Hamburg. Der Eigner von Brighton & Hove Albion, weiß, wie man zockt. Einigung mit dem begehrten Coach ist angeblich schon erzielt.
Sollte sich Andreas Bornemann demnächst tatsächlich mit Vertretern von Brighton & Hove Albion zusammensetzen, um über eine Freigabe von Trainer Fabian Hürzeler für den englischen Premier-League-Club zu verhandeln, dann bereitet sich der Geschäftsleiter Sport des FC St. Pauli besser auf einen knallharten Zock vor.
Brightons Mehrheitseigner und Geschäftsführer Tony Bloom (54) hat sein geschätztes Privatvermögen von 1,3 Milliarden Pfund schließlich als professioneller Pokerspieler aufgebaut. „The Lizard“ (die Eidechse) weiß, wie man blufft, den Gegenüber nervös macht, auf falsche Fährten lockt – und schließlich gewinnt.
Hürzeler möchte in die Premier League wechseln
Am Donnerstag tauchten in England erste Meldungen vom Interesse Brightons an Hürzeler auf, dann war von Gesprächen mit Beratern des 31-Jährigen die Rede, am Sonnabendvormittag erfuhr das Abendblatt, dass auch Gespräche mit Hürzeler stattgefunden haben sollen.
Diese verliefen positiv, Hürzeler wünsche sich einen Wechsel in die Premier League noch in diesem Sommer, hieß es. Einzig an der Ablöse hänge es jetzt noch. Der FC St. Pauli reagierte auf Nachfrage nach all diesen Meldungen, wie er es bei nicht final geklärten Personalfragen immer tut: „Wir kommentieren Gerüchte nicht.“
Brighton sucht Nachfolger für De Zerbi
Allerdings berichtete ebenfalls am Sonnabend der gewöhnlich gut informierte italienische Transferinsider Fabrizio Romano, dass „Verhandlungen über eine Ablöse zwischen den Vereinen laufen“. Das wurde dem Abendblatt auch aus Brighton bestätigt: „Es gab jetzt erste Gespräche, aber noch wurde nichts beschlossen.“
Brighton sucht einen Nachfolger für den Italiener Roberto De Zerbi (45), der den Verein trotz bis 2026 laufenden Vertrages im Sommer verlässt, und dessen Spielstil dem Hürzelers sehr ähnlich ist. Auch Brightons vereinsloser Ex-Trainer Graham Potter (49) sowie der Schwede Henrik Rydström (48) von Malmö FF sollen zum Kandidatenkreis zählen.
Hürzeler hat Vertrag ohne Ausstiegsklausel
Der Kiezclub soll angeblich erst am Freitagmorgen vom Kontakt zwischen den „Seagulls“ und Hürzeler erfahren haben. Ein kritischer Punkt soll bereits geklärt sein: das Governing Body Endorsement. Die Arbeitserlaubnis, die EU-Bürger brauchen, um seit dem Brexit in Großbritannien zu arbeiten, würde rechtzeitig erteilt werden. Der Prozess kann im Normalfall bis zu acht Wochen dauern.
Der Bundesliga-Aufsteiger hat bei dem anstehenden Poker tatsächlich die besseren Karten, sozusagen. Nämlich einen erst im März nach ewig langen Verhandlungen bis 2026 verlängerten Vertrag von Hürzeler ohne Ausstiegsklausel. Das wird einen Profi wie Tony Bloom aber wenig interessieren, er soll mit dem kolportierten Willen Hürzelers dagegenhalten, unbedingt auf die Insel zu kommen, wo er dann der bislang jüngste Cheftrainer in der Premier League würde.
Hürzeler hat in Brighton hospitiert, er hat De Zerbi als Vorbild benannt, natürlich reizt ihn die Premier League. Zumal Pokerspieler Bloom wirklich innovative Wege geht. Dem Briten gehört auch der belgische Spitzenclub Royale Union Saint-Gilloise, dessen Erfolg auf datenbasierten Transfers beruht.
Wer da wie am Ende den Pott gewinnt, ist unabsehbar. Sollte Bornemann schließlich einem Abgang seines Chefcoaches zustimmen, dann muss die Ablösesumme so hoch sein, dass sie St. Pauli ausreichende Möglichkeiten gibt, das Team bundesligatauglich zusammenzustellen – und vielleicht sogar auch noch die 4,9 Millionen Euro Fehlbetrag aus dem Vorjahr auszugleichen.
Engländer haben 204 Millionben Pfund Gewinn gemacht
Denn über die mehrmals genannte Ablöse von zehn Millionen Euro könnte Brighton & Hove nur lachen – wenn sie es denn wirklich ernst meinen. Als der FC Chelsea im September 2022 Graham Potter aus seinem Vertrag herauskaufte, floss eine Ablöse von 21,5 Millionen Pfund (25,3 Millionen Euro). Für Julian Nagelsmann bezahlte der FC Bayern München 2023 übrigens auch 25 Millionen Euro an RB Leipzig. Da könnte man ja mal ansetzen, als FC St. Pauli.
Zumal Brighton in der vorvergangenen Saison einen Gewinn von 204,5 Millionen Pfund (240 Millionen Euro) gemacht hat. Den Kaderwert des Elften der Premier League beziffert „Transfermarkt.de“ für die abgelaufene Saison mit 511,75 Millionen Euro, der des FC St. Pauli soll bei 38,3 Millionen Euro liegen.
Suche nach einem Nachfolger schwierig
„Bei der Kaderplanung liegt nicht alles in unseren Händen“, hatte Bornemann im Gespräch mit dem Abendblatt kurz nach der gewonnenen Zweitliga-Meisterschaft gesagt. Nach dem Verhandlungsmarathon mit Hürzeler über die Verlängerung könnte er schon geahnt oder vielleicht auch gewusst haben, dass der Trainer doch schneller St. Pauli verlassen möchte, als erhofft. Seine Unterschrift wäre dann noch ein letztes gutes Werk für den Club gewesen, der ihm schließlich die Möglichkeit gab, sich als junger Cheftrainer zu beweisen. Es gab jedenfalls bei der Einigung eine Absprache, dass sich im Fall des Interesses eines anderen Vereins eine Lösung finden werde.
Womöglich muss St. Pauli für den Nachfolger von Hürzeler selbst Geld für eine Ablösesumme in die Hand nehmen. Der Aufstieg trägt sehr deutlich Hürzelers Handschrift. Um da anknüpfen zu können, bräuchte es einen ähnlich tickenden Nachfolger. Bevor Bornemann und die übrigen Verantwortlichen hier keine Lösung gefunden haben, wird es wohl kein Ja zu einem Wechsel geben. „Der Deal wird über die Bühne gehen“, prophezeite jedoch ein Insider dem Abendblatt.
Auch St. Paulis Spieler sind begehrt
Was das dann für den Bundesliga-Aufsteiger bedeutet, ist derzeit völlig unklar. Spieler wie Eric Smith, Manolis Saliakas und Elias Saad haben bereits das Interesse anderer Vereine auf sich gezogen. Das Team war insgesamt stark auf Hürzeler und seinen Stil eingeschworen, wie groß die Motivation ist zu bleiben, wenn der „Chef“ nicht mehr da ist, wird man sehen. Die Co-Trainer Peter Nemeth und Marco Knoop (Torhüter) haben ihrerseits gerade erst ihre Verträge verlängert, nachdem Hürzeler unterschrieben hatte.
All das könnte bei einem Verlust des Trainers eine äußerst fragile Situation werden, die für Bornemann und Kaderplaner Jan Sandmann wahrscheinlich die schwierigste Aufgabe der vergangenen Jahre würde. Die Euphorie nach Aufstieg und Meisterschaft ist rund um das Millerntor jedenfalls schon verflogen.
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„Geld regiert die Welt“, „Charakter hat Hürzeler keinen“, „15 Millionen rüber und ihr könnt ihn haben“, „der Anfang vom Ende“, kommentieren manche enttäuschte Fans in den Sozialen Netzwerken. Die Hoffnung einiger nach Kontinuität und Identifikation, nach einem Trainer, der bleibt, wie Christian Streich oder Frank Schmidt, ist wieder einmal dahin. „Der Profifußball im Allgemeinen hat nicht nur ein Glaubwürdigkeits-, sondern auch ein Wettbewerbsproblem. Durch das geschäftliche Gebaren des Profifußballs werden Menschen von diesem Sport abgestoßen“, sagte Präsident Oke Göttlich vor zwei Jahren: „Das ist auch für den FC St. Pauli eine Herausforderung.“
Jetzt steht er wieder vor einer.