Hamburg. Der Chef der Basketballer über das Play-off-Aus gegen Bonn, den mutmaßlichen Abgang der besten Spieler und Spiele in den Messehallen.

Für die Hamburg Towers ist die Saison nach der dritten Niederlage im Play-off-Viertelfinale gegen die Telekom Baskets Bonn seit Freitagabend beendet. Nach dem 88:95 vor 3400 Zuschauenden in der erstmals seit dem 29. Februar 2020 ausverkauften edel-optics.de Arena warten die Hamburger weiter auf ihren ersten Sieg in den K.-o.-Spielen der Bundesliga.

Towers-Geschäftsführer und -Sportchef Marvin Willoughby (44) gratulierte am nächsten Tag Bonns Präsident Wolfgang Wiedlich (66) am Telefon „zum Weiterkommen“. Mit dem Abendblatt sprach er danach über die Zukunft der Wilhelmsburger Basketballer.

Hamburger Abendblatt: Herr Willoughby, haben Sie am Wochenende ein wenig Abstand zum Play-off-Aus gegen Bonn gewinnen können?

Marvin Willoughby: Ich hätte uns allen, der Mannschaft, unserer Organisation, unseren Fans ein viertes Spiel gegönnt. Wir hätten es auch verdient gehabt. In mehr als 100 der 125 Spielminuten der drei Begegnungen haben wir geführt, haben dreimal den Vorsprung nicht über die Zeit bringen können. Das spricht für die Qualität, die Mentalität der Bonner und ihres Bundesliga-MVPs Parker Jack­son-Cartwright, der uns dreimal abgeschossen hat. Jetzt sind wir erst mal traurig, auch einen Hauch frustriert, aber wir können dennoch stolz auf diese Saison sein. Wir standen wieder in den Play-offs, haben uns international im EuroCup bewährt. Wir haben gegen Mannschaften bestanden, die ein dreimal so hohes Budget haben wie wir.

Der nächste Schritt in der Entwicklung der Towers, das haben Sie wiederholt betont, wäre Kontinuität. Danach sieht es derzeit nicht aus. Trainer Pedro Calles hat seinen Abschied verkündet, Center Maik Kotsar, Topscorer Caleb Homesley und Forward Jaylon Brown, drei sportliche Säulen des Teams, dürften kaum zu halten sein. Steht nicht vielmehr der nächste Umbruch an?

Willoughby: Kontinuität bezieht sich auch auf die Entwicklung unserer Organisation. Hier haben wir in den vergangenen zwei Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. Unser Marketing- und Eventmanager Oliver Eckardt und sein Team haben großartige Arbeit geleistet, und das in einer Zeit der Pandemie, als gefühlt jeden dritten Tag neue Eindämmungsverordnungen galten. Wir müssen uns nicht mehr täglich neu erfinden, viele Abläufe sind gelernt, was einiges erleichtern dürfte. Bei allen verständlichen Ansprüchen: Wir haben gerade die dritte Saison Bundesliga gespielt. Und unter den acht Play-off-Teilnehmern hatten wir den mit Abstand geringsten Saisonetat.

Das klingt fast nach einer Gewinnwarnung für die nächste Spielzeit.

Willoughby: Wir müssen realistisch bleiben. Wir haben in den vergangenen zwei Jahren zweimal überperformt, das schafft man nicht zwangsläufig jede Saison.

An dem Aufschwung hatte Trainer Calles großen Anteil. Was zeichnet ihn aus?

Willoughby: Er holt genau die Spieler, die zu seiner Philosophie passen, mit denen er die Taktik spielen kann, die er sich vorstellt.

Dass Calles die Towers wohl zum Bundesligakonkurrenten Oldenburg verlässt, muss Sie doch besonders schmerzen.

Willoughby: Ich weiß nicht, wohin er geht. Wir hätten ihn gern behalten, keine Frage. Ich bin auch ein bisschen traurig, dass er geht, andererseits auch dankbar dafür, was er bei den Towers geleistet hat.

Haben Sie den neuen Towers-Trainer schon gefunden?

Willoughby: Nein!

Wie viele Kandidaten gibt es aktuell noch?

Willoughby: Bisher habe ich mit fünf Trainern länger gesprochen. Die Liste, die ich abarbeiten will, ist sehr lang. Bei uns haben sich renommierte Trainer gemeldet, von denen ich nicht unbedingt erwartet hatte, dass sie ein Engagement bei den Towers inter­essieren könnte. Offenbar haben wir uns bereits einen Namen gemacht.

Welche Anforderungen sollte der neue Towers-Coach erfüllen?

Willoughby: Er sollte die Bundesliga kennen, Erfahrung darin haben, mit der Doppelbelastung aus zwei Wettbewerben umzugehen. Er sollte defensiv fokussiert sein, schnellen, attraktiven Basketball präferieren. Er sollte zu uns passen, Lust auf die Towers haben – und nicht nur irgendeinen Job suchen.

Calles reloaded also?

Willoughby: In meinem ersten Gespräch mit Calles wusste ich nach 20 Minuten, den will ich haben. Respekt, Wertschätzung und Vertrauen waren sofort gegeben.

Welche Hoffnung haben Sie, Spieler wie Kotsar, Homesley, Jaylon Brown und Justus Hollatz halten zu können?

Willoughby: Kotsar, Homesley und Jaylon Brown haben sich bei uns zu Topspielern entwickelt, die den Anspruch haben, sich auf dem nächsten sportlichen – und natürlich finanziellen – Level zu präsentieren. Das können wir ihnen nicht verdenken. Wir werden ihnen Angebote machen, wir haben aber wenig Hoffnung, einen von ihnen halten zu können.

Bei Hollatz sieht das anders aus?

Willoughby: Er hat sich ebenfalls herausragend entwickelt. Doch bei ihm, glaube ich, haben wir Argumente, die ihn zum Bleiben bewegen könnten: Wir können ihm helfen, die nächsten Schritte zu machen. Wir wissen, was ihm hilft. Bei uns könnte er in die Rolle eines Anführers schlüpfen, damit wichtige Erfahrungen für seine Karriere sammeln, um ein Team zu führen. Und wir werden in der nächsten Saison höchstwahrscheinlich wieder im EuroCup antreten. Das sollte ebenfalls für ihn interessant sein.

Geld wirft beim Basketball Körbe. Wie steht es also um die Finanzen der Towers? Ihr Hamburger Hauptsponsor VTG (Eisenbahn-Logistik) will sich zwar weiter bei Ihnen engagieren, aber nicht mehr in der höchsten Kategorie.

Willoughby: Dazu will und kann ich nichts sagen. Ich gehe aber fest davon aus, dass wir mit unserem bisherigen Budget (rund fünf Millionen Euro, die Red.) für die neue Saison planen können, vielleicht sogar mit einem leicht erhöhten Etat.

Wie wird sich der Spieler- und Trainermarkt entwickeln? Fallen die Preise, weil der russische Verband und die dortige Liga suspendiert worden sind, es damit in Europa weniger gut bezahlte Arbeitsplätze gibt?

Willoughby: Das lässt sich schwierig voraussagen. Gute Leute, Spieler wie Trainer, werden immer ihren Preis haben.

Um mit den Topclubs finanziell konkurrieren zu können, brauchen die Towers eine größere Spielstätte. Die Planungen ihres Hauptgesellschafters Tomislav Karajica für den „Elbdome“, eine Mehrzweckhalle für 8000 Zuschauende, stocken seit Jahren, weil die Stadt kein geeignetes Grundstück für das Projekt findet, das privatwirtschaftlich finanziert werden soll. Wie geht es da weiter?

Willoughby: Seit zwei Jahren sind wir gefühlt keinen Millimeter weitergekommen. Das ist Teil unseres Problems, Teil der Probleme der Sportstadt Hamburg. Nicht nur wir bräuchten eine größere Halle, die Handballer ebenso. Bei Gesprächen mit Spielern, Trainern und Unternehmen spielt die Perspektive immer eine wichtige Rolle. An diesem Punkt haben wir momentan Schwierigkeiten, uns zu erklären. Bei allem Verständnis für die komplexe Materie, irgendwann müssen Entscheidungen fallen, am besten zeitnah. Ich vertraue weiter den Politikern, die uns zugesagt haben, dass wir das alle zusammen hinkriegen werden.

Eine Zwischenlösung könnten die Messehallen am Fernsehturm sein. Wie ist hier der Stand Ihrer Planungen?

Willoughby: In den Messehallen könnten wir, wenn die bestellten Tribünen geliefert sind, wohl vor bis zu 5500 Zuschauerinnen und Zuschauern spielen. Das wären rund 2000 mehr als in unserer edel-optics.de Arena. Da würde sich ein Umzug schon lohnen, zumindest für einige Spiele. Wilhelmsburg bleibt aber unsere Heimat, unser Hauptstandort.

Wird es nächste Saison schon Spiele in den Messehallen geben?

Willoughby: Das wäre denkbar. Wir sind jedoch ganz am Anfang solcher Überlegungen.