Hamburg. Hamburger Basketballer starten bei Meister Alba Berlin in die neue Bundesligasaison. Was kann man von dem team erwarten?

Neuer Name, neues Branding, neuer Trainer, neue Spieler, neuer Hallenboden, neue Trainingshalle – vor dem Start in ihre vierte Bundesligasaison ist bei den jetzt Veolia Towers Hamburg fast nichts mehr so, wie es mal war. Nur das Saisonziel, das es offiziell nicht gibt, bleibt dasselbe: ein Platz in den Play-offs unter den acht besten Basketballteams des Landes.

„Die Towers haben zweimal mit dem Erreichen der K.-o.-Runde überperformt, der nächste Schritt wäre es jetzt, dass diese Ergebnisse unserem normalen Leistungsvermögen entsprechen“, sagt Raoul Korner. Der Österreicher, der von Ligakonkurrent medi Bayreuth kam, hat dafür erst einmal zwei Jahre Zeit, so lange läuft zumindest sein erster Vertrag bei den Wilhelmsburgern. Die Towers sind seit 1999 die achte Trainerstation des 48-Jährigen. Bisher wurde er nie entlassen.

Towers: Ein Kracher zum Auftakt

Der Auftakt in die Saison könnte indes schwieriger nicht sein. Mit Alba Berlin prüft an diesem Mittwochabend (19 Uhr, Magentasport) der Titelverteidiger, Pokalsieger und der von der Konkurrenz erklärte Meisterschaftsanwärter Nummer eins in der Mercedes-Benz Arena den sportlichen Zustand der Hamburger nach sieben Wochen Vorbereitung.

Im Gegensatz zum fast kompletten Spieleraustausch bei den Towers ist der Kader der Berliner weitgehend gleich geblieben, ein eindeutiges Qualitätsmerkmal in der volatilen Basketball-Bundesliga. Es ist diese Kontinuität, die mittelfristig auch die Hamburger anstreben, nur fehlen ihnen dafür noch die nötigen finanziellen Mittel.

Towers leiden unter eigenem Erfolg

„Wir sind quasi ein Opfer unserer Erfolge“, sagt Geschäftsführer Jan Fischer, neben Sportchef Marvin Willough­by der Einzige, der seit der Vereinsgründung im Sommer 2013 noch denselben Aufgabenbereich erst ehren-, nun hauptamtlich verantwortet. Spieler, die bei den Towers ins Rampenlicht rücken, weiß Fischer aus Erfahrung, wecken Begehrlichkeiten besser situierter Clubs, würden oft erheblich teurer und für die Hamburger dann unbezahlbar.

Jung-Nationalspieler Justus Hollatz (21) etwa dürfte nach seinem Wechsel in diesem Sommer zum spanischen Erstligaclub CB Breogán mehr als das Doppelte jener rund 60.000 Euro im Jahr verdienen, die er bei den Towers erhielt.

Raoul Korner ist der neue Towers-Coach.
Raoul Korner ist der neue Towers-Coach. © Witters

Towers erhöhen den Etat

Mit einem – dank des Zugewinns potenter Sponsoren und des neuen Hamburger Namensgebers Veolia (Wasser/Abwasser, Abfallentsorgung, Recycling) – leicht gestiegenen Etat von geschätzten 5,5 Millionen Euro bewegt sich das Budget der Towers im Mittelfeld der Liga. Knapp die Hälfte fließt davon in die Spieler- und Trainergehälter.

Als ein in der Eigenwahrnehmung immer noch gefühltes Start-up investiert der Verein weiter kräftig in seine Strukturen, in Nachwuchstrainer, bessere Trainings- und Rahmenbedingungen. Die neue Übungsstätte im benachbarten Harburg soll dem Team möglichst noch in dieser Spielzeit zur Verfügung stehen.

Die Titelanwärter Bayern München (22 Millionen Euro) und Alba Berlin (13 Millionen) geben ein Vielfaches der Towers aus. Als Teilnehmer an der EuroLeague mit einem Mehraufwand von mindestens 34 zusätzlichen Saisonspielen leisten sich beide Clubs allerdings auch fast zwei komplette Mannschaften.

Ist der Towers-Kader zu klein?

Dagegen wirkt es wie ein Wagnis, dass die Towers mit nur zehn auf höherem Niveau erprobten Profis und drei Nachwuchsspielern in eine Saison gehen, die das Team in der Bundesliga (34 Spiele ohne Play-offs), im EuroCup (18 internationale Begegnungen in der Hauptrunde) und im Pokal über die Maßen zu fordern droht.

„Wenn wir von größeren Verletzungen verschont bleiben, ist das zwar ambitioniert, aber zu schaffen“, sagt Cheftrainer Korner. In der vergangenen Spielzeit gelang das schon mal. In beiden Wettbewerben erreichten die Towers die erste Runde der Play-offs.

Haben Towers an Charakter gewonnen?

Zum erneuten Gelingen könnte die Teamchemie beitragen, die, das lässt die Interpretation der Aussagen des neuen Mannschaftskapitäns Seth Hinrichs zu, möglicherweise weniger Konfliktstoff zu bewältigen haben wird als in der Vergangenheit. Auch das Verhältnis zum neuen Trainer, der Charakter über Talent stellt, wirkt entspannter als das zu dessen eher spaßbefreitem spanischen Vorgänger Pedro Calles. Der US-Amerikaner Hinrichs (29) ist neben Lukas Meisner (27) einer der beiden Profis, die geblieben sind.

Für Unruhe in der Mannschaft hatten in der vergangenen Serie die zwischenzeitlichen Wechselabsichten von Spielmacher Caleb Homesley und Center Maik Kotsar gesorgt, die von den EuroLeague-Teams Emporio Armani Mailand (Homesley) und Fenerbahce Istanbul (Kotsar) gut dotierte Angebote erhielten.

Sportchef Willoughby bestand bei beiden auf Vertragserfüllung, der sich der Este Kotsar professionell beugte, die bei Homesley aber phasenweise zur Leistungsverweigerung führte. Neue Freunde machte sich der US-Amerikaner damit im Verein nicht.

Wo sind die Towers-Fans?

Eine unbekannte Größe bleibt nach zwei Jahren mit unterschiedlichsten Corona-Eindämmungsverordnungen, in Hamburg läuft am Freitag die 77. aus, die Publikumsgunst – trotz der von der Heim-EM und Platz drei der Nationalmannschaft ausgelösten jüngsten Basketball-Euphorie. Mit 900 Dauerkarten verkauften die Towers bisher 80 weniger als in der vergangenen Saison, für den EuroCup wurden bislang unter 100 Abonnements (Vorjahr: 240) abgesetzt.

Beim ersten Saisonheimspiel am Sonnabend (18 Uhr) gegen den Mitteldeutschen BC wären Stand heute noch 850 der 3400 Plätze in der Wilhelmsburger edel-optics.de Arena frei. Vor Corona meldeten die Towers bei 25 Heimspielen in Folge ein ausverkauftes Haus.

Alle behördlichen Einschränkungen, Maskenpflicht, Abstandsregeln, sind aufgehoben, viele Hallensportarten leiden dennoch wohl auch unter den psychologischen Nachwirkungen der Pandemie. „Die vergangenen zwei Jahre könnten Verhaltensänderungen bewirkt haben, dass etwa die bequeme Couch jetzt einem Liveerlebnis vorgezogen wird“, vermutet Soziologe Fischer. Der Weg zurück zur einstigen Normalität drohe noch ein langer zu werden. Helfen soll dabei attraktiver, temporeicher Basketball. Die Towers wollen ihn wieder liefern.