Hamburg. Ein Sieg in Wiesbaden, und der Millerntorclub ist sicher Meister der Zweiten Liga. Kurios ist, wann die DFL dann die Schale übergibt.
Zum Finale der Fußball-Zweitligasaison ein kleines Quiz: Was hat einen Durchmesser von rund 50 Zentimetern, ist achteinhalb Kilogramm schwer und hat sieben Strahlen, die die „Tugenden“ Leidenschaft, Teamgeist, Nervenstärke, Siegeswille, Technik, Taktik und Durchsetzungsvermögen symbolisieren sollen? Eine kleine Hilfestellung für all jene, die noch nicht wissen, was gemeint ist: In Fußballkreisen wird dieser Gegenstand leicht verächtlich, aber auch treffend als „Radkappe“ oder „Alufelge“ bezeichnet.
FC St. Pauli möchte auf der „Radkappe“ verewigt werden
Trommelwirbel und Tusch! Ja, es ist die Meisterschale der Zweiten Liga. Erst seit der Saison 2008/09 wird diese Trophäe an die Mannschaft verliehen, die die Saison im deutschen Fußball-Unterhaus als Spitzenreiter abschließt. Geschaffen hat sie der Gold- und Silberschmiedemeister Adolf Kunesch aus dem 11.000-Einwohner-Ort Rodenbach im Main-Kinzig-Kreis.
Es ist auf der Schale, die ein 1,2 Kilogramm schweres Bergkristall in der Mitte ziert, noch reichlich Platz für Vereinsnamen. Einer, der bisher noch nicht darauf verewigt ist, wird jetzt dazukommen: Der FC St. Pauli oder die Kieler SV Holstein. Beide stehen seit dem vergangenen Wochenende als direkte Aufsteiger in die Bundesliga fest, mit einem Vorsprung von einem Punkt geht der Millerntorclub quasi aus der Pole Position ins letzte 90-Minuten-Rennen.
Meisterschale ist am Sonntag in Hannover
Während der Hamburger Stadtteilclub bei dem gegen den direkten Abstieg kämpfenden Tabellen-16. SV Wehen Wiesbaden anzutreten hat, müssen die Kieler beim Sechsten Hannover 96 auflaufen, der die Saison im besten Fall noch als Vierter abschließen kann.
Kuriosität am Rande: Ist es sonst auch in der Bundesliga üblich, dass sich am letzten Spieltag die Meisterschale in jenem Stadion befindet, in dem der aktuelle Tabellenführer antritt, und gegebenenfalls ein Duplikat dort, wo der Zweitplatzierte spielt, gibt es diesmal eine Abkehr von dieser Regel.
DFL bricht in diesem Jahr mit einer Regel
Die „Radkappe“ wird am Sonntag in Hannover von DFL-Geschäftsführer Marc Lenz und dem DFL-Geschäftsleitungsmitglied Ansgar Schwenken gehütet, um sie eventuell den Kieler Spielern übergeben zu können. Wird dagegen der FC St. Pauli Meister, findet die Übergabe erst am Pfingstmontag im Rahmen der Saisonabschlussfeier auf dem Spielbudenplatz statt – dann durch den zweiten DFL-Geschäftsführer Steffen Merkel und ebenfalls Schwenken. Gegen 17.30 Uhr soll sich die Mannschaft dort zeigen.
Auf Abendblatt-Nachfrage bestätigte ein Sprecher des FC St. Pauli am Freitag, dass es der Wunsch des Kiezclubs gewesen sei, die Übergabe der Meisterschale vor möglichst vielen eigenen Fans zu vollziehen. Zu diesem Zeitpunkt war auch noch nicht bekannt, dass der SV Wehen Wiesbaden nicht nur pflichtgemäß 1500 sondern 3300 Tickets für St.-Pauli-Anhänger zur Verfügung stellt. Auf dem Spielbudenplatz wird eine mittlere fünfstellige Zahl von Feierwilligen erwartet.
St. Pauli wollte Übergabe auf dem Spielbudenplatz
Die symbolisch so tugendhafte Trophäe ist die eine Sache, das mit Zweitligaplatz eins verbundene Fernsehgeld eine andere, wirtschaftlich auf jeden Fall interessante Angelegenheit. Erhielte der FC St. Pauli als diesjähriger Zweitligameister im Laufe der kommenden Bundesligasaison rund 33,64 Millionen Euro, wären es als Vizemeister rund zwei Millionen Euro weniger. Beides bedeutet zwar ein Riesenplus gegenüber den 11,74 Millionen Euro, die St. Pauli in der laufenden Spielzeit bekommt, aber der Unterschied ist für einen Aufsteiger durchaus signifikant.
Es ist vor allem eine Summe, die bei der Verpflichtung von bundesligareifen Verstärkungen durchaus schon eine Rolle spielen kann, welche Ablösesumme und welches Gehalt für einen Topspieler zahlbar ist. Zudem hat eine bessere Platzierung in jedem Fall auch positive Auswirkungen auf die nächsten Jahre. „Wir wissen, dass es ein wichtiger Nebeneffekt ist, der dem Verein auch guttut, aber das sollte für uns nicht im Vordergrund stehen und ist nicht unser Hauptantrieb. Wir spielen auch nicht fürs Geld. Wir machen es in erster Linie dafür, die Stadt und die Fans, die uns zu jedem Auswärtsspiel begleiten, zu begeistern. Wir wollen ihnen etwas zurückgeben“, betonte St. Paulis Trainer Fabian Hürzeler am Freitag.
Hürzeler: „Geld ist nicht unser Hauptantrieb“
Nach dem am vergangenen Sonntag realisierten und entsprechend gefeierten Aufstieg befindet sich das Team seit Mittwoch wieder im Training. Um die Verletzungsgefahr nach den kurzen Nächsten zuvor zu minimieren, habe er zunächst im Training „die Zügel etwas losgelassen“ berichtete Hürzeler, also auf eine hohe Intensität verzichtet.
Dennoch erwartet er am Sonntag, dass sein Team seine volle Leistung auf den Platz bringt. „Ob die Spieler jetzt befreiter aufspielen, ob sie auch im Spiel den letzten Schritt machen oder es nicht tun, ist auch sehr individuell. Ich verlange das aber, weil es auch mit Charakter zu tun hat“, betont er.
Hürzeler appeliert an den Charakter seiner Spieler
Er selbst habe am Dienstag schon wieder angefangen, sich mit dem kommenden Gegner zu befassen. Zum einen könne er von seinen Spielern nur das verlangen, was er selbst vorlebe. Zum anderen sei es für ihn „Leidenschaft und kein Zwang“, sich die jüngsten Spiele von Wehen Wiesbaden anzuschauen und sie zu analysieren. „Wir haben gegenüber dem Verein und Stadt gewisse Verpflichtungen“, mahnte er zudem an.
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3300 Karten hat der SV Wehen Wiesbaden den St.-Pauli-Fans zur Verfügung gestellt und damit mehr als doppelt so viele als in den DFL-Statuten vorgeschrieben. 800 Anhänger werden in einem Sonderzug die Reise in die hessische Landeshauptstadt antreten, ehe am Montag die Feierlichkeiten zum Aufstieg gegen 13.30 Uhr auf dem Rathausmarkt beginnen und nach einem Demonstrationszug zum Spielbudenplatz dort bis in die Nacht fortgesetzt werden.
Fans diskutieren: Soll St. Pauli ausgerechnet Rostock helfen?
Unterdessen wird unter den St.-Pauli-Fans eifrig und kontrovers diskutiert, ob ein Sieg der eigenen Mannschaft beim SV Wehen Wiesbaden (16., 32 Punkte) überhaupt wünschenswert sei, weil dadurch dem ungeliebten FC Hansa Rostock (17., 31 Punkte) noch die Chance auf die Relegation und damit eventuell auch den Klassenverbleib eröffnet werde.
Im St.-Pauli-Forum gab jetzt „Dionysos“ die Gefühlslage vieler recht treffend wieder: „Einerseits wäre es schon schräg, wenn wir durch einen Sieg Rostock helfen würden, andererseits mag ich es nicht, wenn Mannschaften Spiele ,abschenken’ oder zumindest nicht ,alles’ geben.“
St. Pauli nach Sperre wieder mit Saliakas
Einig sind sich die Fans darin, dass Rostock am besten sein eigenes Heimspiel gegen Paderborn nicht gewinnt. „Es ärgert mich heute noch, dass wir 2010 die Radkappe noch am letzten Spieltag verdaddelt haben. Her mit dem Ding!“, fordert „El Veteran“. Schließlich ist eine der auf der Meisterschale symbolisierten Tugenden der Siegeswille.
SV Wehen Wiesbaden: Stritzel – Angha, Mathisen, Vukotic – Mockenhaupt, Heußer, Jacobsen, Goppel – Bätzner – Agrafiotis, Prtajin.
FC St. Pauli: Vasilj – Wahl, Smith, Mets – Saliakas, Irvine, Hartel, Ritzka – Afolayan, Eggestein, Saad.