Hamburg. Seit vergangenem Jahr spielt der 21-Jährige bei CB Breogán. Warum das Level dort ein anderes ist – und was seine Ambitionen sind.

Verblüffendes hielt die Karriere von Justus Hollatz bislang wenig parat. Für den 21 Jahre alten Hamburger ging es stets planbar bergauf. Vom Bundesligaaufstieg mit den Hamburg Towers über den Gewinn der Bronzemedaille bei der EM im eigenen Land bis zum Wechsel zu CB Breogán nach Spanien im vergangenen Sommer.

Doch Bundestrainer Gordon Herbert hatte eine Überraschung für Hollatz, als dieser im Lager der Nationalmannschaft in Frankfurt am Main eintraf, wo sie sich auf die WM-Qualifikationsspiele gegen Schweden am Freitag (19.30 Uhr) und in Finnland am Montag (17.30 Uhr/jeweils MagentaSport) vorbereitet.

Hamburger Abendblatt: Herr Hollatz, haben Sie schon einen Bootsführerschein?

Justus Hollatz: Wie meinen Sie das?

Bundestrainer Gordon Herbert hat Sie, bis Johannes Voigtmann am Freitag zum Team stößt, zum Kapitän ernannt.

Ach so, das ist wirklich wild. Eine große Ehre. Aber ich bin tatsächlich momentan derjenige mit der meisten Länderspielerfahrung.

Welche Aufgaben bringt dieses Amt mit sich?

Ich soll mich als Anführer einbringen, Ansprechpartner zwischen Team und Stab sein. Darauf achten, dass alle pünktlich sind, da wir diesmal viele Debütanten dabei haben, für die das alles neu ist. Und wenn es im Training zu wild wird, sage ich auch etwas. Aber das ist nichts Ungewohntes. Bereits in Hamburg habe ich versucht, mich auf dem Feld dahingehend einzubringen. Mein Trainer in Spanien fordert seit Saisonbeginn, dass ich in die Leaderrolle hineinschlüpfe.

Wo Sie schon über Spanien sprechen: Fiel Ihnen die Anpassung an die dortige Kultur oder die Liga schwerer?

Eindeutig an den Basketball, der dort gespielt wird. Kulturell ist es in Lugo europäisch geprägt, ich musste mich nur daran gewöhnen, dass nicht alles so pünktlich abläuft wie in Deutschland. Im Gegensatz dazu ist das Tempo in der ACB viel höher, es gibt dort keine schlechten Gegner. Es hat gedauert, bis ich damit zurechtgekommen bin. Aber seit Weihnachten befinde ich mich auf einem guten Weg.

Die ACB gilt als stärkste nationale Liga Europas. Inwiefern können Sie diese Einschätzung bestätigen?

In nahezu allen Facetten. Am auffälligsten ist der Basketball-IQ. Die Spieler sind ex­trem spielintelligent, ansonsten hätten sie aber auch keine Chance, dort zu überleben. Der Detailgrad an Vorbereitung ist nämlich wesentlich höher. Es gibt viel mehr Variationen in der Verteidigung, für fast jeden Gegenspieler gibt es ein spezielles Konzept. Dazu muss man sich unheimlich viel bewegen, vor allem abseits des Balles. In der Bundesliga steht man dort häufiger mal herum, weil mehr Eins-gegen-eins gespielt wird. Der Stil in Deutschland ist physischer, in Spanien mental aber deutlich herausfordernder.

Ihre persönlichen Leistungen sind mit durchschnittlich gut sechs Punkten und vier Vorlagen solide, aber nicht herausragend. Haben Sie sich mehr erwartet?

Ich kann auf jeden Fall mehr. Aber habe ich mehr erwartet? Schauen Sie, ich musste im vergangenen Herbst direkt nach der EM ohne jegliche Vorbereitungszeit zu einer komplett neuen Mannschaft stoßen und bekam als Aufbauspieler die Schlüssel für die Offensive in die Hand gedrückt. Das Wichtigste ist ohnehin, dass unsere Mannschaft erfolgreich spielt und ernsthaft um die Play-offs kämpft, das werte ich auch für mich als gutes Zeichen.

Wenn Sie sehen, in welcher Krise Ihr Heimatclub aus Hamburg in dieser Saison steckt, würden Sie Ihre Entscheidung, nach Spanien gewechselt zu sein, vermutlich nicht revidieren wollen?

Nicht deshalb, sondern weil ich mir als Mensch eine neue Herausforderung erhofft habe. Ich habe den Schritt zu keinem Zeitpunkt bereut.

Worin liegen die Probleme der Towers begründet?

Obwohl ich fast jedes Towers-Spiel und übrigens auch des FC St. Pauli sehe, kann ich mir nur eine Ferndiagnose erlauben. Wahrscheinlich ist es ähnlich wie in unserer Aufstiegssaison 2019/20. Du verlierst vier, fünf Spiele in Serie, dann meldet sich der Kopf, Unsicherheit macht sich breit, man nimmt die Einflüsse von außen bewusster wahr. Daher waren die zwei Siege vor der Länderspielpause extrem wichtig. Ich glaube auch, dass Neuzugang Jordan Davis, den ich aus der ACB kenne, helfen wird.

Kommen wir noch mal zur Nationalmannschaft. Im Sommer steht die WM in Japan, Indonesien und auf den Philippinen an, für die Deutschland bereits qualifiziert ist. Welche Chancen rechnen Sie sich aus?

Wenn ich meine Leistung bringe, dürfte kein Weg an einer Nominierung vorbeiführen. Als EM-Dritter traue ich uns eine Medaille zu. Starke außereuropäische Konkurrenz kommt nur aus den USA und Australien. Aber die Leistungsdichte an der Spitze ist brutal. Noch denke ich jedoch nicht so sehr darüber nach, bis dahin gibt es noch einiges zu tun.

Und zwar?

Meine Ambitionen, es in die NBA zu schaffen, sind noch nicht erloschen. Ich möchte mich zumindest dafür empfehlen, vor dem Draft zu einigen Probetrainings eingeladen zu werden. Außerdem haben Sie mir ja noch eine Aufgabe mitgegeben.

Welche denn?

Na, den Bootsführerschein zu erwerben. Von Lugo ist es nur eine Stunde bis A Coruña an die Atlantikküste. Das sollte doch zu schaffen sein.