Hamburg/Bayreuth. Hamburgs Basketballer gewinnen überzeugend mit 95:79 bei Medi Bayreuth und lassen die Idee hinter der Kaderzusammenstellung verstehen.

Raoul Korner und Lars Marsell sind ziemlich beste Freunde. Von 2013 bis 2021 arbeiteten die beiden Basketballtrainer – Korner (48) als Chef, der sieben Jahre jüngere Marsell als Assistent – miteinander in Braunschweig und bei Medi Bayreuth. Nach wie vor telefonieren sie mehrfach wöchentlich miteinander. Die beiden haben sich lieb. Aber Korner, nun Coach der Veolia Towers Hamburg, weiß auch, wie er den neuen Bayreuther Übungsleiter Marsell ärgern kann: „Indem man nicht über seine Witze lacht. Was nicht sonderlich schwierig ist“, frotzelte der Wiener.

So gesehen wirkte es, als hätte sich Marsell während des ersten direkten Duells der beiden Kumpels an einem nicht zündenden Gag nach dem anderen versucht. Sein Gesichtsausdruck bei und nach dem Spiel sprach Bände. Korner, der wiederum mit Witzen über sein Heimatland zu erregen sei, schmunzelte bei der Rückkehr an seine alte Wirkungsstätte, die Towers feierten. Und zwar einen souveränen 95:79 (27:15, 25:24, 20:19, 23:21)-Erfolg in einem Duell, in dem gefühlt jeder jeden kannte und schon mal für eine der beiden Mannschaften oder einen der Trainer gespielt hat. Es war der zweite Sieg im dritten Saisonspiel.

„WoBo“ bessert bei Towers-Sieg in Bayreuth Freiwurfquote auf

In der Anfangsphase war es, was angesichts der fast schon verwandtschaftlich anmutenden Verbandelungen beider Teams dann auch wenig überraschend ist, natürlich ein ehemaliger Bayreuther, der Hamburg erste Vorteile verschaffte. Lukas Meisner, der langsam zu verstehen beginnt, wie gut er eigentlich sein kann, nutzte seinen verbesserten Distanzwurf ebenso wie – endlich – seine athletische Physis, um den Korb zu attackieren. Überhaupt: In direkter Ringnähe futterten sich die aufs Tempo drückenden Gäste ein solides Punktepolster an. Demgegenüber gelangten die Oberfranken selten zu einfachen Abschlüssen.

Ein zwar wenig spektakuläres, aber dafür überraschendes Schmankerl hatten die Towers auch noch in petto: Ihr Center Jonas Wohlfarth-Bottermann verwandelte tatsächlich beide seiner Freiwürfe im ersten Viertel. Bislang war dem EM-Bronzemedaillengewinner in dieser Saison bei zehn Versuchen erst ein Treffer gelungen. Insgesamt war die Freiwurfquote mit 71 Prozent (22/31) solide. Lichtblick bei Bayreuth war – verzeihen Sie bitte die Eintönigkeit – selbstredend mit Osaro Jürgen Rich (sieben Punkte) ein weiterer Akteur, der schon für beide Clubs aufgelaufen ist.

20-jähriger Schoormann übernimmt Verantwortung

Wurde es auch nur im Anflug brenzlig, verstand Korner so viel Spaß wie bei Österreich-Witzen. Schon auf einen simplen 4:0-Lauf seines Ex-Vereins Anfang des zweiten Viertels reagierte der 48-Jährige mit einer Auszeit. In deren Folge plänkelten die Hamburger wieder etwas weniger herum und besannen sich darauf, einfach ihren von den körperlich unterlegenen Hausherren kaum in den Griff zu bekommenden Big Man Yoeli Childs zu bedienen. Bayreuth war ähnlich chancenlos wie Korner darin, einem authentischen Kaiserschmarren zu widerstehen.

Selbst eine Schwächephase vor der Halbzeit offenbarte Positives. Nachdem Bayreuth bis auf 37:44 herangekommen war, konterten die Towers tiefenentspannt mit zwei Dreiern des talentiertes Len Schoormann. Nun war es also einfach mal der 20-Jährige, der Verantwortung übernahm. Regie in den Angriffen führte stets trotz seines halsbrecherischen Tempos besonnen Kendale McCullum. Die kleinen, aber für Siege notwendigen Dinge erledigte Kapitän Seth Hinrichs.

Kadertiefe offenbart sich als Stärke der Towers

Und so langsam, aber sicher wird die Idee hinter der Kaderzusammenstellung deutlich: Hamburg hat kein spitzenlastiges Team, dafür ein enorm tiefes, in dem jeder der zehn Rotationsspieler überdurchschnittliches Bundesliganiveau besitzt. Zur Pause hatte zwar kein Wilhelmsburger zweistellig gepunktet, dafür aber jeder eingesetzte bis auf Christoph Philipps.

Das dritte Viertel verlief in der Stadt Richard Wagners dann zwar weitaus weniger dramatisch als eine Oper des Maestros, dafür aber nicht minder unterhaltsam. Das lag vor allem an Ziga Samar. Es klingt blasphemisch, doch dem 21 Jahre alten Slowenen gelingt es sogar, seinen nach Spanien gewechselten, gleichaltrigen Vorgänger Justus Hollatz in Vergessenheit geraten zu lassen. Und das im Übrigen mit einer durchaus ähnlichen Spielweise. Mit sehr viel Ruhe und Verve verteilte die Leihgabe des deutschen Meisters Alba Berlin seine Anspiele, ließ es dabei aber nicht am Unterhaltungsaspekt vermissen.

Jonas Wohlfarth-Bottermann (l.) und Seth Hinrichs (r.) von den Veolia Towers nehmen den früheren Hamburger Osaro Rich von Medi Bayreuth in die Zange.
Jonas Wohlfarth-Bottermann (l.) und Seth Hinrichs (r.) von den Veolia Towers nehmen den früheren Hamburger Osaro Rich von Medi Bayreuth in die Zange. © IMAGO/Peter Kolb

Bayreuth arbeitete dagegen Basketball. Und das im Schlussabschnitt erstmals mit Erfolg. Aufgepeitscht von seinen Fans setzte der Abstiegskandidat die Norddeutschen mit einer aggressiveren Verteidigung unter Druck. Näher als auf sieben Zähler kam Medi allerdings nicht mehr heran.

„Wir haben das smart gemacht, solide unser schnelles Spiel aufgezogen. Allerdings ist es noch ein Prozess, besonders für mich, der nach der EM erst seit dreieinhalb Wochen dabei ist. Ich muss die Jungs auf dem Feld noch besser kennenlernen. Dabei ist es ein Vorteil, dass wir mit Ziga einen passorientierteren Aufbauspieler haben und mit Kendale einen, der über sein Scoring kommt. Das macht uns unausrechenbarer“, fasste der starke Wohlfarth-Bottermann die Begegnung zusammen.

Reichlich Gelegenheit zum Basketballdating seiner Teamkollegen wird „WoBo“ in den kommenden Wochen erhalten. Am Mittwoch starten die Towers bei Buducnost Podgorica in den EuroCup. Aber alles, was mit Euro zu tun hat, sollte für einen EM-Helden wie ihn – Achtung, Witz auf Marsell-Niveau – ja kein Problem sein.

Towers: Schoormann (16 Punkte), Wohlfarth-Bottermann (15), McCullum (14), Meisner (12), Childs (11), Woodard (11), Samar (8), Hinrichs (6), Clark (2), Philipps, Möller.