Hamburg. Der 65-Jährige ist Deutschlands erfolgreichster Basketballtrainer. Seine Erfahrung will er nun in die Saat der Jugend stecken.

Das Gefühl, das am Sonntagabend in der Oldenburger EWE Arena, in der der deutsche Basketball-Pokal ausgespielt wird, den neuen Cupgewinner erfassen wird, kennt Dirk Bauermann ziemlich gut. Viermal triumphierte der Krefelder mit Bayer Leverkusen. Hinzu kommen sieben deutsche Meistertitel mit den Rheinländern und zwei mit Bamberg. Kritiker, die ihm vorwerfen, seine Triumphe liegen weit zurück, kann der 65-Jährige getrost auf den Titel bei der Afrikameisterschaft 2021 mit Tunesien verweisen.

Aber zurück zu diesem Gefühl. Über Dekaden war der erfolgreichste deutsche Basketballtrainer süchtig nach Titeln, ordnete ihnen alles unter.

Dirk Bauermann ist jetzt Nachwuchskoordinator des Deutschen Basketball Bunds

Nun? Ist der innere Vulkan zwar nicht erloschen, doch Bauermann ist längst im Reinen mit sich und seiner beispiellosen Karriere. „Eine Gesellschaft wächst, wenn alte Männer Bäume pflanzen, in deren Schatten sie niemals sitzen werden“, zitiert der gebürtige Oberhausener, der nichts von seinem raumfüllenden Charisma eingebüßt hat, ein griechisches Sprichwort, das er sich bei seiner neuen Aufgabe als Nachwuchskoordinator des Deutschen Basketball Bunds zum Mantra gesetzt hat.

Krefeld ist nach Stationen in unter anderem Litauen, Russland, China und Iran zwar wieder Lebensmittelpunkt, aber Bauermann bleibt ein Getriebener, der durchs Land tourt. Nur die Motive sind andere. Nicht mehr der Schatten glänzender Pokale, in dem er sich sonnen kann, sondern die Baumpflege der talentiertesten Basketballer und die Saat seiner Spielidee in den Köpfen der Trainer stehen im Vordergrund.

Bauermann: "Ich möchte dem Verband etwas zurückgeben"

„Ich möchte dem Verband etwas zurückgeben und das umsetzen, woran ich glaube, weil mir die Jungs wichtig sind“, sagt der langjährige Bundestrainer (2003 bis 2011), dessen Vertrag unbefristet gilt. Seine Glaubenssätze legt Bauermann, der während des gut 90-minütigen Gesprächs mit dem Abendblatt ohne seine heiß geliebte Cola Light auskommt, ausführlich dar: „Die Spielerentwicklung ist die maßgebliche Komponente unserer Arbeit. Sie sollte über komplexen taktischen Strukturen stehen, um kurzfristige Erfolge zu erzielen. Wir konzentrieren uns einerseits auf die Erweiterung des Werkzeugkastens aus individuellen Grundlagen, andererseits auf das Entscheidungsverhalten.“

Und Bauermann wäre nicht Bauermann, wenn er nicht noch anfügen würde, dass es zum Selbstverständnis jeder deutschen Mannschaft gehören müsse, intensiv zu verteidigen. Dann sei es möglich, regelmäßig Topspieler herauszubringen, um die A-Nationalmannschaft langfristig in der europäischen Spitze zu halten, in der sie spätestens seit dem Gewinn der EM-Bronzemedaille 2022 angekommen ist.

Bauermann lobt Towers-Coach Benka Barloschky

Eine Hürde auf dem Weg dorthin ist hausgemacht. Die Anreize für Jugendtrainer, auf die Ausbildung ihrer Schützlinge zu setzen und sichtbare Erfolge in Form von Meisterschaften hintanzustellen, sind gering. Von 18 Bundesligisten beschäftigen lediglich drei deutsche Trainer. „Der Weg, sich über den Nachwuchs hochzudienen, ist in Südeuropa wesentlich anerkannter als in Deutschland. Ich verstehe es nicht, weswegen nicht mehr Clubs jungen, deutschen Trainern eine Chance geben. Ein Blick in die NBA genügt, um zu sehen, dass der Großteil der Topcoaches hervorragende Spielerausbilder waren und sind“, kritisiert Bauermann.

Daher lobt er, dass mit Benka Barloschky bei den Veolia Towers Hamburg ein 35 Jahre alter vorheriger Co-Trainer die Möglichkeit erhalten hat, sich in erster Reihe zu beweisen. „Ich bin sehr angetan von der Spielweise, die Benka fordert. Defensiv versucht er, viel Druck aufzubauen, offensiv ergibt das ebenfalls Sinn. Man muss ihm Zeit geben, bis sich alle Automatismen eingespielt haben“, sagt er.

Villmeter hat den Dialog zwischen den Altersklassen geöffnet

Besagte Automatismen sollen künftig auch im Jugendbereich der Wilhelmsburger gespielt werden und sichtbar sein beim U-19-Team in der Nachwuchs-Bundesliga (NBBL) und der U-16-Mannschaft in der Jugend-Bundesliga (JBBL). „Wir haben individuelle und gruppentaktische Lösungsmuster identifiziert, die wir vom Profi- bis in den unteren Bereich schulen wollen“, sagt Fabian Villmeter, der seit dieser Saison als sogenannter Director Basketball Operations and Development für die Schnittstelle zwischen Bundesligateam, Kooperationspartner SC Rist Wedel und der Jugend zuständig ist.

Fabian Villmeter (42), Director Basketball Operations and Development  bei den Veolia Towers Hamburg.
Fabian Villmeter (42), Director Basketball Operations and Development bei den Veolia Towers Hamburg. © fiba

Der vormalige Nachwuchsbundestrainer, der Barloschky aktuell in der Bundesliga assistiert, hat den Dialog zwischen den Altersklassen geöffnet. „Häufig wird bei Vereinen von einem Programm gesprochen, wenn die Teams aber separate Stile verfolgen. Wir haben eine gemeinsame Idee für die Towers entworfen“, sagt der 42-Jährige.

Bei Bauermann, der Hamburg vor zweieinhalb Wochen besuchte, rennt Villmeter damit offene Türen ein. „Seine Personalie ist ein wichtiger Schritt in der Entwicklung des perspektivisch starken Standorts Hamburg“, sagt der Vizeeuropameister von 2005.

Bauermann betreut U-16-Nationalmanschaft bei EM selbst

Villmeter sieht dieses Potenzial insbesondere in der Trainingseffizienz. Die Grundlage von mitunter acht Einheiten und zwei Spielen pro Woche hat bereits dazu geführt, dass die NBBL- und JBBL-Auswahlen der Towers noch nie die Play-offs verpasst haben. Um dort tiefer vorzustoßen, was bislang nicht gelang, und häufiger singuläre Toptalente wie Ismet Akpinar (Fenerbahce Istanbul), Louis Olinde (Alba Berlin) und Justus Hollatz (CB Breogán) hervorzubringen und vor allem zu halten, ist indes eine höhere Qualität notwendig. „Wir müssen noch akribischere Trainingspläne ausarbeiten, die Zeit noch sinnvoller nutzen. Vor allem wollen wir noch mehr Inhalte in Spielformen packen, um die Jungs auf reale Situationen vorzubereiten“, sagt Villmeter.

Eine gesunde Fehlerkultur vorzuleben, um die Jugendlichen mit Selbstvertrauen und Resilienz auszustatten, sei fürs Gelingen elementar. Sagt Bauermann. Und wer kann selbstbewusstes Auftreten schon besser vorleben als er? Daher wird Bauermann die U-16-Nationalmanschaft bei der Europameisterschaft in Skopje (Nordmazedonien) im August selbst betreuen. Das Gefühl, einen Pokal zu gewinnen, sättigt einen Erfolgshungrigen nie vollständig.