Hamburg. Nach sieben Niederlagen in neun Bundesliga-Spielen muss der Österreicher seinen Posten räumen. Was ihm intern vorgeworfen wird.
Die Veolia Towers Hamburg haben sich von ihrem Cheftrainer Raoul Korner (48) getrennt. Mit der überraschenden Entscheidung reagierte der Wilhelmsburger Basketball-Bundesligaclub auf die 65:80 (42:40)-Heimniederlage gegen ratiopharm Ulm am Sonnabend, der siebten in zuletzt neun Ligaspielen. Der Österreicher hatte das Team im vergangenen Sommer übernommen. Sein Vertrag läuft noch bis zum 30. Juni 2024, sein Gehalt bezieht er weiter.
Nachfolger wird der bisherige Assistenzcoach Benka Barloschky (35), Jugend-Koordinator Fabian Villmeter (42) rückt ins Trainerteam auf, in dem der Österreicher Stefan Grassegger (32) als Co-Trainer verbleibt. In 24 Jahren als Trainer war Korner noch nie entlassen worden.
Towers-Geschäftsführer über Trennung von Korner: „Wir mussten handeln“
„Weniger die Niederlage an sich, sondern die Art und Weise, wie sich das Team präsentierte, hat deutlich gemacht, dass wir jetzt handeln müssen. Wir sind zu der Überzeugung gekommen, dass Raoul die Mannschaft nicht mehr so erreicht, wie es in unserer aktuellen Situation nötig wäre“, sagte Sport-Geschäftsführer Marvin Willoughby. Der Entschluss war Korner in der Nacht zum Sonntag im VIP-Raum der edel-optics.de Arena mitgeteilt worden.
Willoughby war nach dem Ulm-Spiel das Entsetzen über die blutleere Vorstellung anzusehen, als er Minuten nach der Schlusssirene in trüben Gedanken verloren über das Spielfeld schlenderte. In seiner Mimik spiegelten sich Verzweiflung und Ratlosigkeit wider. „Was wir speziell in der zweiten Halbzeit gegen diesen nicht gerade übermächtigen Gegner abgeliefert haben, war in höchstem Maße enttäuschend“, sagte Willoughby noch im Bemühen, sich verbal halbwegs zu mäßigen.
Unter Nachfolger Barloschky zeigten die Towers ein anderes Gesicht
Die Trainerentlassung mag für ihn in diesem Moment festgestanden haben. Noch im Dezember hatte Willoughby in einem Abendblatt-Interview auf die Frage, ob Korner nach der damaligen Niederlagenserie in der Bundesliga und im EuroCup zur Disposition stünde, eindeutig geantwortet: „Nein! Selbstverständlich nicht!“ Jetzt kam es anders.
Nach gutem Saisonstart, bei dem unter anderem ein Heimsieg über das europäische Spitzenteam Bayern München gelang, verfehlten die Hamburger immer öfter den Korb. Nach wettbewerbsübergreifend einem Sieg aus zwölf Spielen schien mit den jüngsten Siegen gegen Würzburg (96:73) und Heidelberg (87:83) der Absturz zwar gestoppt, gegen Ulm verfiel die Mannschaft jedoch wieder in bekannte, schlechte Muster, verlor nach einer 31:22-Führung (13. Minute) die Spielkontrolle.
Barloschky hatte Ende Dezember vorübergehend die Trainingsleitung für den zu diesem Zeitpunkt grippekranken Korner übernommen. Unter ihm spielten die Towers gegen Oldenburg (95:96) und gegen Würzburg wie ausgewechselt, voller Energie und Leidenschaft. Aus der Kabine wurden nach dem Würzburg-Spiel Jubelbilder gepostet. „Benka kommt bei der Mannschaft hervorragend an“, hieß es aus dem Umfeld. Und das, obwohl er härter und intensiver trainieren ließ als sein Chef. Das gefiel dem Team offensichtlich.
US-Amerikaner wirkten unter Korner lustlos
Korners Leitlinien erfordern ein enormes Maß an Struktur. Einigen Akteuren waren die spielerischen Vorgaben zu starr. Der erfahrene Übungsleiter soll in den vergangenen Wochen vor allem das Vertrauen der ehrgeizigen deutschen Spieler verloren haben, die mit seiner Art der Trainingsgestaltung und seinen taktischen Ideen nicht mehr einverstanden waren.
Zum Problem könnte auch die mitunter lustlose Einstellung einiger US-Amerikaner geworden sein, die den Ernst der Lage nicht erkannten. Schon am vergangenen Mittwochabend in Heidelberg, als Korner an die Seitenlinie zurückkehrte, wirkte die Mannschaft nicht mehr derart entschlossen wie die Tage zuvor unter Barloschky. Es sei angesichts der Stimmung im Team „nur eine Frage der Zeit“ gewesen, bis Korner entlassen würde, war danach aus Spielerkreisen zu hören.
Es mögen die beiden Spiele vor dem Jahreswechsel gewesen sein, die das Vertrauen Willoughbys in die Fähigkeiten Barloschkys bestärkten. Der gebürtige Bremer arbeitet seit 2015 als Co-Trainer für die Towers, im Februar 2018 hatte er in der zweitklassigen Bundesliga ProA für den beurlaubten Hamed Attarbashi das erste Mal für vier Monate die Position des Cheftrainers übernommen.
Barloschky wird im zweiten Anlauf Towers-Cheftrainer
Vor der Verpflichtung Korners vor neun Monaten hatte Willoughby ernsthaft in Erwägung gezogen, Barloschky zum Headcoach zu befördern. Das sei eine Rolle, wie dieser im Abendblatt einmal bekannte, die er grundsätzlich für die nächsten Jahre anstrebe. Damals hatte er nicht an die Ablösung Korners gedacht, mit dem er sich gut verstand.
Es gilt als gesichert, dass der zweifache Vater keine Interimslösung bleibt, sondern mindestens bis Saisonende – sofern sich die Krise unter ihm nicht massiv verschärft – in der Hauptverantwortung steht. Allein schon aus finanzieller Sicht wäre das Gehalt eines weiteren Trainers nur schwer zu stemmen. Die wirtschaftlichen Mittel sollen stattdessen in Spieler-Nachverpflichtungen investiert werden. Die Towers suchen primär einen Distanzschützen, dazu einen weiteren Profi mit Spielmacherqualitäten.
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Auf Barloschky wartet viel Arbeit. Wer auch immer für die Zusammenstellung des Teams im vergangenen Sommer verantwortlich war, festzustellen bleibt: Der Kader ist mit zehn gestandenen Profis für die Doppelbelastung zu klein, in der Breite zwar gut, in der Leistungsspitze, Stichwort Führungspersönlichkeiten, indes zu dünn besetzt. Ausfälle nach Krankheiten und Verletzungen, wie sie sich aktuell häufen, lassen sich kaum kompensieren.
Gegen Ulm fehlte erneut Center Yoeli Childs (Muskelfaserriss im Oberschenkel), im EuroCup am Mittwoch gegen den montenegrinischen Meister FK Budućnost Podgorica droht das Aufgebot weiter zu schrumpfen. Kapitän Seth Hinrichs steht aus persönlichen Gründen nicht zur Verfügung, Spielmacher Kendale McCullum und Center Jonas Wohlfarth-Bottermann zogen sich am Sonnabend Oberschenkelblessuren zu, deren Ausmaß erst an diesem Montag diagnostisch abgeklärt werden kann. Es sind nicht die optimalen Bedingungen für den Einstand eines neuen Trainers.