Chemnitz. In Chemnitz macht das Team von Coach Taylor das Wilhelmsburger Märchen von der Bundesliga wahr. Auch Nowitzki gratuliert.

Sie tanzten auf dem Spielfeld, umarmten sich, schüttelten ihre Köpfe und konnten es irgendwie noch nicht fassen. Die Hamburg Towers, erst 2013 gegründet, sind erstmals in die Basketballbundesliga (BBL) aufgestiegen! Während rings um sie herum Verzweiflung und Enttäuschung herrschten – 2700 der 3000 Zuschauer in der ausverkauften Richard-Hartmann-Halle schienen kurz ihre anfangs so lauten Stimmen verloren zu haben –, feierten die Wilhelmsburger ihren 78:72-(37:27)-Erfolg im fünften und entscheidenden Spiel der Halbfinalserie bei den Niners Chemnitz.

Mit 3:2-Siegen bezwangen sie vor den Augen von Hamburgs begeistertem Innen- und Sportsenator Andy Grote (SPD) das beste Team der Hauptrunde. US-Spielmacher Carlton Guyton war mit 28 Punkten bester Werfer der Towers. Zweiter Bundesliga-Aufsteiger sind die Nürnberg Falcons (3:1 Siege gegen die Heidelberg Academics), mit denen sich die Towers nun am Donnerstag in Nürnberg und am Sonnabend (19.30 Uhr) in der Wilhelmsburger Edel-optics.de-Arena zwei Prestigeduelle um die Meisterschaft der 2. Basketballbundesliga Pro A liefern dürfen. Danach soll der Klassensprung mit den Fans ausgiebig gefeiert werden.

Towers-Sportchef Willoughby ringt mit den Tränen

Der sensationelle Erfolg des noch jungen Vereins strahlte auch in die USA aus. Dirk Nowitzki, der jüngst nach 21 Jahren in der NBA das Ende seiner Karriere bekannt gegeben hatte, gratulierte seinem Freund Marvin Willoughby per Whatsapp zum Aufstieg der Towers.

"Ich kann das gar nicht glauben, was wir geschafft haben", sagte der Towers-Sportchef selbst, schweißnass, bevor er ein paar Tränen verdrückte. "Wir haben die beste Saison unserer bisherigen fünfjährigen Vereinsgeschichte gekrönt. Das ist grandios", fügte Willoughby an. Derweil blickt Towers-Hauptgesellschafter Tomislav Karajica schon voraus: "Jetzt kommt eine Menge Arbeit auf uns zu. Aber das ist eine wunderschöne Aufgabe."

Taylor: "Diese Jungs haben Geschichte geschrieben"

Und Trainer Mike Taylor, der vor der Saison gesagt hatte, "I can't guarantee an Aufsteig", jubelte: "Diese Jungs haben Geschichte geschrieben. Sie haben den ersten Aufstieg geschafft – das bleibt ewig!" Die Fans forderten derweil, "Wir wollen den Trainer sehen!", und als sich Taylor in den Block begab, musste er den Diver machen. Der gelang halbwegs. Besser glückte ihm anschließend die dreifache Rolle, als er sich auf Geheiß von Kapitän Achmadschah Zazai auf dem Spielfeld wie eine Kugel in die Spieler drehte, die dann alle wie Kegel umfielen und den Coach unter sich begruben.

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"Ein denkwürdiger Moment", sagte Sportsenator Grote. "das ist der Lohn für über Jahre harte Arbeit. Die Towers haben sich den Aufstieg verdient." Auch er trug – wie alle Spieler, Trainer und Verantwortlichen – das schwarze T-Shirt mit dem Aufdruck "You can('t) guarantee an Aufstieg". Alexander Otto, Kuratoriumsvorsitzender seiner Sportstiftung, reihte sich ebenfalls bei den Gratulanten ein: „Ich freue mich über den verdienten Aufstieg der Towers. Es ist der verdiente Lohn einer langfristig ausgerichteten, Beispiel gebenden Arbeit. Ich gratuliere dem Team, Marvin Willoughby und allen Verantwortlichen. Großartig für Wilhelmsburg, großartig für Hamburg!“

Towers haben ihre beste Leistung gezeigt

"Wir haben heute unsere beste Saisonleistung geboten", meinte der Kanadier Tevonn Walker. "Wir haben eine aggressive Verteidigung gespielt, und wir hatten diesen Willen, diesen unbedingten Willen, der in solchen Spielen nötig ist."

Die Hamburger hatten ihre beiden Heimspiele (81:78 und 98:96) gegen die Niners gewonnen, in Chemnitz aber zuvor zweimal verloren (81:87, 63:84) – und jetzt, als es in der finalen Begegnung darauf ankam, ihre beste Leistung gezeigt. "Es ist schade, dass nur eine dieser beiden großartigen Mannschaften aufsteigen konnte. Auch wir hätten es verdient gehabt", sagte Chemnitz' argentinischer Trainer Rodrigo Pastore später.

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Ann-Kristin Brandt, bei den Towers für Marketing und Social Media zuständig, hatte vor den Play-offs Anfang April die besten Szenen der Hauptrunde auf einem fünfeinhalbminütigen Video zusammengeschnitten, diesmal erhielt jeder Spieler von ihr ein spezielles Foto mit einem einprägsamen Motivationssatz. "Ich hoffe, das hilft wieder", sagte sie. Es half. Und wie!

Towers hatten Startschwierigkeiten

Die Towers fanden sofort ins Spiel, was in dieser Saison nicht selbstverständlich war. Und in der Verteidigung zeigten sie jene körperliche Präsenz, die Trainer Taylor in dieser Saison immer wieder einforderte. Die war auch nötig, denn im Angriff trafen die Hamburger wie bereits in den ersten vier Spielen gegen die Niners anfangs eher unterdurchschnittlich.

Nur sechs von 18 Würfen landeten in den ersten zehn Minuten im Korb, mäßige 33 Prozent (am Ende waren 24 von 60/gute 40 Prozent), als aber Guyton drei Sekunden vor Schluss des Viertels aus der Distanz einnetzte, wurde es in der Halle plötzlich deutlich ruhiger. 21:16. Noch eine halbe Stunde bis zum Aufstieg. Das mit der Stille sollte zunächst so bleiben. Spielmachertalent Justus Hollatz erhöhte in der 13. Minute mit einem Dreipunktewurf auf 27:19, Kollege Guyton in der 16. Minute auf 34:24. Das hinterließ Spuren bei den Chemnitzern.

Sie spielten ihre Angriffe in dieser Phase oft nicht mehr aus, suchten in Einzelaktionen den schnellen Korberfolg, obwohl gerade ihr Passpiel eine ihrer größten Stärken ist. Darunter litt die Präzision, 31 Prozent Treffer aus dem Feld waren zur Halbzeit weit unter ihrem Niveau (am Ende aber 27 von 62/44 Prozent). Frust machte sich unter den Niners-Fans breit, den sie mit Pfiffen gegen die Towers abzuarbeiten versuchten. An der Führung der Hamburger zur Halbzeit änderte das nichts. 37:27. Noch 20 Minuten bis zum Aufstieg.

Sieg drohte Towers aus den Händen zu gleiten

Die Towers bauten danach ihren Vorsprung in der 24. Minute mit einem Korbleger des diesmal überragenden Guyton auf 45:29 aus. So hoch hatten sie gegen die Niners in den zuvor sechs Duellen in dieser Saison noch nie geführt. Aber im Basketball sind selbst 16 Punkte oft nur ein Wimpernschlag, die Chemnitzer warfen sich in der 27. Minute auf 40:49 heran, was den Lärmpegel in der Halle wieder ins Ohrenbetäubende steigerte. "Unsere Halle, unser Sieg", schallte es von den Rängen. Die Towers aber blieben cool. 56:46 nach dem dritten Viertel. Noch zehn Minuten bis zum Aufstieg.

Doch der drohte den Towers im letzten Spielabschnitt aus den Händen zu gleiten. Die Niners kamen schnell bis auf 56:58 (34. Minute) heran, und von der bis dahin gezeigten Souveränität war bei den Hamburgern kaum noch etwas zu sehen. Es war dann wieder Guyton, der mit einem Korbleger zum 63:56 (35. Minute) und einem Dreier zum 68:61 (37.) wieder für etwas Beruhigung sorgte. Und als Beau Beech kurze Zeit später vom Spielfeldrand zum 71:61 traf, waren plötzlich nur die rund 250 Towers-Fans im Publikum zu hören.

In den letzten Sekunden wurde es eng

Die Niners taten dann das, was sie zuletzt immer bei klaren Rückständen gegen die Hamburger taten: Sie warfen aus der Distanz – und trafen. Eine Minute vor Schluss war der Vorsprung der Towers auf 71:68 zusammengeschmolzen. Welch eine Dramatik. Im Gegenzug netzte Guyton 44 Sekunden vor dem Ende aber zum 73:68 ein, wurde dabei gefoult und verwandelte den fälligen Freiwurf zum 74:68. Das sollte reichen.

Von jetzt an durfte nur noch gejubelt werden. Aus dem Fan-Block der Towers wurde eine Konfetti-Kanone abgefeuert – und die Mannschaft verneigte sich vor ihren Anhängern. "Erste Liga, Towers sind dabei!", wurde dann zum Hit einer bevorstehenden langen Nacht.

Karten für das Spiel gegen die Nürnberg Falcons am Sonnabend (19.30 Uhr) gibt es ab Mittwoch, 1. Mai, 14.30 Uhr auf der Website der Towers.