Hamburg. Mike Taylor spricht mit dem Abendblatt über Leistungsschwankungen, Führungsspieler und das Vereinsziel Aufstieg in die Bundesliga.
Nach zwei Niederlagen in Folge, darunter am vergangenen Sonntag die erste Heimpleite der Saison gegen Heidelberg (2.), stehen die Hamburg Towers (13:7 Siege) am Sonntag (16 Uhr, Stadthalle Rostock) in der 2. Basketballbundesliga ProA als Tabellendritter beim punktgleichen -vierten Rostock Seawolves unter Druck, wenn sie ihre derzeit günstige Ausgangsposition für die Play-offs im April behaupten wollen. „Das wird ein emotionales Nordderby“, freut sich Towers-Trainer Mike Taylor (46). „Dieses Spiel setzt bei uns hoffentlich besondere Kräfte frei.“
Mr. Taylor, nach der 66:72-Niederlage gegen Heidelberg wirkten Sie sehr bedrückt. Jetzt können Sie wieder lachen. Haben Sie inzwischen eine Erklärung für den schwachen Auftritt Ihres Teams gefunden?
Mike Taylor: Ich war nach dem Spiel total enttäuscht. Wir hatten der Mannschaft klar aufgezeigt, warum dieses Spiel so wichtig für uns ist, warum es sich lohnt, besonders motiviert zu sein. Leider hatte die Mannschaft das nicht verinnerlicht. Heidelberg hat uns spielerisch besiegt, wobei es nicht unbedingt das war, was der Gegner gemacht hat, sondern eher das, was wir nicht gemacht haben. Das hat mich frustriert. Jeder Spieler muss sich fragen, warum er mental und emotional für diese Partie nicht bereit war.
Sie sollen in der Kabine richtig laut geworden sein. Bisher kannten wir Sie nur als Mister Nice Guy.
Taylor: Nach einer solchen Leistung werde ich sauer. Du musst dir als Trainer aber die Momente suchen, in denen du auch mal laut wirst. Eine Saison ist lang, und du hast nicht ohne Ende Patronen im Revolver. Wenn du das jedoch dosiert machst, hat es eine andere Wirkung.
Sie sind mit 8:2 Siegen gestartet, nach dem Rekordsieg gegen Trier (108:62) lautet die Bilanz 5:5. Was ist passiert?
Taylor: Es wird viel über unsere Auswärtsproblematik gesprochen, aber wenn wir ehrlich sind, müssen wir sagen, dass auch die Heimspiele zuletzt nicht mehr so souverän waren. Jedes Team durchschreitet auch mal Täler, eine Saison ist wie ein Leben, mit Aufs und Abs. Wir müssen weiter an einigen Dingen arbeiten, um für die Play-offs gewappnet zu sein. Wir versuchen den Spielern aufzuzeigen, was nötig ist, auswärts und zu Hause konstanter zu sein. Teamcoach Hinnerk Smolka zum Beispiel spricht nicht nur mit den Jungs, er zeigt auch Videos, wie sie in gewissen Situationen besser reagieren können, sei es im Bereich Körpersprache oder auch der Kommunikation. Diese kleinen Dinge sind wichtig. Wir wollen das Beste aus dem Team herausholen.
Wie kritisch schätzen Sie die Lage im Hinblick auf den weiteren Saisonverlauf ein?
Taylor: Der mentale Stress, den wir gerade erleben, ist eine gute Vorbereitung auf die K.-o.-Runden. Mir würde es mehr Sorgen bereiten, wenn wir die Hauptrunde ohne jegliche Probleme absolvieren und in den Play-offs plötzlich mit Stresssituationen konfrontiert werden, die wir so vorher noch nicht erlebt haben. Wir machen häufig Dinge gut, aber wenn bei einem Spieler etwas schiefläuft, zieht sich das häufig negativ durch die ganze Mannschaft. Wir müssen im Kollektiv konstanter werden.
Ihre Konkurrenten sind in Hochform. Wann kriegen die Towers die Kurve?
Taylor: Wie gesagt, alle Teams durchlaufen mal ein Tal. Zu Saisonbeginn, als wir einen fantastischen Start hatten, dachten vielleicht viele, die Towers werden die Liga dominieren, aber die Leistungsunterschiede in der ProA sind nicht so groß, wie die Leute denken. Heidelberg, Rostock und Karlsruhe haben sich toll entwickelt und die Lücke zu den Topteams verkleinert. Wenn wir unsere Qualitäten wieder abrufen, sehe ich uns für den Rest der Hauptrunde und die Play-offs gerüstet. Wir haben eine gute Chemie im Team, tolle Unterstützung vom Club und unseren Fans. Wir haben zu Saisonbeginn gezeigt, wie gut wir sein können. Jetzt sind wir etwas vom Weg abgekommen, aber nun gilt es, dass das Team gemeinsam eine Reaktion zeigt.
Worauf kommt es dabei speziell an?
Taylor: Jetzt muss sich herauskristallisieren, wer die Mannschaft zusammenhält, wer der emotionale Leader ist. Der eine Spieler kann eine solche Rolle besser ausfüllen als der andere; was völlig okay ist. Das ist jetzt unsere Herausforderung. Oft entwickeln sich Führungsspieler einfach aus der Gruppe heraus und nicht, weil sie bestimmt werden. Das ist gerade ein Prozess. Wir ermutigen Spieler, Verantwortung zu übernehmen. Das dauert aber. Die wichtigste Komponente im Sport ist Synergie, wenn jeder sich dem gemeinsamen Ziel unterordnet und seinen Teil dazu beiträgt. Wir haben gezeigt, dass wir dazu in der Lage sind, aber das müssen wir Woche für Woche immer wieder aufs Neue beweisen. Zuletzt hatten wir zu viele Aufs und Abs.
Platz zwei, der Ihnen in den beiden Play-off-Runden um den Bundesliga-Aufstieg ein zusätzliches Heimspiel sichert, ist akut in Gefahr – damit auch Ihr Saisonziel?
Taylor: Es wäre ungeheuer wichtig, wenn wir die Hauptrunde als Zweiter beenden. Deshalb war ich ja so enttäuscht, wie wir gegen einen direkten Konkurrenten wie Heidelberg aufgetreten sind. Wegen unserer unglaublichen Fans haben wir den größten Heimvorteil in der Liga! Wir müssen alles dafür tun, dass dieser Faktor zum Tragen kommt.
Vielleicht lastet zu viel Druck auf der Mannschaft. Müssen Sie aufsteigen?
Taylor: Wir haben die Messlatte hochgelegt, weil wir eine gute Mannschaft zusammengestellt haben. Die Erwartungshaltung ist groß – und das ist auch gut so. Wir müssen nicht aufsteigen, wir wollen es aber. Ich sage den Spielern immer, dass man nur dann Druck verspürt, wenn man nicht gut vorbereitet ist. Und glauben Sie mir: Wir werden gut vorbereitet sein, wir werden im April unseren besten Basketball spielen. Wir sind dabei, unsere Identität als Mannschaft zu finden. Das ist jetzt die Herausforderung für die nächsten zwei Monate.
Ende Februar sind Sie wieder eine Woche mit der polnischen Nationalmannschaft in der WM-Qualifikation unterwegs. Wie verkraften Sie die Belastung ihres Zweitjobs?
Taylor: Ich freue mich unglaublich auf die beiden Spiele mit Polen. Ein Sieg noch -- und wir fahren zur WM! Seit zwei Jahren kämpfen wir für dieses Ziel. Wir wurden abgeschrieben, aber wir haben es allen gezeigt. Wir haben Kroatien geschlagen, gegen die Niederlande und in Italien gewonnen. Das Herz dieses Teams ist unglaublich. Ich will, dass sich diese tollen Jungs in die Geschichtsbücher eintragen. Das wäre erst die zweite WM-Teilnahme Polens. Zuletzt gelang das 1967, vor 52 Jahren. Für mich als Trainer ist es fantastisch, zwei so großartige Teams coachen zu dürfen wie Polen und die Towers.
Vier Wochen vor Play-off-Start könnten aber auch die Towers Sie gut gebrauchen.
Taylor: Meine Co-Trainer machen einen herausragenden Job. Benka Barloschky vertraue ich blind, mit Melvyn Wiredu haben wir den besten Athletikcoach der Liga. Wir können die Länderspielpause nutzen, um an vielen kleinen Dingen zu arbeiten, auch wenn ich nicht da bin. Zudem sind wir ständig im Kontakt. Ich sehe da keine Probleme.
Sollte sich Polen für die WM qualifizieren, werden Sie das Team dann auch im September in China betreuen?
Taylor: Ich habe mit unserem Sportchef Marvin Willoughby bereits über das Thema gesprochen. Eine WM ist etwas Großartiges. Aber ein Schritt nach dem anderen. Wenn man so lange an einem Ziel arbeitet, will man diese Once-in-a-Lifetime-Chance, diese einzigartige Gelegenheit auch wahrnehmen. Die oberste Priorität sind jetzt aber die Towers, dann die beiden WM-Qualifikationsspiele, dann die Endphase der Saison mit den Towers. Und im Sommer kann ich im Falle einer Qualifikation mit Polen über alles Weitere in Ruhe sprechen.
Mr. Taylor, wie sieht Ihre persönliche Bilanz nach einem halben Jahr Hamburg aus? Sind Sie in der Stadt angekommen?
Taylor: Ich bin gekommen, um zu bleiben. Hamburg könnte meine zweite Heimat werden. Meiner Familie und mir gefällt es hier sehr gut. Und die Towers sind ein hervorragend organisierter Verein. Hier ist vieles – fast alles möglich. Ich möchte ein Teil der Geschichte werden.
Demnächst können Sie ja auch den Bürgermeister kennenlernen.
Taylor: Wieso das?
Peter Tschentscher hat alle Hamburger Mannschaften eingeladen, mit ihm im Mai auf dem Rathausbalkon den Aufstieg in die Bundesliga zu feiern.
Taylor: Really? Wenn das keine Motivation ist. Ich würde gern neben dem Bürgermeister stehen.