Hamburg. Nur noch drei Punkte bis zum Aufstieg. Welchen Schönheitsfleck St. Paulis Trainer Hürzeler im Stadtderby beim HSV beseitigen will.
Als Schiedsrichter Harm Osmers am Sonnabendabend um kurz nach halb elf in der Veltins-Arena endlich das Topspiel der Zweiten Liga abgepfiffen hatte, stand fest, dass es am kommenden Freitagabend im Hamburger Volksparkstadion zu genau jenem Szenario kommen wird, über das schon seit Wochen rund um das Millerntor eifrig gefachsimpelt wird.
FC St. Pauli braucht noch drei Punkte zum sicheren Aufstieg
Zu den Fakten: Nach dem 1:0-Sieg des FC St. Pauli am Freitagabend gegen den ungeliebten Nordrivalen Hansa Rostock kam 26 Stunden später der Tabellendritte Fortuna Düsseldorf im beschriebenen Abendspiel beim FC Schalke 04 nicht über ein 1:1 hinaus. Drei Spieltage vor dem Saisonende hat St. Pauli seinen Vorsprung auf die Rheinländer von fünf auf sieben Punkte ausgebaut.
Logische Folge: Das Team vom Kiez, das dank der 1:3-Heimniederlage von Holstein Kiel gegen Kaiserslautern auch wieder Tabellenführer ist, benötigt nur noch drei Punkte, um sicher in die Bundesliga aufzusteigen.
St. Pauli hat in der Rückrunde nicht einmal unentschieden gespielt
Diese drei Punkte kann man zwar auch mit drei Unentschieden ergattern, doch seit Rückrundenbeginn hat das St.-Pauli-Team diese meist unbefriedigenden Punkteteilungen für sich kurzerhand mal abgeschafft, nachdem es in der Hinrunde derer neun in 17 Spielen gegeben hatte. Lieber mal das eine oder andere Spiel verlieren, um dann alle anderen zu gewinnen, ist jetzt offenbar das Motto. Also lautet die klare Marschroute für das Saisonfinale, jetzt mindestens einen Sieg einzufahren.
Wo der am besten stattfinden soll, gaben nach dem Sieg gegen Rostock die St.-Pauli-Fans auf der Südtribüne den Spielern auch schon mal mit auf den Weg. „Auswärtssieg, Auswärtssieg“, skandierten sie, als sich die Mannschaft nach ausgiebigem Jubel inklusive Tanzeinlage irgendwann gen Kabinengang bewegte.
Die Spieler nahmen diese Aufforderung bereitwillig an. „Es ist definitiv das Ziel, dass wir nächste Woche gegen den HSV auf drei Punkte spielen und am Ende auch als Gewinner vom Platz gehen wollen“, bestätigte etwa Marcel Hartel.
Nach dem Stadtderby gegen zwei Abstiegskandidaten
Das Stadtderby ist für den FC St. Pauli auf seinem Weg in die Fußball-Bundesliga jetzt also der erste von drei Matchbällen. Um in der Tennissprache zu bleiben, steht es im entscheidenden Satz 5:4 und 40:0. Sollte es beim HSV nicht klappen, bliebe immer noch das Heimspiel am 12. Mai gegen Ligaschlusslicht VfL Osnabrück und eine Woche später das Auswärtsspiel beim ebenfalls abstiegsbedrohten SV Wehen Wiesbaden (16.).
Doch zu einem Showdown am letzten Spieltag, an dem bekanntermaßen häufig die verrücktesten Dinge passieren, wollen es die St. Paulianer nicht kommen lassen. Trainer Fabian Hürzeler ließ denn schon nach dem 1:0 gegen Rostock, als er noch nicht wissen konnte, dass im Volkspark auch schon der Aufstieg sichergestellt werden kann, keinen Zweifel an seinem Ehrgeiz aufkommen, das Stadtderby beim HSV zu gewinnen.
Trainer Hürzeler will sein erstes Stadtderby als Cheftrainer gewinnen
Die Tatsache, dass St. Pauli erstmals seit 1954 eine Saison vor dem HSV abschließen wird, reicht ihm nicht. „Das Stadtderby hat eine Bedeutung für sich. Ich habe noch keines als Cheftrainer gewinnen können. Dementsprechend ist da auch eine gewisse Verantwortung in meiner Person und auch gegenüber den Fans, dass wir ihnen das schenken können“, sagte er. „Um die Nummer eins der Stadt zu sein, musst du auch in so einem Spiel gut bestehen.“
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Die Stimmung im Stadion und im Umfeld hatte beim Nordduell gegen Rostock schon einen Vorgeschmack auf das geliefert, was am Freitag zu erwarten ist. Dies geht auch an dem außerhalb der Spiele so akribisch analysierenden Fabian Hürzeler nicht vorbei. „Du merkst einfach, wie wichtig so ein Derby ist. Du merkst es, wenn du zum Stadion fährst, wenn du einläufst, dass es kein normales Zweitligaspiel ist“, stellte er jetzt fest.
„Ich bin derjenige, der gern etwas zurückgibt und den Fans für die Unterstützung dankt. Aber Worte reichen nicht, du musst auch Taten folgen lassen. Daher versuchen wir, ihnen auch im Stadtderby einen schönen Abend zu bereiten“, sagte er weiter.
Hürzelers Erfolgsbilanz: 104 Punkte aus 48 Spielen
In Hürzelers atemberaubender Erfolgsbilanz als Cheftrainer des FC St. Pauli (104 Punkte aus 48 Spielen) sind die beiden bisherigen Spiele gegen den HSV tatsächlich ein kleiner Schönheitsfleck angesichts des 3:4 im Volkspark vor rund einem Jahr und dem 2:2 im Hinspiel dieser Saison. Gegen jede andere Mannschaft der Zweiten Liga, gegen die St. Pauli unter Hürzelers Regie zweimal oder öfter gespielt hat, gab es mindestens einen Sieg.
Seine eigene Gemütslage in der entscheidenden Phase der Saison und speziell vor dem Stadtderby beschrieb Hürzeler als „angespannt, aber nicht nervös“, weil er ein großes Vertrauen in seine Spieler und seine Mannschaft habe. Er wurde sogar leicht philosophisch: „Der Mensch definiert sich viel darüber, was er denkt und welche Emotionen er hat. Es gibt das Sprichwort: Du bist der Designer deines Lebens. Das nehme ich mir schon sehr zu Herzen, indem ich versuche, viel positiv zu denken und gegenüber der Mannschaft diese positive Ausstrahlung zu haben.“
Torschütze Irvine schwärmt von Spiee mit großer Rivalität
Bei Kapitän Jackson Irvine, Kopfball-Torschütze zum 1:0, ist dies definitiv auf fruchtbaren Boden gefallen. „Das ist das, wofür man Fußballer lebt: Freitagabend, wichtige Spiele, große Rivalität“, sagte er mit Blick auf die Partien gegen Rostock und auch schon den HSV.
Einen kollektiven Fußball-Fernsehabend hatte das Team für das Spiel der Düsseldorfer auf Schalke übrigens nicht organisiert und damit auch untermauert, dass der Fokus nur auf den eigenen Aufgaben liegt.
St. Paulis Abwehrchef Wahl: „Ganz Hamburg schaut auf dieses Spiel“
Abwehrchef Hauke Wahl verriet sogar: „Ich habe so viel mit Fußball zu tun, dass ich selten auch noch Fußball schaue. Ich werde Zeit mit der Familie verbringen, da spielt Fußball nicht die erste Rolle. Im Liveticker werde ich es aber ein bisschen verfolgen.“ So erfuhr er dann auch, dass er und seine Kollegen am Freitag ihren ersten Aufstiegsmatchball haben. Ohnehin wusste er auch schon vorher: „Jetzt schaut ganz Hamburg auf das Spiel.“