Hamburg. Hamburgs Basketballer stecken sich für ihre fünfte Saison in der Bundesliga hohe Ziele. Die Teamzusammenstellung erfordert Kreativität.
Es war schon wieder Schlimmes zu befürchten, als Marvin Willoughby und Benka Barloschky am Dienstagvormittag den Besprechungsraum der Geschäftsstelle der Veolia Towers Hamburg am Kurt-Emmerich-Platz betraten. Die von Medienchef Florian Eisebitt servierten Franzbrötchen ließen der Sportchef des Basketball-Bundesligisten links und der Cheftrainer rechts liegen. Towers auf Verschlankungskur? Wollen die Wilhelmsburger nichts mehr vom großen Kuchen abhaben?
Aber nicht doch. Willoughby bleibt sportlich wie kulinarisch ein Schleckermaul. „Wir möchten immer ein Club sein, der in die Play-offs kommt und international spielt“, sagt der 45-Jährige.
Veolia Towers Hamburg: Hoher Steuersatz erschwert Konkurrenzfähigkeit
Auch der Gesamtetat der Hamburger bleibt vor ihrer fünften Saison der Erstklassigkeit mit rund 5,5 Millionen Euro stabil und im Mittelfeld der Bundesliga. Das Problem besteht darin, dass in ausländischen Ligen mittlerweile deutlich größere und finanziell saftigere Kuchenstücke verteilt werden.
Nachwehen der Corona-Zeit sowie der hohe Steuersatz in Deutschland erschweren die internationale Wettbewerbsfähigkeit. „Als wir Terrell Gomez aus der zweiten französischen Liga verpflichtet haben, mussten wir uns gegen die Konkurrenz aus dieser Spielklasse strecken“, sagt Willoughby.
Towers-Kaderzusammenstellung mit Kreativität und Kultur
Die Kaderzusammenstellung erforderte daher Kreativität – und Kultur. Diese sei bei der Rekrutierung der Akteure mitentscheidend, sagt Willoughby.
„Als Organisation müssen wir wachsen und lernen. Daher passen nur Spieler zu uns, die bereit sind, den nächsten Schritt zu gehen und diesen auch durch hartes Training gehen wollen“, sagt Barloschky, der potenziellen Verpflichtungen absagte, die unter der Woche nicht bereit waren, zuzüglich zum Wettbewerb in Liga, Pokal und EuroCup noch intensive Einheiten zu absolvieren.
Towers-Trainer Barloschky: „Glauben an Dreifachbelastung“
„Aber wir glauben an die Dreifachbelastung, dass sie uns als Team und Verein vorwärts bringt“, sagt der Coach, der vom Trainingsstart am Freitag an vier Spieler anleiten wird, die vergangene Saison noch in einer zweiten Liga spielten.
Mit all diesen Zutaten möchte Barloschky einen Basketball mit Fokus auf der Defensive spielen lassen. „Wir wollen Teams stoppen, dann so schnell und oft wie möglich umschalten“, sagt der zweifache Vater, ehe ihm der überschaubare Tiefgang seiner Aussage bewusst wird, um dann grinsend zu ergänzen: „Also genau das, was jeder Trainer auf der Welt sich vorstellt.“
Elf Profis im Hamburger Team
Über mangelhafte Tiefe in seinem Team kann sich der 35-Jährige nur bedingt beschweren. Die Towers haben zwar abgesehen von Leif Möller, der sich nach drei knieverletzungsgeplagten Saisons erst auf Topniveau beweisen muss, erneut nur zehn Profis im Kader.
Von diesen fällt jedoch keiner nennenswert niveaumäßig ab. „Wir haben das Budget so aufgeteilt, dass wir eine homogene Mannschaft haben“, sagt Willoughby.
Shooting und Athletik Eckpfeiler
Den Ansatz, den die Hakro Merlins Crailsheim wählten, ihr Geld vornehmlich für wenige, dafür starke Akteure in der Spitze auszugeben, hält der Towers-Boss für riskant: „Wenn wir zu abhängig von einzelnen Spielern sind, diese aber nicht funktionieren oder sich verletzen, haben wir ein Problem.“
- Basketballer flieht aus dem Bürgerkrieg in die Bundesliga
- Basketball-WM findet ohne Wohlfarth-Bottermann statt
- Veolia Towers Hamburg testen gegen den deutschen Meister
Mehr Qualität bei den Distanzwürfen und Athletik waren nach einem enttäuschenden Platz 15 in der vergangenen, unruhigen Saison diesmal die Eckpfeiler beim Scouting. „Ich möchte im Idealfall Spieler, die mit ihrer Athletik nicht nur der Belastung standhalten, sondern auch vielseitig auf mehreren Positionen spielen können“, sagt Barloschky.
Meisner und Dziewa führen Towers an
Welche Akteure die Führungsrollen auf dem Feld einnehmen werden, lässt sich für das Führungsduo der Towers noch nicht absehen. „Es gibt eine Idee vom Vermögen der Spieler, aber erst die Vorbereitungsphase wird zeigen, wie groß ihre Rollen tatsächlich werden. Daraus ergibt sich auch unsere exakte Taktik“, sagt Barloschky.
Unstrittig dürfte sein, dass Lukas Meisner auf dem Flügel gesetzt ist und der EuroCup-erfahrene Toptransfer Aleksander Dziewa (zuvor Slask Wroclaw/Polen) die Majorität der Minuten auf der Centerposition erhalten wird. Gomez (Saint-Quentin BB/2. Liga Frankreich) ist als etatmäßiger Spielgestalter vorgesehen, einiges zuzutrauen ist auch Will Christmas (Artland Dragons/2. Bundesliga ProA), einem athletischen Allrounder auf dem Flügel.
Heimspiel gegen FC Bayern in Barclays Arena
Das Team soll sich neben den Heimspielen in der zumeist ausverkauften Edel-optics.de-Arena zehn Jahre nach Vereinsgründung auch erstmals in einem Jubiläumsspiel in der Barclays Arena präsentieren. Gegner dafür könnte wie vor drei Jahren, als die Corona-Pandemie eine Austragung am 26. April 2020 verhinderte, der FC Bayern München sein.
Ein erster Termin passte aber nicht in den Kalender des Topfavoriten auf den Titel. Der Sprungball ist jetzt für März oder April 2024 geplant.
Towers investieren in Infrastruktur
Es wäre ein weiterer Kilometerstein der nahezu kontinuierlichen Entwicklung des Clubs. Zuletzt wurden die Trainingsbedingungen und Infrastruktur erheblich verbessert, die Basis im Jugendbereich verbreitert, Investitionen im Personalbereich unterhalb und neben des Profiteams sollen folgen.
„Uns gelingt der Spagat zwischen Demut und Ehrgeiz hier sehr gut, aber was in zehn Jahren geschafft wurde, ist schon unglaublich“, sagt Barloschky. Übrigens griff er nach dem Gespräch doch noch nach einem Stück Streuselgebäck, biss genüsslich hinein. Die Botschaft: Er ist hungrig, vor allem auf Erfolg.
Towers-Kader: Sechs Spieler haben Doppellizenz
Towers-Kader 2023/24: Terrell Gomez (25/Guard/USA), Mark Hughes (26/Guard/USA), Nico Brauner (28/Guard/Deutschland), Leif Möller* (20/Guard/Deutschland), Lukas Meisner (28/Forward/Deutschland), Aleksander Dziewa (25/Center/Polen), Will Christmas (26/Guard/USA), Seth Hinrichs (30/Forward/Deutschland/USA), V. J. King (26/Forward/USA), Jonas Wohlfarth-Bottermann (33/Center/Deutschland), Linus Hoffmann* (20/Forward/Deutschland), Aljami Durham (24/Forward/USA), Al-Fayed Alegbe* (19/Guard/Deutschland), Simonas Paukste* (19/Forward/Deutschland/Litauen), Niklas Krause* (20/Guard/Deutschland), Camron Reece* (24/Forward/USA).
Mit einem * markierte Spieler sind per Doppellizenz bei Rist Wedel in der drittklassigen 2. Bundesliga ProB spielberechtigt.