Hamburg. Der Aufstiegsexperte wird seinem Ruf gerecht. Was seine Arbeit auszeichnete und warum er nicht weitermachen wird.
Vielleicht ist die Erklärung eine ganz einfache. Hinnerk Smolka ist Aufstiegsexperte. Aus der Bundesliga kann man aber nicht mehr aufsteigen.
Da erscheint es doch nur logisch, dass der Teamcoach und der FC St. Pauli nach erfüllter Aufstiegsmission ihre Zusammenarbeit nicht fortsetzen. Nun ja, erstaunlich und durchaus überraschend ist es allemal, war die mannschaftliche Geschlossenheit doch einer der Hauptgründe für den Zweitligatitel des Kiezclubs, und Smolka qua Berufsbezeichnung offenbar einer der Väter der Teamchemie.
Teamcoach Smolka macht beim FC St. Pauli nicht weiter
Kein Wunder also, dass der 41-Jährige verschnupft wirkt, als er zum Interviewtermin in „La Caffètteria“ in Hoheluft-Ost erscheint – allerdings im Wortsinn. Nach der langen Saison fuhr der Körper herunter, der Hamburger erkältete sich, den guten Kirschstreuselkuchen lehnt er ab, bestellt stattdessen Tee.
Mit dem FC St. Pauli, sich und seiner Arbeit wirkt er dagegen völlig im Reinen. Zu schön sind die gemeinsamen Erfahrungen, zu dankbar ist er dem Verein für die Chance.
Sportchef Bornemann: „Sind froh, diesen Weg gegangen zu sein"
„Die Wege trennen sich.“ Mehr will Smolka nicht zur auslaufenden Zusammenarbeit sagen. „Wir sind immer bereit, neue Dinge auszuprobieren, wenn es dem Erfolg des FC St. Pauli dient. Dementsprechend sind wir froh, diesen Weg gegangen zu sein und wünschen Hinnerk für seinen weiteren Weg alles Gute“, wird Sportchef Andreas Bornemann in der Freitagnachmittag verschickten Pressemitteilung zitiert.
„Die Arbeit mit einer Profi-Fußballmannschaft ist für mich eine neue und besondere Herausforderung gewesen. Insbesondere unter Druck und im Umgang mit Konflikten zeigt sich, wie gut ein Team wirklich ist“, sagt Smolka darin.
Smolka ist zum fünften Mal aufgestiegen
Ganz gleich, wie man versucht, weitere Hintergründe zu erfahren, beim gebürtigen Münsteraner beißt man auf Granit. Auch bei Aussagen über einzelne Spieler windet sich Smolka aufs Äußerste und sagt dann letztlich äußerst wenig. Vertraulichkeit habe eben höchste Priorität bei seiner Arbeit.
Ein Credo, das sich auszahlt. Fünfmal ist Smolka als Teamcoach inzwischen aufgestiegen: Mit den Basketballern des SC Rist Wedel in die 2. Bundesliga ProB; mit den Hamburg Towers in die Bundesliga; mit dem Eimsbütteler TV in die U-19-Bundesliga sowie mit den ETV-Männern in die Regionalliga; und nun mit St. Pauli. Das ist nicht nur die Fähigkeit, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, da versteht jemand sein Fach.
St.-Pauli-Spieler: „Ohne Hinnerk wären wir nicht aufgestiegen"
„Hinnerk hat einen großen Anteil am Aufstieg“, sagte ein Spieler des FC St. Pauli bei der Meisterfeier im Schmidt-Theater. „Meinen Mehrwert sehe ich darin, aus der Komplexität eine Essenz zu kochen, die in den professionellen Ablauf, in dem zeitliche Ressourcen knapp sind, zu integrieren ist und sich nur mit dem Notwendigsten befasst“, fasst Smolka seine schwierig zu greifende Aufgabe selbst zusammen.
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Ganz vereinfacht ausgedrückt war der Sportwissenschaftler dafür zuständig, das Mannschaftsgefüge zu stärken, Konflikten vorzubeugen, Herausforderungen im Kollektiv zu bewältigen. Weil sich so etwas nicht messen lässt, haftet dem Teamcoaching mitunter etwas Esoterisches an.Smolka, seit mehr als 15 Jahren mit seinem Onkel Jörg (71) selbstständiger Teamcoach für Unternehmen, Konzerne und Vereine, lehnt diese Ansicht entschieden ab: „Um es deutlich zu machen: Es geht dabei ausschließlich darum, die Leistung einer Mannschaft in ihrem Kernbereich zu verbessern, nicht um Abseitiges.“
Kiezkicker klatschten sich auffällig häufig ab
Es benötigte Zeit, bis Smolka seine Praktiken implementieren konnte. Er hörte zu und beobachtete – jedes Training, jedes Spiel, per Video fast jede persönliche Interaktion.
Sichtbar wurde der zunehmend positive Umgang in den Spielen, als sich die Akteure auch nach Negativerlebnissen auffällig häufig abklatschten und einen Kreis bildeten, um sich zu besprechen, wenn es eine Unterbrechung gab. Die Mannschaft nahm sowohl die Gruppencoachings als auch die Einzelgespräche sehr gut an.
Cheftrainer Fabian Hürzeler schätzte Smolkas Arbeit. „Dieses Wir-Gefühl, dieses füreinander da sein, dieses füreinander freuen und die gegenseitige Unterstützung, das war in dieser Saison wirklich etwas Besonderes", sagte er. Das Verhältnis beruht auf Gegenseitigkeit.
Wahl und Irvine setzten positive Impulse zum Zweitligatitel
„Der FC St. Pauli war meine bislang höchste Kür. Allein schon wegen der großen Spieleranzahl, aber auch wegen der Sozialisierung von Profifußballern, die es schwierig macht, ein Teamcoaching zu implementieren. Die Jungs haben sich letztlich hierfür sehr geöffnet“, sagt Smolka, ein Mann mit Eindruck schindender Physis. Die Saison war allem Erfolg zum Trotz aber beileibe keine Kaffeefahrt, sondern vielmehr eine Achterbahn der Emotionen.
Für solche Phasen war Smolka geholt worden. Seinen Anteil will er nicht zu hoch hängen, lobt lieber Hauke Wahl und Jackson Irvine, die immer wieder positive Impulse gesetzt hätten.
Wie geht es für Teamcoach Smolka im Profisport weiter?
„Es ist uns gelungen, die Frage zu beantworten, wie mein Mitspieler von mir profitiert, ohne dass ich persönlich auf den ersten Blick direkt davon profitiere“, sagt Smolka. Stolz ist er darauf, dass das Team auch als Vorbild für jüngere Generationen diene und sich die Frage, wofür Teamcoaching gut sei, nach dem nächsten Aufstieg nun doch hoffentlich nicht mehr stelle: „Seit 15 Jahren bin ich von der Notwendigkeit und Wirksamkeit überzeugt, obwohl alle meinten, ich sehe Geister. Durch den wiedermaligen Erfolg wird die Existenzberechtigung endgültig gestärkt.“
Was nun ansteht, weiß Smolka nicht. Erst mal gesund werden, gegebenenfalls mit interessierten Proficlubs sprechen oder im In- und Ausland hospitieren. Ansonsten hat er nur eine Ein-Wort-Antwort parat, wie es weitergeht: „Erfolgreich.“