Hamburg. St. Paulis bisher letzter Aufstiegstrainer hat einen speziellen Ratschlag für den Zweitliga-Spitzenreiter – und hofft auch auf den HSV.

Seine gewohnt kräftige Stimme klingt etwas heiser, als das Abendblatt Holger Stanislawski erreicht. Eine leichte Mandelentzündung hat den 54 Jahre alten Aufstiegshelden des FC St. Pauli früherer Jahre erwischt, was ihn allerdings nicht daran hindert, meinungsstark darüber zu sprechen, was die aktuelle Mannschaft vom Millerntor in den kommenden Wochen erwartet. Und was von ihr in dieser Schlussphase der Saison zu erwarten ist.

Die zentrale Frage ist dabei, wie eine Mannschaft mit einem scheinbar so sicheren Zehn-Punkte-Vorsprung auf den Relegationsplatz und den allgegenwärtigen Lobhudeleien nicht nur der eigenen Anhänger, sondern auch der gegnerischen Trainer umgeht, um im letzten Viertel der Saison nicht doch noch vom Erfolgsweg abzukommen und im schlimmsten Fall alles zu verspielen.

An St. Paulis jüngsten drei Bundesliga-Aufstiegen wirkte Stanislawski mit

Holger Stanislawski weiß aus eigener Erfahrung, wie man mit dem FC St. Pauli in die Bundesliga aufsteigt. Im Frühjahr 2010 gelang ihm dies als Trainer einer Mannschaft, die er schon drei Jahre zuvor aus der damals drittklassigen Regionalliga in die Zweite Liga geführt hatte. Aber auch als Spieler, genauer gesagt als Innenverteidiger und defensiver Mittelfeldspieler des Millerntor-Clubs, hat er sowohl im Frühjahr 1995 unter Trainer Uli Maslo (heute 85) als auch sechs Jahre später unter Dietmar Demuth (69) den Sprung in die Erstklassigkeit geschafft.

„Du bist der Gejagte. Alle warten darauf, dass du mal wieder ein Spiel verlierst und irgendwo eine Schwäche zeigst“, beschreibt der frühere Kapitän Stanislawski die Situation des Tabellenführers. Zweimal ist dies in der aktuellen Zweitliga-Rückrunde dem Team von Trainer Fabian Hürzeler ja auch schon widerfahren, nachdem es in der gesamten Hinrunde ungeschlagen geblieben war.

St. Pauli stehr vor den letzten acht Saisonspielen

Doch wie die Truppe vor allem zuletzt auf die 1:3-Niederlage beim FC Schalke 04 am 1. März reagiert hat, überzeugt ihn. „Sie haben auf Schalke wirklich nicht gut gespielt, aber sie konnten den Schalter sofort wieder umstellen und konstante Leistungen gegen Hertha BSC und zuletzt beim 1. FC Nürnberg zeigen“, sagt Stanislawski über die beiden jüngsten 2:0-Siege. „Es wirkt alles so stabil und konzentriert. Sie spielen ihren Stil“, betont er.

Genau das müsse die Mannschaft auch beibehalten, da beginnend mit dem Heimspiel gegen den SC Paderborn am kommenden Sonntag (13.30 Uhr) nur noch acht Spiele anstehen. „Das Wichtigste ist, dass man nicht plötzlich meint, jetzt noch irgendetwas anders machen zu müssen“, sagt er. Gerade weil das Team aus seiner Sicht die „stärkste und auch konstanteste Mannschaft der Liga“ sei, könne die Devise nur lauten: „Alles so weitermachen wie bisher“.

Stanislawski betont Anteil von Trainer Hürzeler am Erfolg

Für Stanislawski, der seine Trainerkarriere nach den Stationen St. Pauli, TSG Hoffenheim und 1. FC Köln im Sommer 2013 vorerst beendet hatte und seit vielen Jahren Geschäftsführer des Rewe-Marktes in Winterhude ist, besteht kein Zweifel, wer den größten Anteil an der sportlich so positiven Entwicklung seines Herzensclubs hat: Trainer Fabian Hürzeler.

„Der Trainer stellt ja nicht nur eine Mannschaft auf. Er gibt vor, wie sie spielen soll. Sowohl die defensive als auch die offensive Grundordnung sind klar zu erkennen. Das hat er den Jungs implementiert, und sie haben es verinnerlicht“, lobt er. Dazu stimme die ganze Mischung im Team.

Vertragverlängerung mit Hürzeler kam gerade noch rechtzeitig

Gespannt hat der frühere Führungsspieler und Cheftrainer zuletzt auch die zähen Vertragsverhandlungen mit dem so gelobten Trainer Hürzeler verfolgt, die Anfang des Monats dann doch noch in einer Einigung über eine weitere Zusammenarbeit mündeten. „Das war dann auch der richtige Zeitpunkt. Es ist schon wichtig, dass die Trainerfrage jetzt geklärt ist, weil es am Ende doch ablenkt“, stellt er treffend fest und blickt schon optimistisch auf die kommende Saison: „Es können alle glücklich sein, dass es in dieser Konstellation auch in Liga eins weitergeht.“

Doch was empfiehlt er, damit das Abenteuer Bundesliga nicht sofort wieder, wie bei nach den beiden jüngsten Aufstiegen, gleich wieder zum Abstieg führt? „Es wird auch in der Bundesliga darauf ankommen, sich darauf zu besinnen, was man besonders gut kann“, sagt er und nennt konkret die defensive Disziplin und den Stil, von hinten heraus das Spiel aufzubauen, anstatt den „Ball nach vorn zu ballern“.

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In den vergangenen Jahren habe es ja mehrere Beispiele gegeben, dass sich Aufsteiger in der Ersten Liga auch halten können. „Man sieht es ja in dieser Saison an Heidenheim, dass sie mit ihren Qualitäten als gefestigte Truppe in der Bundesliga bestehen können“, sagt Stanislawski. „Warum soll das St. Pauli mit seinen speziellen Qualitäten nicht auch gelingen? Du bist als Aufsteiger nicht chancenlos.“

St. Pauli kann auch in der Bundesliga auf eingespieltes Team setzen

Ein Pluspunkt sei dabei vor allem, dass die St. Paulianer auf ein eingespieltes Team setzen können, sofern „der Kern der Mannschaft so bleibt“. Aus seiner Sicht seien nur punktuelle Verstärkungen nötig, um den Kader noch etwas breiter aufzustellen. „Der Vorteil ist dann, dass der Trainer gar nicht mehr so sehr auf das Grundlegende achten muss, weil es die Jungs schon aufgesogen haben“, sagt er.

Doch vor der kommenden Bundesligasaison muss erst einmal der so zum Greifen nah erscheinende Aufstieg auch wirklich unter Dach und Fach gebracht werden. „Klar kommen jetzt noch ein paar fiese Partien, aber mich würde es stark wundern, wenn sie das am Ende nicht nach Hause bringen“, sagt Stanislawski und blickt dabei mit einem Auge auch zum Volkspark: „Vielleicht gehen ja auch beide Hamburger Clubs hoch. Das würde der Stadt erst recht guttun.“