Mit attraktivem Fußball hat Chiles Coach sein Team wieder zur WM geführt. Die “Vidal-Generation“ befindet sich spürbar im Aufwind.
Santiago de Chile. Chiles neuer Volksheld ist Argentinier und trägt den Spitznamen «El Loco». Marcelo Bielsa, der Verrückte, hat «La Roja» nach zwei vergeblichen Anläufen wieder auf die WM-Bühne zurückgeführt. Und das mit attraktiven Fußball. Schließlich fühlt sich der 54-Jährige wohler, «wenn mein Team mehr angreift als verteidigt».
Dabei schien die WM-Endrunde in Südafrika bei seinem Amtsantritt im August 2007 ein utopisches Ziel. Bielsa übernahm vom «Auslaufmodell» Nelson Acosta ein Team, das mit der 1:6-Klatsche gegen Brasilien wenige Wochen zuvor im Viertelfinale der Copa America einen sportlichen Offenbarungseid geleistet hatte.
Der Leumund der Spieler war zudem nach einem Trinkgelage im venezolanischen Copa-Quartier nicht der Beste. Bielsa, der bei der WM-Endrunde 2002 mit Argentinien in der Vorrunde gescheitert war, brachte aber für das in US-Dollar festgelegte Jahressalär von 1,8 Millionen System ins Spiel und Disziplin ins Team.
Die jungen Wilden wie Arturo Vidal vom Bundesligisten Bayer Leverkusen müssen an die Kandare genommen werden. Der 23-Jährige gehört der Talentriege um «Wunderkind» (nino maravilla) Alexis Sanchez an, die bei der U20-WM 2007 Dritter geworden war.
Der Aufschwung beim WM-Dritten von 1962 lohnt sich auch für die Spieler. Zahlreiche Akteure folgten in den letzten zwei Jahren Lockrufen ausländischer Klubs. Als Chile am vorletzten Spieltag mit dem 4:2 in Kolumbien als Zweiter hinter Brasilien das Südafrika-Ticket löste, stand Rodrigo Millar (Colo Colo) als einziger in der Heimat tätige Profi in der Startelf.
Auch wenn keiner in Europas Topklubs spielt, in Bielsas offensiv ausgerichtetem System mit drei Stürmern greifen die Teile. 18 der 32 Eliminatorias-Treffer fielen aus dem Spielfluss. Humberto Suazo (Real Saragossa/Spanien) wurde mit zehn Treffern gar bester Torschütze der Eliminatorias.
Im August 2007 noch auf Position 47 der FIFA-Weltrangliste geführt, fanden sich die Chilenen im März dieses Jahres auf Rang 13 wieder. Besser stand das Andenteam nur im Vorfeld der WM in Frankreich da, als es im April 1998 auf Platz sechs hoch ging.
Als Anerkennung schüttete Chiles Verband ANFP vier Millionen US-Dollar an Prämien aus. Die achte Endrunden-Teilnahme zahlt sich aber auch aus. Die Tageszeitung La Terceira rechnete schon in der Qualifikationsphase 40 Millionen Dollar Einnahmen aus TV-Verträgen, Antrittsgeldern und Werbung zusammen.
Deshalb wollen die Chilenen Bielsa schon jetzt bis 2015 binden, wenn die Andenrepublik turnusgemäß Copa-America-Ausrichter wäre. Doch der Argentinier mauert. «Nach der WM sehen, ob ich weitermache», verkündet der Vater des Erfolgs.
Der WM-Kader
Tor:
1 Claudio Bravo, Real S. San Sebastián, ESP, 13.03.1983
12 Miguel Pinto, Universidad Santiago, 04.07.1983
23 Luis Marin, Unión Española Santiago, 18.05.1983
Abwehr:
2 Ismael Fuentes, Universidad Católica, 04.08.1981
3 Waldo Ponce, Universidad Católica, 04.12.1982
4 Mauricio Isla, Udinese Calcio, ITA, 12.06.1988
5 Pablo Contreras, PAOK Saloniki, GRE, 11.09.1978
17 Gary Mede l, Boca Juniors Buenos Aires ,ARG, 03.08.1987
18 Gonzalo Jara, West Bromwich Albion, ENG, 29.08.1985
Mittelfeld:
6 Carlos Carmona, Reggina Calcio, ITA 21.02.1987
8 Arturo Vidal, Bayer Leverkusen, GER, 22.05.1987
10 Jorge Valdivia, FC Al-Ain UAE, 19.10.1983
11 Mark González, ZSKA Moskau, RUS, 10.07.1984
13 Marco Estrada, Universidad Santiago, 28.05.1983
14 Matías Fernández, Sporting Lissabon, POR ,15.05.1986
15 Jean Beausejour, América Mexiko-Stadt, MEX, 01.06.1984
19 Gonzalo Fierro, Flamengo Rio de Janeiro, BRA ,21.03.1983
20 Rodrigo Millar, Colo Colo Santiago, 03.11.1981
21 Rodrigo Tello, Besiktas Istanbul, TUR ,14.10.1979
Angriff:
7 Alexis Sánchez, Udinese Calcio, ITA, 19.12.1988
9 Humberto Suazo, Real Saragossa, ESP, 10.05.1981
16 Fabián Orellana, Deportivo Xerez, ESP, 27.01.1986
22 Esteban Paredes, Colo Colo Santiago, 01.08.1980
Trainer:
Marcelo Bielsa, 21.07.1955