Hamburg. Sportchef der Hamburg Towers über Vertragsverlängerungen, zu kleine Fanbasis und das Ziel, ein Großsportverein zu werden.

Nach zwei Wochen Länderspielpause geht die Basketball-Bundesliga (BBL) wieder an die Körbe. Bei den inzwischen dreifach geimpften Hamburg Towers wird am Sonntagnachmittag (15 Uhr/MagentaSport live) gegen die Löwen Braunschweig Center Maik Kotsar (24/Schulterverletzung) weiterhin fehlen. Teamkollege Eddy Edigin (26) steht nach seinem Nasenbeinbruch hingegen vor dem Comeback. In der Wilhelmsburger edel-optics.de Arena gilt weiter die 2G-Regel, jetzt aber mit Maskenpflicht und der Empfehlung, sich vorher freiwillig testen zu lassen. Für das Spiel waren bis zum Freitagabend rund 2600 der 2950 Eintrittskarten verkauft.

Fünf Siege, drei Niederlagen in der Bundesliga; ein Sieg, vier Niederlagen im EuroCup; Pokal-Aus in der ersten Runde in Bayreuth: Das ist die sportliche Bilanz der Towers nach den ersten 14 Saisonspielen. „Wir haben uns eine Ausgangsposition geschaffen, in der wir selbst noch alles in der Hand haben, in der Bundesliga und im EuroCup, bei dem sich die ersten acht Teams in der Gruppe für das Achtelfinale qualifizieren. Das ist sehr positiv“, sagt Geschäftsführer und Sportchef Marvin Willoughby (43) im Gespräch mit dem Abendblatt.

„Unsere Ansprüche sind gestiegen, die Erwartungen an uns ebenfalls. Das macht vieles nicht einfacher. Dafür sind wir aber sehr ordentlich unterwegs in einer seit nun fast zwei Jahren hoch komplizierten Gesamtlage. Dass inzwischen wieder über einen Lockdown diskutiert wird, hatte niemand von uns im Sommer erwartet. Ich glaube, dass 2G-Veranstaltungen, eventuell zusätzlich mit Maske, sicher, vernünftig und vertretbar sind. Geisterspiele über einen längeren Zeitraum wären dagegen für alle Vereine eine immense wirtschaftliche Herausforderung.“

Herr Willoughby, angesichts der von Ihnen beschriebenen schwierigen Lage muss die Frage gestattet sein: Wie geht es den Hamburg Towers?

Marvin Willoughby Wir sind robust aufgestellt, haben verlässliche Partner, und wir hatten bisher ein sehr gutes Krisenmanagement. 2G hat funktioniert und wird von den Fans akzeptiert. Wir haben die Abläufe beim Einlass in die Halle optimiert, von den Behörden gab es keine Beanstandungen, und auch mit 2G plus hätten wir keine Probleme, solange die notwendigen Testkapazitäten für unsere Zuschauerinnen und Zuschauer vorhanden sind.

Fällt Ihre sportliche Bilanz für das Jahr 2021 ähnlich positiv aus?

Alba Berlin und Bayern München erstmals in der Bundesliga geschlagen, die erste Play-off-Teilnahme geschafft, dann im Herbst die Premiere im EuroCup: Wenn wir bedenken, wo wir herkommen, war dieses Jahr schon fast unglaublich. Wir haben in der BBL gegen die beiden besten Teams Deutschlands gewonnen, wir haben die ersten Europapokalspiele in Hamburg gehabt. Das haben wir mit Mut, mit jahrelanger harter Arbeit erreicht. Mit Partizan Belgrad war die erste europäische Mannschaft in einem Pflichtspiel bei uns zu Gast. Die mussten erst mal zeigen, dass sie besser sind als wir. Das haben sie dann auch.

Sind die Hamburg Towers also bereits ein „Big City Club“?

Wir bleiben demütig. Auch 2021 haben einige Dinge nicht so funktioniert, wie wir uns das erhofft hatten.

Zum Beispiel?

Das bereden wir intern, das sind keine Themen für die Öffentlichkeit. Wir haben natürlich auch falsche Entscheidungen getroffen, Spiele verloren, die wir nicht hätten verlieren müssen, wir haben nicht alles, was wir umsetzen wollten, umgesetzt, einiges haben wir aber auch nicht umsetzen können, weil diese Dinge nicht in unserer Verantwortung lagen.

Da denken Sie an den von Ihrem Hauptgesellschafter Tomislav Karajica geplanten Elbdome oder Ihr Quartiersporthaus in Wilhelmsburg für den Towers e. V. Bei beiden Projekten warten Sie auf Entscheidungen des Senats. Was läuft da schief?

Das kann ich Ihnen im Detail gar nicht sagen. Sicherlich gibt es dafür wegen der pandemischen Lage nachvollziehbare Gründe. Fakt ist aber: Unsere Trainingssituation ist extrem frustrierend ...

… weil Sie im Sommer den Übungsbetrieb aus Ihrer Wilhelmsburger Arena in ein Wandsbeker Sportcenter ausgelagert haben.

Wir müssen mit der edel-optics.de Arena auch Geld verdienen. Und das können wir nur, wenn wir die Halle für externe Veranstaltungen vermieten können.

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  • Dann dürfen Sie sich nicht beklagen, dass Ihre Trainingssituation misslich ist.

    Wir haben der Stadt Pläne für eine größere Arena, eine Mehrzweckhalle für 8000 Zuschauerinnen und Zuschauer, und für ein modernes Sportcenter in Wilhelmsburg vorgelegt, das unser Verein betreiben will und das für den Stadtteil ein Anziehungspunkt werden kann. Die privatwirtschaftliche Finanzierung des Elbdomes ist gesichert, für das Sportzentrum fand bereits ein hochbaulicher Wettbewerb statt. Ein Siegerentwurf wurde gekürt. Dennoch geht es nur langsam voran. Die Infrastruktur bleibt ein entscheidender Punkt für unsere Entwicklung, um qualitativ hochwertige Trainer und Spieler langfristig an uns zu binden. Dafür brauchen wir mehr Einnahmen als jene, die wir aktuell generieren können. Wenn wir bei der Infrastruktur nicht weiterkommen, kommen wir auch als Verein nicht weiter, dann bleiben wir vermutlich auf lange Sicht Mittelmaß – was unter den gegebenen Umständen immer noch ein Erfolg wäre.

    Wo bleibt da Ihr Kampfgeist? Auch in kleinen Städten wird in kleinen Hallen Spitzenbasketball gespielt.

    Wir sind in Hamburg, stehen in Konkurrenz zu zwei beliebten Fußballvereinen, sind im Wettbewerb mit der Kultur und zahlreichen Events. In Chemnitz unterstützt fast die gesamte ansässige Wirtschaft die Niners. Die haben und hatten immer einen größeren Etat als wir.

    Die Towers hatten und haben dafür den größeren sportlichen Erfolg.

    Damit wir uns nicht missverstehen: Das sind zum Teil Klagen auf hohem Niveau. Aber unser Anspruch bleibt, dass wir uns kontinuierlich weiterentwickeln. Dafür brauchen wir die Hilfe der Stadt, um unsere Pläne zu realisieren. Der Status quo hat möglicherweise zur Folge, dass es negative Entscheidungen bei gewissen Themen und Vertragsgesprächen geben kann. Nicht, weil wir kein toller Standort sind, sondern weil unsere Entwicklung nicht schnell genug verläuft. Das haben wir in der Vergangenheit bei den heutigen Nationalspielern Ismet Akpinar und Louis Olinde erlebt. Die Jungs, zwei gebürtige Hamburger, sind schneller gewachsen als wir. Sie haben uns verlassen, weil wir ihnen keine sportlichen Perspektiven aufzeigen konnten. Wenn ich Spielern oder Trainern erzähle, was vielleicht in vier oder fünf Jahren bei uns passieren könnte, sagen die: „Dann ruf mich in vier Jahren noch mal an.“ Davon wollen, davon müssen wir wegkommen.

    Dieses Szenario sollte sich mit dem Bundesliga-Aufstieg im Jahr 2019 doch grundlegend geändert haben. Und mit der Teilnahme am EuroCup sind die Towers plötzlich auch interessant für Profis mit NBA- oder EuroLeague-Erfahrung.

    Ja, wir sind jetzt auf einem guten Weg. Uns sollte allerdings bewusst sein, selbst wenn es gut läuft, müssen wir alle lernen und verinnerlichen, dass es um die gesamte Geschichte geht, niemals um den kurzfristigen Erfolg. Bei unseren Entscheidungen müssen wir die Perspektive im Blick behalten. Wir sollten irgendwann in die Lage kommen, Rückschläge, die es geben wird, aushalten zu können. Erst dann wären wir ein großer Club.

    In Hamburg sind die Towers acht Jahre nach ihrer Gründung das derzeit erfolgreichste Team in den zuschauerrelevanten Sportarten. Sie waren Tabellenführer in der Bundesliga, Sie spielen jetzt im Europapokal. Das kann in dieser Stadt momentan kein Handballclub, kein Fußball-, Eishockey- oder Volleyballverein bieten. Das muss Ihnen doch Mut machen.

    Von unseren Strukturen her sind wir weiter ein Start-up. Wir arbeiten daran, die Voraussetzungen zu schaffen, um den nächsten Schritt zu gehen. Sportlich sind wir vielleicht einen Tick besser als von den Strukturen her. Wir haben in der vergangenen Saison, teilweise auch in dieser Spielzeit, überperformt. Die sportliche Leistung deckt sich noch nicht mit unserer Wirtschaftskraft.

    Das heißt, die sportlichen Leistungen zahlen sich bisher nicht aus?

    Zumindest noch nicht in dem Umfang, den wir uns erhoffen. Wir sind da quasi mit der Mannschaft in Vorleistung getreten, müssen das Erreichte jetzt in der Vermarktung nacharbeiten. Das ist in Zeiten wie diesen kein leichter Job. Als Organisation wollen wir auch im Management weiter wachsen und uns Kompetenz dazu holen; insbesondere im sportlichen Bereich, im Marketing sowie in weiteren organisatorischen Abteilungen der Geschäftsstelle. Das geht jedoch nur, wenn dafür die wirtschaftliche Grundlage gegeben ist.

    Für mehr Kontinuität, die Sie ja als Verein anstreben, dürften zwei Personalien für die nähere Zukunft wichtig werden: die Vertragsverlängerungen mit Ihrem Cheftrainer Pedro Calles und mit Neu-Nationalspieler Justus Hollatz, einem Hamburger. Beide könnten im Juni, wenn ihre aktuellen Arbeitspapiere enden, die Towers verlassen.

    Das wäre tatsächlich ein Rückschlag, würden wir beide verlieren, keine Frage. Davon gehe ich aber momentan nicht aus. Es liegt aber nicht nur in unserer Hand. Wir können Spielern oder Trainern Angebote machen, und das ist es. Kontinuität kostet. Alle offenen Fragen hängen zusammen. Wir brauchen wirtschaftliche Mittel, Planungssicherheit. Unserem ehemaligen Spielmacher T. J. Shorts, den wir gern gehalten hätten, haben wir im Sommer einen mehrjährigen Vertrag offeriert. Er ist nach Crailsheim gewechselt. Auf ein Wettbieten mit anderen Clubs können und werden wir uns nicht einlassen. Und wenn es uns als Misserfolg ausgelegt würde, wenn Justus Hollatz, Pedro Calles oder ein Sponsor bei uns nicht verlängern, geht es trotzdem morgen weiter. Es ist andererseits schön, dass es diese Erwartungshaltung gibt, dass es den Leuten nicht egal ist, was wir hier machen. Davon dürfen wir uns aber nicht verrückt machen lassen.

    Sind Sie enttäuscht über das bisherige Zuschauerinteresse im EuroCup, das weit unter Ihren Erwartungen liegen dürfte? Schließlich hatten Sie die Teilnahme an diesem Wettbewerb als großen sportlichen Schritt verkauft.

    Dass bei einem nicht gelernten Wettbewerb unterhalb der Woche die Halle voll wird, diese Erwartung hatten wir nie, schon gar nicht in diesen Zeiten. Hinzu kommt, und das gilt genauso für die Handballer, für Eishockey, Volleyball, für alle Sportarten, die nicht Fußball sind: Da musst du mehr bieten als nur die erste Mannschaft. Wenn wir uns in der BBL in den Play-offs etablieren wollen, ist die Realisierung des Elbdomes notwendig. Nur hier können wir unsere Fanbasis erweitern und höhere Einnahmen über den Ticketverkauf erzielen.

    Von der nächsten Woche an kommt es zu weiteren, von der Regierung beschlossenen Einschränkungen. Die Towers dürfen dann nur noch vor maximal 1700 Zuschauenden spielen. Was bedeutet das für Sie?

    Es ist ein harter Rückschritt, nachdem wir in den vergangenen Partien wieder eine volle Halle mit toller Stimmung hatten. Das Wichtigste für uns wäre Planungssicherheit, und die haben wir aktuell nicht. Wir hoffen sehr, dass die beschlossenen Maßnahmen schnell Wirkung zeigen und wir im neuen Jahr unter 2G-Bedingungen die Halle wieder füllen können. Mit der deutlich reduzierten Zuschauerzahl sind wir erst mal wieder auf die Unterstützung der Stadt angewiesen.