Hamburg. Nach dem Play-off-Aus gegen die Telekom Baskets Bonn beginnen die Planungen für die neue Spielzeit. Dabei steht viel Arbeit an.
Zumindest für einen kurzen Moment konnte Marvin Willoughby lächeln, als er unmittelbar nach dem Play-off-Aus der Hamburg Towers gegen die Telekom Baskets Bonn sah, wie die Kinder der Spieler auf dem Court der edel-optics.de Arena herumtollten und einfach nur Spaß hatten, ohne sich große Gedanken zu machen. Gedanken um die Zukunft des Wilhelmsburger Basketball-Clubs wird sich der 44 Jahre alte Geschäftsführer und Sportdirektor in den kommenden Wochen machen müssen. Denn die Towers stehen – mal wieder – vor dem kompletten personellen Neuanfang. Das Abendblatt beleuchtet, wie es in der "Offseason" bei den Hamburgern weitergeht.
Baustelle Trainerposition: Pedro Calles schüttelte viele Hände bei seiner Ehrenrunde nach dem für ihn letzten Spiel als Towers-Trainer. Der 38 Jahre alte Spanier hat bereits vor Play-off-Beginn erklärt, dass er seinen auslaufenden Vertrag nicht verlängern will. Ihn zieht es zum Ligakonkurrenten EWE Baskets Oldenburg. "So richtig ist es in meinem Kopf noch nicht angekommen, dass es mein letztes Spiel für die Towers war", erklärte Calles, der bei seiner letzten Pressekonferenz irgendwie gedankenverloren wirkte.
Die Hamburger machen keinen Hehl daraus, dass sie Calles gerne behalten hätten, doch der Erfolgscoach sieht seine sportliche Perspektive woanders. "Das erste Jahr hier war nicht einfach wegen Corona, aber wir sind hier mit der Mission angetreten, den Standort Hamburg in der Bundesliga, eine Identität zu etablieren und Spieler zu entwickeln", sagte Calles und fügte an: "Im zweiten Jahr haben wir dieselben Ziele erreicht, aber mit der Doppelbelastung EuroCup. Spieler wie T.J. Shorts, Kameron Taylor, Caleb Homesley, Max DiLeo, Robin Christen, die ihr Debüt in der Nationalmannschaft gefeiert haben, haben den nächsten Schritt in ihrer Entwicklung gemacht. Deshalb sind wir sehr zufrieden."
Der Abgang des Trainers reißt eine große Lücke bei den Towers, die einen der begehrtesten Trainer Europas verlieren. "Ich hoffe, dass die Towers für die Zeit nach meinem Abgang gerüstet sind. Hier arbeiten sehr gute Leute. Über Marvin Willoughby kann ich nur gute Dinge sagen. Ich möchte nicht das sehen, was ich bei meinem vorherigen Club nach meinem Abgang gesehen habe", sagte Calles und spielt damit auf den Bundesliga-Abstieg von Rasta Vechta an.
Wie es auf der Trainerposition weitergeht, wollte Willoughby derweil noch nicht verraten. Nach Abendblatt-Informationen sind noch fünf Kandidaten im Rennen. Beste Chancen soll der aktuelle Co-Trainer Benka Barloschky (34) haben. "Ich habe mich noch nicht entschieden", erklärte der Towers-Chef, der auch kein Zeitfenster nennen wollte, bis wann der neue starke Mann im sportlichen Bereich präsentiert werden soll. "Wir haben am 1. August den Beginn unserer Vorbereitung. Bis dahin wird er da sein", sagte Willoughby, der sich sicher ist, dass es viele gute Trainer gibt, die in Hamburg arbeiten wollen. "Das ist so. Wir sind nicht irgendein Verein, wir sind die Hamburg Towers, die in der Bundesliga spielen. Es geht mir nicht um den besten Trainer, sondern um den richtigen Trainer für uns, mit dem wir unseren Weg weitergehen werden", stellte der gebürtige Hamburger selbstbewusst fest.
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Baustelle Kaderplanung: Bei den Hamburgern deutet sich mal wieder ein Mega-Umbruch an. Derzeit ist Forward Lukas Meisner (26) der einzige Profi, der auch für die kommende Saison einen Vertrag bei den Towers besitzt. Leistungsträger wie Caleb Homesley (25), Maik Kotsar (26) oder der in den Play-offs starke Jaylon Brown (27) werden den Club verlassen.
Auch Supertalent Justus Hollatz (21) wird seinen auslaufenden Vertrag aller Voraussicht nach nicht verlängern, auch wenn die Towers nach wie vor um den Verbleib des Eigengewächs kämpfen. "Ich werde mich in den kommenden Tagen mit meinem Agenten hinsetzen und schauen, welche Optionen es gibt. Während der Play-offs habe ich meinen Berater gebeten, das Thema Zukunft hintenanzustellen", erklärte Hollatz, der sich für den diesjährigen NBA-Draft angemeldet hat. Auch die Topclubs Bayern München und Alba Berlin haben Interesse am Nationalspieler.
Gut möglich ist zudem, dass Calles Kapitän Max DiLeo (29) sowie die Forwards Seth Hinrichs (29) und Robin Christen (30) mit zu seinem neuen Club nimmt. So hatte es der Spanier auch bei seinem Wechsel von Vechta nach Hamburg praktiziert.
Spieler wie Zach Brown (26), Eddi Edigin (26) und Trevon Bluiett (27) dürften aufgrund von sportlichen Leistungen keine Chance auf einen Verbleib haben. Die Fans machen keinen Hehl daraus, dass sie sich mehr Kontinuität wünschen. Sie wollen ein Team, mit dem sie sich über Jahre identifizieren können. "Natürlich möchte ich, dass wir eine realistische Chance haben, Leistungsträger zu halten. Es ist frustrierend, aber es gibt einfach Vereine, die bei ihren Angeboten für Trainer und Spieler noch eine Null mehr hinten dranhängen können. Also ja, es ist frustrierend, aber auch die Herausforderung, die mich antreibt", sagte Willoughby, der ankündigte, dass man weiterhin alles daran setzen will, junge einheimische Talente an den Profikader heranzuführen.
Baustelle Sponsoring: Ein Grund für den Abgang von Trainer Calles dürfte auch die finanziell ungewisse Zukunft der Towers sein. Hauptsponsor "VTG" wird nach der Saison als Trikotpartner aussteigen. Das Eisenbahnlogistik-Unternehmen soll aber in geringerem Umfang als Geldgeber erhalten bleiben. Einen neuen Großsponsor gibt derzeit noch nicht. "Unser nächster Schritt als Club muss sein, eine Stabilisierung der Sponsoring-Situation herzustellen", sagt Willoughby, der daran arbeitet, dass der Etat in etwa gleich bleibt. In der abgelaufenen Saison betrug dieser knapp fünf Millionen Euro.
Um perspektivisch größere Sprünge in der Entwicklung zu machen, muss aber endlich das leidige Thema "Elbdome" geklärt werden. Seit Jahren wartet Towers Investor Tomislav Karajica (45) darauf, den 120-Millionen-Euro-Bau im südlichen Teil Hamburgs zu realisieren. Die Verhandlungen mit der Stadt über ein geeignetes Grundstück ziehen sich aber weiter hin. Beim dritten Play-off-Spiel gegen Bonn war Sportsenator Andy Grote live vor Ort. Der SPD-Politiker gilt als großer Befürworter des Neubaus, für einen Durchbruch bei der Realisierung konnte aber auch Grote bislang nicht sorgen. "Für uns ist es ganz, ganz wichtig, Klarheit in der Arena-Situation zu bekommen. Um wirtschaftlich auf die nächste Ebene zu kommen brauchen wir die Perspektive einer neuen Halle.", erklärte der Towers-Chef.
Den neuen potentiellen Sponsoren will Willoughby auch in der kommenden Saison internationalen Basketball anbieten. Derzeit laufen die Gespräche mit der EuroLeague, dem Dachverband des EuroCups, über eine erneute Teilnahme am zweitwichtigsten Clubwettbwerb Europas. "Die EuroLeague findet sehr gut, was hier in Hamburg passiert. Sie schätzen unsere Arbeit, wollen mit uns weiterarbeiten. Wir müssen aber ganz normal durch das Bewerbungsverfahren. Ich bin optimistisch, dass es klappt. Wir wollen uns dieser Herausforderung stellen", sagte Willoughby.