten, dass die vergangenen vier Siege ohne Mitwirken von Franz Wagner eingefahren wurden, dem nominell zweitbesten Akteur im Kader. Der Flügelspieler, der wie sein Bruder Moritz in der Eliteliga NBA für die Orlando Magic spielt, war zum Auftakt gegen Japan umgeknickt.
Seither arbeitet die medizinische Abteilung daran, den 22-Jährigen fit zu bekommen. „Franz ist wirklich nah dran. Es ist hart zu sagen. Ich hoffe, es reicht für Mittwoch“, sagte Herbert. Eine Garantie gibt es nicht, aber an einem Ausfall zerbrechen wird diese Mannschaft ganz bestimmt nicht.
Deutschland: Schröder (24 Punkte), Theis (14), Bonga (12), M. Wagner (10), Giffey (10), Obst (8), Thiemann (7), Lo (6), Voigtmann (4), Hollatz (3), Krämer (2).