Hamburg. Lange Zeit trieb das extrovertierte Kraftpaket seine Trainer häufig an den Rand des Wahnsinns. Jetzt gibt sich der Forward geläutert.
Malik Müller nimmt sich Zeit. Viel Zeit. Minutenlang wandern seine Augen die Speisekarte im Restaurant Matsumi auf und ab, immer wieder blättert er vor und zurück. „Wenn ich nicht auf meine Ernährung achten würde, wüsste ich sofort, was ich nehme. Aber ich will ja etwas ohne Kohlenhydrate. Ich will so fit wie möglich in die Play-offs“, sagt der Forward der Hamburg Towers und bestellt sich eine große Sushi-Platte – ohne Reis natürlich. Der 25-Jährige ist eben geläutert.
So diszipliniert war der gebürtige Frankfurter nicht immer in seiner Karriere. Lange Zeit galt das extrovertierte Kraftpaket als „schlampiges Genie“, das Trainer häufig an den Rand des Wahnsinns trieb. „Auf dem Platz habe ich immer Vollgas gegeben, aber abseits des Courts hatte ich immer mal kleine Disziplinprobleme“, gesteht Müller ein.
Das hat sich mittlerweile geändert. Vorbei die Zeiten, in denen Pünktlichkeit für ihn ein Fremdwort war. Vorbei die Zeiten, in denen große Autos wichtiger waren als große Leistungen. Mittlerweile besteht die Freizeit aus Musik, Netflix und Malen. „Ich habe viel über mich nachgedacht und meine Lektion gelernt“, sagt Müller, dessen Fröhlichkeit plötzlich wie weggeblasen ist.
In Göttingen wurde er vom Trainer schikaniert
Während seiner Zeit bei der BG Göttingen hatte Müller vor zwei Jahren seinen Spaß am Basketball verloren. Vor allem Trainer Johan Roijakkers, so sagt der Towers-Profi heute, habe ihm das Leben zur Hölle gemacht. „Ich wurde von ihm schikaniert. Man kann fast schon von Mobbing sprechen. Das hat mich fast depressiv gemacht“, so Müller, der sich an einen Vorfall besonders zurückerinnert. Sein damaliger Trainer wollte ihn dazu bringen, seinen auffälligen, mattschwarzen, tiefergelegten Audi S7 zu verkaufen.
„Ich kam eines Tages in die Kabine, da war auf dem Monitor mein Auto zu sehen. Das Bild war wie eine Anzeige aufgemacht, mit den Worten: Zu verkaufen! Das Auto ist besser als Sex, greifen Sie jetzt zu“, erinnert sich der Profi. Vor versammelter Mannschaft wollte sich Müller seine Wut nicht anmerken lassen, doch von Tag zu Tag schwand die Freude, zum Training zu gehen.
Müller: "Ich will meinen Namen wieder reinwaschen"
Nach einem kurzen Intermezzo in Ludwigsburg kam ihm das Angebot der Towers gerade recht. Schon Ex-Trainer Hamed Attarbashi wollte das Kraftpaket nach Hamburg locken. In den Gesprächen mit den Verantwortlichen hatte Müller schnell ein gutes Gefühl. „Wenn ich mit dem Trainer hier wieder solche Probleme gehabt hätte oder der Club voller falscher Schlangen gewesen wäre, hätte ich in Deutschland mit Basketball aufgehört. Sofort“, erklärt der Towers-Profi. „Aber mit Mike Taylor ist es super. Er ist ehrlich, und er vertraut mir. Hier ist meine Freude am Sport zurückgekommen. Bei den Towers kann und will ich wieder meinen Namen, der in der Szene kaputt war, reinwaschen.“
Bei den Hamburgern gehört Müller, der mit Ludwigsburg Champions-League-Erfahrung sammelte, zu den Hoffnungsträgern bei der Mission Bundesliga-Aufstieg. Mit seiner aggressiven und emotionalen Spielweise soll er vorleben, was den Wilhelmsburger Basketballern, die am Sonnabend (19.30 Uhr, edel-optics.de-Arena) gegen die Rostock Seawolves in die erste Play-off-Runde starten, zuletzt fehlte: unbedingte Siegermentalität. „Ich bin mir meiner Rolle bewusst und versuche, die physische Spielweise, die nötig ist, um in den Play-offs zu bestehen, vorzuleben“, sagt er.