Ära von Cheftrainer Calles ist beim Hamburger Basketball-Bundesligisten nach 88:95-Schlappe gegen Bonn beendet.

Timing ist mitunter alles im Leben. Für Pedro Calles war es das falsche. Falscher Ort, falsche Zeit. Das Trainerkapitel bei den Hamburg Towers endet für den ehrgeizigen Spanier bitter: Mit einer 88:95 (22:27, 32:21, 21:16, 13:31)-Niederlage gegen die Telekom Baskets Bonn, die gleichbedeutend mit dem Aus im Play-off-Viertelfinale der Basketball-Bundesliga ist. Die Serie mit 0:3 verloren, eindeutiger geht es nicht. Und das täuscht letztlich nicht über den Fakt hinweg, dass alle drei Begegnungen vom Resultat äußerst knapp waren.

Dabei war alles angerichtet. Zum ersten Mal seit dem 29. Februar 2020 eine mit 3400 ausverkaufte edel-optics.de Arena. Die passende Kulisse, um den ersten Play-off-Sieg in der dreijährigen Bundesligageschichte des Clubs zu feiern. Dazu wurde vor der Partie Justus Hollatz zum zweiten Mal in Folge als bester Nachwuchsspieler der Bundesliga ausgezeichnet, wodurch sich die Zuschauer schon mal warmklatschten konnten.

Zu Beginn lagen die Towers schnell vorn

Was das Publikum für einen Einfluss auf den Auftritt der Towers hatte, ließ sich am besten an Calles beobachten. Wie auf drei Dosen Red Bull hastete der Spanier im nach Minuten schon durchgeschwitzten Hemd die Seitenlinie auf und ab, fuchtelte noch ein wenig wilder mit Armen und Beinen herum als ohnehin schon, in der Hoffnung, damit noch ein paar Zehntelprozentpunkte aus seinen Spielern herauszukitzeln.

Zu Beginn funktionierte es. Hamburg lag schnell mit 5:0 und 7:2 vorne, verteidigte sich die Lunge aus dem Hals. Bonns alles überragender Akteur Parker Jackson-Cartwright, der in den Spielen eins und zwei im Schnitt 38,5 Punkte erzielte und auch diesmal starke 31 Punkte schaffte, wurde aggressiver verteidigt als zuvor, Max DiLeo wich ihm nicht von der Hüfte. Auch dies gelang zunächst, da der US-Amerikaner seine ersten fünf Würfe verfehlte. Doch weder der wertvollste Spieler der Liga noch das Rheinländer Kollektiv um ihren verhältnismäßig gelassen wirkenden finnischen Trainer Tuomas Iisalo ließ sich davon nachhaltig beeinflussen. Bonn legte sich seine Offensive in aller Seelenruhe zurecht und ließ sich nicht beeindrucken, sondern beeindruckte die Schiedsrichter mit engagiertem Zug zum Korb, der mit elf Freiwürfen belohnt wurde.

Caleb Homesley führte sein Team mit effizienten Aktionen zurück ins Spiel

Die Footballer der Hamburg Sea Devils, die sich unter den Zuschauern befanden, kamen zum Viertelende auf ihre Kosten, als DiLeo per Touchdownpass aus rund 20 Metern erfolgreich war. Allerdings Zehntelsekunden, nachdem die Sirene ertönt war.

Und so war es generell eine Frage des Timings, die diese Partie entscheidend prägte. Sie sprangen beim Rebound zu früh, sie sprangen zu spät, wie sie es anstellten, die Towers brachten sich stets um den Lohn ihrer an sich soliden Defensive, da sie Bonn zwölf zweite Chancen einräumten. Der Hauptrundenzweite schlug Kapital daraus und setzte sich auf 41:33 (16. Minute) ab.

Aber die Gastgeber besaßen an diesem Abend auch jemanden, der das richtige Zeitgefühl hatte. Caleb Homesley hatte sich den passenden Moment ausgesucht, den inflationären Ballverlusten abzuschwören, und führte sein Team mit effizienten Aktionen zurück ins Spiel, ehe Hollatz zur Führung traf (48:46/19.), und Calles, mittlerweile völlig Koffein-Adrenalin-trunken, in bis dato nie gesehener Manier sogar die Zuschauer animierte. Passend zum Timingthema: Auch das Problem mit rechtzeitigen Würfen schien gelöst. Homesley versenkte pünktlich zur Pause den Dreier zum 54:48.

Hamburg beginnt stark und baut nach der Halbzeit noch stärker ab

So weit noch nichts Neues in der Dramaturgie der bisherigen Serie. Hamburg beginnt stark und baut nach der Halbzeit noch stärker ab. Doch Spiel drei war auch der Moment, in dem Calles erstmals die richtigen Worte in der Halbzeit zu finden schien. Vor allem der im Viertelfinale als einziger Hamburger konstant gut abliefernde, aber viel zu wenig besungene Jaylon Brown ließ an einen abermaligen Comebackversuch mit drei seiner insgesamt fünf Dreier überhaupt nicht erst denken. Und was war mit dem Gefühl für Sprung, Raum und Zeit beim Rebound? Offenbar auch wiedergefunden. Bonn griff sich keinen einzigen Offensivrebound im dritten Abschnitt. Wäre es nur so geblieben.

Denn so war der Moment gekommen, an dem Hauptrundenergebnisse vergessen sind und sich die wahre Klasse eines Topteams zeigt. Play-offs, letztes Viertel, Niederlage keine Option für die einen, das Halbfinale auf dem Silbertablett für die anderen.

Mit jedem Punkt, den Bonn vom Rückstand abknabberte, wuchs die Unsicherheit

Die Towers erstarrten. Mit jedem Punkt, den Bonn vom Rückstand abknabberte, wuchs die Unsicherheit. Angriffe dauerten zu lange, Freiwürfe und Korbleger wurden mit wackliger Hand vergeben. Nicht mal Jaylon Brown traf noch. Natürlich war es Jackson-Cartwright, längst befreit von allen DiLeoschen Ketten, der die Telekom Baskets erst wieder in Führung brachte, dann den Dolchstoß zum 90:86 – passend getimt mit Ablauf der Wurfuhr – setzte und Hamburg mit 15 Punkten im Schlussviertel eigenhändig in den Urlaub schickte. Einhelliges Fazit in der Arena: Ist. Der. Gut.

Towers: J. Brown (21 Punkte), Kotsar (17), Homesley (13), Hinrichs (12), Hollatz (11), Z. Brown (6), DiLeo (5), Meisner (3), Christen, Edigin.