Hamburg. Im vorletzten Saisonspiel kassieren die Wilhelmsburger eine 80:87-Pleite. Hinterher gibt es Ärger mit den Fans der Gastgeber.
Es ist ja immer so eine Sache im Sport, wenn zum Saisonende um nichts mehr zu spielen ist, die eigenen Ziele entweder schon erreicht oder verfehlt wurden. Wenn es, wie in der Basketball-Bundesliga, nicht um üppige Siegprämien oder TV-Gelder geht, wenn die Platzierung, die eventuell für europäische Wettbewerbe berechtigt, für die Mehrheit der Spieler uninteressant ist, da sie kommende Saison sowieso an anderen Standorten beschäftigt sind.
Häufig wird dann an die Ehre appelliert, und wenn es dennoch schief geht - wie am Sonnabend bei der 80:87 (21:25, 29:17, 17:18, 13:27)-Niederlage der vor dem Abstieg geretteten Veolia Towers Hamburg am vorletzten Spieltag bei den Niners Chemnitz - wird die mangelhafte Einstellung der Herren Profisportler bekrittelt.
Keine grundsätzlichen Einstellungsprobleme im Profisport
Die beste Antwort auf diesen Vorwurf im Generellen kam ebenfalls am Sonnabend. Sie kam von ungewöhnlicher Stelle, aber sie kam auch aus Hamburg. Dort saß einige Stunden vor der Towers-Begegnung im Millerntor-Stadion des FC St. Pauli Gästetrainer Uwe Koschinat auf dem Pressepodium, um die 1:2-Niederlage seiner Arminia Bielefeld zu rechtfertigen - und um exakt mit der Frage konfrontiert zu werden, ob die Einstellung seiner Mannschaft nicht gestimmt habe.
Der 51 Jahre alte Fußballlehrer, äußerlich eher ein grober Typ, lieferte eine ganz feine Replik darauf, die in jeder Profisportart Gültigkeit besitzt. "Das ist von außen immer so unfassbar leicht gesagt, auf dem Feld fühlen sich die Dinge manchmal anders an, als man sie sich vorstellt. Einem Spieler ein grundsätzliches Einstellungsproblem anzuhaften, ist wirklich Blödsinn", sagte Koschinat.
Veolia Towers Hamburg fehlt die Konstanz
"Ein Faktor ist der Druck, im Erfolg spielt es sich mutiger", fuhr Koschinat fort. "Und ein zweiter Faktor: Es gibt auch immer einen Gegner." Wenn also nun nach Begründungen gesucht wird, auch bei den Towers, dann sollte an erster, zweiter und dritter Stelle bei der spielerischen Qualität nachgesehen werden.
Eines der Hauptprobleme der Wilhelmsburger in dieser Saison war die fehlende Konstanz, auch ein Merkmal der Substanz im Kader. Auf das 80:123-Desaster vom Vorwochenende in Weißenfels folgte am Dienstag die Reaktion in Form eines 77:66-Arbeitssiegs gegen Crailsheim. Und nun? Legten die Hamburger direkt wieder mit einem 0:8-Negativlauf (3.) los.
Hamburger Basketball verfügen sehr wohl über Qualität
Doch dann zeigte sich eine Mischung aus auch von außen sichtbarer "Einstellung", aber besonders von Qualität. Die beispielsweise Ryan Taylor aus der Distanz besitzt, über die Anthony Polite, der individuell beste Turm, als Punktesammler und Organisator verfügt. Und die dann auch gegen einen starken Gegner hoch genug ist, um zunächst auf Tuchfühlung zu bleiben und bis zur Pause dank einer erstaunlichen Dreierquote (8/12) in Führung zu gehen.
Ein tatsächliches Einstellungsproblem ließ sich in der Richard-Hartmann-Halle dennoch beobachten, oder besser gesagt: ein Ausstellungsproblem. Denn die 24-Sekunden-Uhr, die die maximal verbleibende Zeit bis zum Abschluss anzeigt, verweigerte nach der Halbzeit ihren Dienst. Es dauerte gut fünf Minuten, bis die Partie fortgesetzt werden konnte.
Verteidigung der Towers steht gegen Chemnitz
Bis auf 54:42 (22.) setzten sich die Towers anschließend ab. Dann beeinflussten die Faktoren Druck und Erfolg - Chemnitz hatte die vorangegangenen drei Spiele gewonnen und besitzt noch Chancen auf die Play-offs - sowie Gegner den Spielverlauf. Die Niners, nominell in der oberen Tabellenhälfte anzusiedeln, glichen zum 56:56 (26.) aus.
Doch dank ihrer gut eingestellten Verteidigung, die 16 Ballverluste erzwang und nur eine gegnerische Dreierquote von 33,3 Prozent (9/27) zuließ, erarbeite sich die Mannschaft von Cheftrainer Benka Barloschky wieder eine knappe Führung.
Lukas Meisner wird beleidigt: "Finde das affig."
Diese hielt bis in die finalen Minuten. Doch für Chemnitz ging es um die Play-offs, für Hamburg darum, "den Prozess fortzusetzen", wie Barloschky vor der Begegnung gefordert hatte. Die spielerischen und systematischen Prozesse funktionieren allerdings bei den gut zusammengestellten Sachsen eine Stufe besser. Ausnahmeleistungen ihrer Topakteure im vierten Viertel gesellten sich hinzu. Und, ja okay, auch eine Prise positiver Einstellung und Energie, die die Niners von ihren Fans erhielten.
Eben diese sorgten jedoch vereinzelt für Ärger. Towers-Forward Lukas Meisner brach sein Interview bei "MagentaSport" nach dem Spiel ab, weil ihn ein Zuschauer währenddessen vehement insultiert haben soll. "Es herrscht eine schöne Atmosphäre hier vor, aber dass einige Fans uns beleidigen, muss nicht sein, das finde ich affig", sagte Meisner, ehe er das Gespräch aufgebracht verließ.
Um die Ehre zu spielen, ist das eine. Sich ehrenhaft zu verhalten, das andere.
Veolia Towers Hamburg: Childs (17 Punkte), Taylor (13), Meisner (13), Polite (11), Samar (10), Schoormann (5), Hinrichs (4), Wohlfarth-Bottermann (4), Philipps (3).