Hamburg. Wie seine Chancen stehen, auch wirklich in den USA zu spielen. Verlieren die Hamburger den Nationalspieler?

Am Dienstagvormittag kratzte eine Nachricht Basketball-Deutschland auf, die eigentlich gar keine ist, weil sie so wenig überraschte: Justus Hollatz hatte sich zum NBA-Draft angemeldet. Wie im Vorjahr, als sich der Aufbauspieler der Hamburg Towers zur Talentwahl der stärksten Liga der Welt erst an- und dann doch wieder abgemeldet hatte. Der spannende Unterschied in diesem Jahr: Das Riesentalent besitzt nun tatsächlich Chancen darauf, dass sich einer der 30 NBA-Clubs am 23. Juni die Rechte an ihm sichern wird.

Selbst wenn der Wechsel in die USA in diesem Sommer noch nicht vollzogen wird, dürfte es für die Towers enorm schwierig werden, das 20 Jahre alte Eigengewächs, dessen Vertrag am 30. Juni ausläuft, für eine weitere Saison an sich zu binden.

Towers-Juwel Hollatz meldet sich zum NBA-Draft

„Wegen seiner unglaublich starken Saison gibt viel Interesse aus Europa und NBA“, sagt Hollatz` Agent Dragan Jankovski von der international agierenden und angesehenen Agentur BEO Basket mit Hauptsitz in Belgrad. Da Hollatz auch im kommenden Jahr noch für die Draft melden dürfte, sei es eine Option, ihn abermals abzumelden. „Das werden wir definitiv tun, sofern es keine Garantien von NBA-Clubs gibt, ihn zu draften“, so Jankovski.

Die NBA-Regel besagt, dass Spieler, die ihre Anmeldung zur Talentschau beibehalten, aber von keinem der 30 NBA-Teams in zwei Runden ausgewählt werden, nicht nochmals beim Draft teilnehmen können. Sie könnten dann nur noch als Vertragsloser direkt bei einem Club unterschreiben. Die Verträge besitzen dann mitunter jedoch keine garantierte Mindestlänge und ein festgeschriebenes Gehalt. Bis zum 1. Juni kann Hollatz seine Teilnahme widerrufen.

Towers: Hollatz hofft auf Feedback von Scouts

In den sogenannten Mock-Drafts, in denen die Talente von zahllosen Journalisten, Scouts und Pseudo-Analysten nach Stärke sortiert werden, taucht Hollatz bislang nicht auf. Was nicht unbedingt etwas heißen muss, da sich diese Ranglisten zumeist auf Spieler aus den USA fokussieren. Möglich, dass sich dies ändert, wenn Hollatz im Sommer vor Scouts, Beratern und NBA-Funktionären vorspielt, was nach seinem Agenten denkbar sei.

„Für mich ist es wichtig, Feedback von den Scouts zu erhalten. So weiß ich, woran ich arbeiten muss, um meine Chancen zu verbessern“, wird Hollatz in einer Pressemitteilung der Towers zitiert. „Wichtig ist auch, dass sie meinen Namen kennen. Vielleicht gibt es so die Möglichkeit, das ein oder andere Workout zu absolvieren.“

Nur Towers-Topscorer Homesley war schon so nah an der NBA

Towers-Topscorer Caleb Homesley ist der einzige Akteur im Kader, der schon nah dran an der NBA war. Er wurde 2020 als einer der letzten Spieler vor Saisonbeginn aus dem Kader der Washington Wizards gestrichen. Der US-Amerikaner glaubt, Hollatz habe eine Möglichkeit, sich in Nordamerika durchzusetzen. „Dadurch, dass er für seine Position relativ groß ist und den Ball clever passt, hat er Fähigkeiten, die auf jeden Fall herausstechen. Damit hebt er sich von anderen ab und könnte eine Chance auf eine solide Karriere dort haben“, so Homesley.

Auch mit den Towers stehen Jankovski und sein Klient seit Wochen in Gesprächen über eine potenzielle gemeinsame Zukunft. Es ist jedoch kein Geheimnis, dass Alba Berlin und der FC Bayern München mehrfach Kontakt aufgenommen haben, bestätigt Jankovski. „Aber das haben auch andere große europäische Vereine“, so der Serbe. Aus dessen Heimatland soll sich dem Vernehmen nach EuroCup-Titelfavorit Partizan Belgrad um Trainerlegende Zeljko Obradovic unter den Interessenten befinden.

Hollatz geht es nicht ums Geld – sondern um Spielzeit

Der deutsche Meister aus Berlin weist eine lange Geschichte der Entwicklung deutscher Talente auf, wenngleich vorrangig welcher aus den eigenen Reihen. Auf der Aufbauposition gilt in der Hauptstadt Nationalspieler Maodo Lo als gesetzt. Da Alba durch die Dreifachbelastung in Bundesliga, EuroLeague und Pokal aber mindestens auf 69 Pflichtspiele pro Saison kommt, dürfte Spielzeit verfügbar sein.

Vizemeister München ist bislang eher weniger als Entwicklungsstandort für Talente in Erscheinung getreten. Hollatz gilt nicht als idealer Kandidat für die von Trainer Andrea Trinchieri präferierte Spielweise. Dennoch würden die Münchener den Nationalspieler kaum ins Ausland ziehen lassen, ohne zuvor ernsthafter bei ihm anzuklopfen.

Priorität bei der Auswahl seines künftigen Arbeitgebers habe das Versprechen, reichlich Spielzeit zu bekommen. „Es geht uns definitiv nicht ums Geld, das ist jetzt nicht das, was Justus braucht. In dieser Phase seiner Karriere muss er viel spielen und Entscheidungen treffen können“, sagt Jankovski. Bei den Towers würde Hollatz diese Möglichkeit erhalten. Aus Hollatz´ Umfeld ist zu hören, dass er sich die Option Hamburg offen halte. Jankovski sowie mehrere Experten trauen dem Harburger aber auch bei renommierten EuroLeague-Teams zu, eine große Rolle zu spielen. Was absolut realistisch ist, denn der Spielgestalter ist schlicht schon so gut geworden.

Verlässt Hollatz die Towers?

Verlässt Hollatz die Towers, würden diese eines der prägenden Gesichter ihrer Vereinsgeschichte verlieren. Als 18-Jähriger hatte er die Wilhelmsburger 2019 zur Zweitliga-Meisterschaft geworfen, ist über die Jahre zur Identifikationsfigur geworden. Doch die Towers kämpfen um ihr Juwel und haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben, ihn zumindest für ein finales Jahr an sich zu binden. Für ein Statement war Geschäftsführer und Sportdirektor Marvin Willoughby bis Dienstagabend nicht zu erreichen.

Hollatz, der schon vergangene Spielzeit zum besten Youngster der Bundesliga ausgezeichnet wurde, absolviert eine überragende Saison. Seine Entwicklung hat nochmals Fahrt aufgenommen. „Ich habe in meiner erster Saison einen talentierten Jungen in ihm gesehen, der nun zu einem richtigen Mann geworden ist, der Verantwortung übernimmt. Er ist vor allem mental enorm gewachsen“, sagt Towers-Trainer Pedro Calles. Erst kürzlich brach Hollatz mit 15 Vorlagen den Assist-Rekord für einen deutschen Spieler.

Hamburg Towers empfangen Fraport Skyliners am Mittwoch

Seine Entscheidungsfindung und Reife gehen weit über sein Alter hinaus. Dazu hat er den Distanzwurf, seine größte Schwachstelle, stabilisiert. Mit ihm auf dem Feld agieren die Towers signifikant besser und geordneter. Fragt sich bloß, wie lange noch.

An diesem Mittwoch auf jeden Fall noch mal. Dann empfangen die Wilhelmsburger die Fraport Skyliners aus Frankfurt (19 Uhr/MagentaSport) in der edel-optics.de Arena. Die Gäste würden sich bei einer Niederlage in die 2. Liga verabschieden. Dorthin wird es Hollatz nicht verschlagen, aber ein Abschied aus Hamburg rückt näher.