Hamburg. Die Mannschaft von Trainer Raoul Korner unterlag vor 3400 Zuschauern in Wilhelmsburg mit 72:101. McCullum bester Hamburger Werfer.
Willkommen in der Realität, Veolia Towers Hamburg. Als Mitbewerber um die vorderen Ränge ins Spiel gegangen, als Tabellensiebter das Parkett verlassen, waren die Wilhelmsburger Basketballer den erstplatzierten Telekom Baskets Bonn bei der 72:101 (18:25, 20:28, 14:30, 20:18)-Niederlage so unterlegen, wie man in einem Spitzenspiel nur unterlegen sein kann. 3400 Zuschauer hin, eine ausverkaufte edel-optics.de Arena im Inselpark her – zu eigentlich keinem Zeitpunkt, von ein wenig Anfangsgeplänkel abgesehen, war die Mannschaft von Cheftrainer Raoul Korner in der Lage, ein kompetitives Duell auszufechten.
Dementsprechend nüchtern fiel das Fazit der Hamburger aus. "Es war frustrierend. Bonn hat das Spiel verdient gewonnen. Wir haben uns nicht so präsentiert, wie wir uns präsentieren wollten. Wir waren nicht da, haben nicht gut gespielt. So kriegt man halt aufs Gesicht gegen eine so gute Mannschaft.", bilanzierte Center Jonas Wohlfahrt-Bottermann offen und ehrlich
Bundesliga-Topspiel: Towers ohne Chance gegen Bonn
Die zweiwöchige Pause, die die Spieler, die nicht auf Länderspielreisen waren, hatten, war in allen erdenklichen Formen sichtbar. Frische Beine, Rostspuren und Spielrhythmus bei den Nationalspielern. Bonns Defensive war in den ersten Angriffen eingerostet, ihr feuriger, finnischer Trainer Tuomas Iisalo machte umgehend Druck, dies schnellstens zu ändern. Lukas Meisner wiederum brauchte nach seinem Comeback für Deutschland keine Anlaufzeit und war direkt effektiv ins Angriffsspiel involviert.
Und über allem schwebte irgendwie immer die Personalie TJ Shorts. Der quirlige, wohlwollend auf 1,78 Meter bemessene Spielmacher der Gäste war vor zwei Saisons noch in Hamburg aktiv, ehe sein Vertrag für viele überraschend nicht verlängert wurde. Mittlerweile ist der US-Amerikaner mit nordmazedonischem Pass einer der besten Spieler der Liga. Wovon zu Beginn allerdings Folgendes zu sehen war: nichts. Korner setzte mit Christoph Philipps seinen besten Verteidiger auf Shorts an, der zunächst Schwierigkeiten mit der Länge des 25 Zentimeter größeren Turms besaß.
Ex-Towers-Profi Shorts konnte nicht gestoppt werden
Doch Philipps‘ frische Beine waren bald müde verteidigt. Fortan machte Shorts kurzen Prozess und setzte vor allem seine Mitspieler gekonnt in Szene, sobald die Towers-Defensive um ihn herum kollabierte, was den Gästen binnen kürzester Zeit einem komfortablen Vorsprung brachte (25:15/10.).
Doch an dieser Stelle griff wieder der Länderspielrhythmus. Was sind für Jonas Wohlfarth-Bottermann schon Gegenspieler in der Bundesliga, wenn er zuletzt nicht nur WM-Qualifikation, sondern im Spätsommer sogar Europameisterschaft gespielt hat? Höhepunkt der WoBo-Festminuten: Der 2,08-Meter-Bronzemedaillengewinner luchste einem völlig verdutzten Shorts den Ball aus dem Dribbling ab – was so absurd aussah, wie es überraschend war – und schloss frei per Dunking ab. Die Towers waren wieder dran (25:27/12.).
Und dann waren sie es ganz schnell nicht mehr und kamen es auch nie wieder. Dem Tabellenführer genügen die kleinsten Vorteile, um daraus groß Kapital zu schlagen. Iisalo gilt nicht ohne Grund nahezu einhellig als bester Trainer der Liga. Der 40-Jährige lässt so hart trainieren, dass Spiele für sein Team wie ein Erholungsprogramm wirken. Die Rheinländer sind hervorragend aufeinander abgestimmt, treffen schnelle sowie intelligente Entscheidungen und müssen aggressiv verteidigen – ansonsten droht sofort die Ersatzbank.
Woodard wirkte bei den Towers wie ein Fremdkörper
Nur eine Towers-Leistung am Limit hätte Siegchancen eröffnet. Doch die war an diesem Sonnabendabend nicht drin. Unter anderem, weil James Woodard weiter auf seinen Durchbruch im Hamburger Trikot warten lässt. Der in der Theorie gefährliche Scorer wirkt nach wie vor ziemlich losgelöst vom restlichen Teamkonzept.
Zumindest ein bisschen Hamburger Kolorit hatte der Rheinische Siegeszug dennoch. Auf Seiten der Magentafarbenen dominierte Leon Kratzer (17 Punkte) unter den Körben. Der Center ist Sohn des in Hamburg lebenden Ex-Nationalspielers Marc Suhr, der von 1999 bis 2001 für die BCJ Tigers in der Bundesliga auflief. „Bonn spielt sehr erwachsen“, ordnete Suhr das Geschehen auf dem Parkett ein.
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Das im Übrigen nach dem Seitenwechsel an Einseitigkeit gewann. Der Spitzenreiter setzte sich erst auf 25 Punkte ab (72:47/26.), zum Ende des dritten Viertels gar auf 31 (83:52). Von den Hausherren kam trotz ausverkauftem Haus wenig Gegenwehr. Kaum ein Akteur erreichte Normalfall. Von den Topmannschaften sind die Towers noch ein ganzes Stück entfernt.
Bundesliga-Topspiel: Shorts stellte McCullum in den Schatten
Kurios: Ausgerechnet in den beiden Kategorien, in denen die Norddeutschen die ganze Saison über extrem anfällig waren, waren sie Bonn überlegen. Einerseits leistete sich Hamburg lediglich zwölf Ballverluste (Bonn 13) andererseits gaben sie nur sechs Offensivrebounds ab – umso beachtlicher gegen die Mannschaft, die sich ligaweit die meisten zweiten Chancen erarbeitet.
Alles: wertlos. Ansonsten war der Champions-League-Teilnehmer dem EuroCup-Team haushoch überlegen. Shorts entschied auch das zuvor hoch stilisierte Duell gegen Kendale McCullum, das ohnehin nur vom Narrativ her eines war, seinem Status entsprechend mühelos für sich. Am Ende kam er auf 24 Punkte und sechs Vorlagen.
Veolia Towers Hamburg: McCullum (16 Punkte), Childs (15), Clark (11), Wohlfarth-Bottermann (10), Hinrichs (5), Samar (4), Woodard (4), Meisner (4), Schoormann (3), Philipps, Möller.