Hamburg. Einige Leistungsträger könnte bei einem wahrscheinlichen Bundesliga-Aufstieg der Fluch der guten Tat ereilen. Wer gefährdet ist.

Johannes Eggestein war gewaltig genervt. Wie das aussieht, lässt sich gut am Gesicht des Mittelstürmers ablesen: Er lächelt. Wie ein gut gelaunter Eggestein aussieht, lässt sich nach Siegen noch häufiger beobachten: Dann lächelt er.

Quintessenz: Eggestein fühlt sich rundum wohl beim FC St. Pauli. Dass der derzeitige Siegeszug des Kiezclubs auf dem Weg in Richtung Bundesliga der Stimmung des 25-Jährigen keinen Abbruch tut, gehört als (Nicht-)Nachricht auch nicht in die Zeitung.

Wer schafft den Bundesliga-Aufstieg mit St. Pauli nicht?

Trotzdem könnte ihn eine sportliche Etage höher ein ähnliches Schicksal ereilen wie einige seiner Mitspieler. Nämlich gewaltig genervt zu sein, weil die Spielzeit zu schwinden droht. „Es hat mich schon gestört, die beiden vergangenen Partien kaum gespielt zu haben“, sagte Eggestein nach dem 2:0-Sieg am Sonntag gegen Hertha BSC.

Gegen Holstein Kiel (4:3) kam er gar nicht zum Einsatz, auf Schalke (1:3) nur eine Halbzeit. Als absoluter Teamspieler lächelt Eggestein Frust nach Siegen stets weg, ist mitunter auch gar nicht gefrustet. Auch nicht über seine Serie von nun zwölf Einsätzen ohne eigenen Treffer, dem spektakuläre fünf Zweitligaspiele mit sechs Toren vorausgegangen waren.

Eggestein: „Wichtig, Räume für meine Mitspieler zu schaffen"

„Mir ist es auch total wichtig, Räume für meine Mitspieler freizuziehen“, sagte Eggestein nach seinem 90-Minuten-Einsatz gegen Hertha. Und auch im Verein lächelt man Fragezeichen hinter der Bundesligaperspektive des Hannoveraners weg.

Zwar gilt es als wahrscheinlich, sich im Aufstiegsfall mit einem weiteren torgefährlichen Mittelstürmer zu verstärken, Eggestein könnte dann aber als Zuarbeiter fürs Übergangsspiel eingesetzt werden, dazu im Training die Konkurrenzsituation beleben. „In den vergangenen Einheiten habe ich richtig Gas gegeben“, sagte er. In der Konsequenz beförderte ihn Cheftrainer Fabian Hürzeler (31) wieder in die Startelf.

Bleiben die wenig eingesetzten Bankspieler?

Einige seiner Kollegen könnte allerdings der Fluch der guten Tat ereilen. Sie verhelfen St. Pauli zum Aufstieg auf Kosten eigener Einsatzzeiten in eine Liga, die sie dann womöglich an ihre Leistungsgrenze heranführt.

Dazu zählen Andreas Albers und Etienne Amenyido, deren auslaufende Verträge voraussichtlich nicht verlängert werden. Auch die wenig eingesetzten David Nemeth, Danel Sinani und Carlo Boukhalfa könnten sich Gedanken machen.

Sinani fühlt sich bei St. Pauli sehr wohl

Nach derzeitigem Stand ist es vor allem an den Akteuren selbst zu entscheiden, ob sie sich einen Verbleib in kleiner Rolle vorstellen können. Die Hamburger sind zufrieden mit der Motivation und den Trainingsleistungen dieser Spieler, doch die Konkurrenz auf den jeweiligen Positionen ist zu groß – was sich eine Liga höher nicht ändern dürfte.

Sinani fühle sich nach Abendblatt-Informationen aber sehr wohl bei St. Pauli und ist gewillt, sich in der Bundesliga durchzusetzen. Boukhalfa, der in sein finales Vertragsjahr geht, und Nemeth haben sich bislang noch keine tiefgehenderen Gedanken über ihre Zukunft gemacht.

Innenverteidigerposition soll verstärkt werden

Für den zweitgenannten Österreicher, mit 1,3 Millionen Euro der zweitteuerste Einkauf der Vereinsgeschichte, ist die Situation zwiespältig. Einerseits passen sein kluges Aufbauspiel und seine Physis gut in die Bundesliga, andererseits könnte sich St. Pauli auf der Innenverteidigerposition verstärken, was wiederum Auswirkungen auf das verlässliche, auf Bundesliganiveau aber unerprobte Duo Hauke Wahl und Karol Mets haben könnte.

Auswirkungen auf die kommenden Spiele wird diese Zukunftsmusik nicht haben. Wenn überhaupt, dann positive, weil die Kiezkicker sich beweisen wollen. Oder, wie es Hürzeler sagte: Niemand sei genervt, sondern „geil auf Leistung“.

Der FC St. Pauli hat die Marke von 40.000 Mitgliedern durchbrochen. Binnen zehn Jahren hat sich die Zahl damit verdoppelt.