Gelsenkirchen. Die Kiezkicker liefern die schwächste Begegnung der Saison ab und verlieren in Gelsenkirchen verdient. Ihr Spielmacher verletzt sich.
Das Steigerlied war gerade erst verklungen, die Partie 25 Sekunden jung, da versuchte sich Nikola Vasilj unter Gegnerdruck am Übersteiger – mit ein wenig Glück, aber letztlich auch Erfolg. 90 Spielminuten plus Nachspielzeit in der Veltins-Arena später war allerdings lediglich die Frage, ob der FC Schalke 04 ein Absteiger in spe ist, mit einem klaren Nein beantwortet.
Dass der FC St. Pauli hingegen ein angehender Aufsteiger sein soll, war am Freitagabend bei der 1:3 (0:1)-Niederlage indes in keinerlei Hinsicht zu erahnen. Die zweite Saisonniederlage der Mannschaft von Cheftrainer Fabian Hürzeler war hoch verdient.
FC St. Pauli verliert gegen FC Schalke 04
Dabei war es vor dem Anpfiff noch die einhellige Meinung gewesen, dass die Hamburger den zuletzt desolaten Revierclub, der kaum zu fassender Weise vor fünf Jahren noch im Achtelfinale der Champions League stand, mal eben im Vorübergehen in Richtung Belanglosigkeit abschafft wie die Braunkohleförderung.
Doch die Königsblauen zeigten eine bemerkenswerte Reaktion auf das 0:3-Debakel aus der Vorwoche beim 1. FC Magdeburg und können nun Hoffnung schöpfen.
Verletzung von Spielmacher Smith ausschlaggebend
Zur Wahrheit gehörte allerdings auch, dass der Tabellenführer früh tief in den Schacht gestoßen wurde. Connor Metcalfe, wie erwartet wieder in der Startelf, war gerade mit der ersten gefährlichen Chance an S04-Keeper Marius Müller gescheitert (10.), da gingen bei Eric Smith die Lichter aus.
Der Schwede blieb verletzt im Mittelkreis liegen, die Ferndiagnose deutete auf muskuläre Probleme im hinteren Oberschenkel hin. Ein Tiefschlag für St. Pauli, fortan ohne den zentralen Spielgestalter auskommen zu müssen. An dessen Stelle im Zentrum der Dreierkette rückte Hauke Wahl.
Malocher Dzwigala verteidigt gut
Hinein kam Adam Dzwigala – Typ ehrlicher und zuverlässiger Malocher. Aber eben auch zuletzt etwas außer Übung gekommen.
Gerade mal acht Minuten sammelte der Pole in den vorangegangenen elf Zweitligaspielen. Wie viel das auf Schalke zu bedeuten hatte, wurde direkt im ersten Zweikampf ersichtlich: gar nichts. Dzwigala stellte locker-lässig Zweitliga-Rekordtorschütze Simon Terodde kalt.
Nach vorn geht beim Kiezclub gar nichts
Defensiv hielt die beste Verteidigung der Spielklasse dank 60-prozentiger Quote in den direkten Duellen also auch ohne Smith zunächst stand. Das Problem: Das musste sie auch zwingend. Denn nach der Auswechslung des Skandinaviers waren die Angriffsbemühungen so einfallslos wie die Gestaltung der Gelsenkirchener Innenstadt.
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Von der Souveränität eines Spitzenreiters war nach einer Viertelstunde nichts mehr zu sehen, das Selbstvertrauen, das zu Übersteigern wie zu Beginn von Vasilj führte, wanderte mit jeder Minute Schalker Gegenpressings weiter unter Tage. Vertikalspiel, Klatschbewegungen, Tiefenläufe, selbst Tempodribblings – hatte man mal von gehört, aber im Ruhrpott nicht gesehen.
Schalker Führungstor fällt vor der Halbzeit
Zu keinem Zeitpunkt mehr in Hälfte eins gelang es, die Schalker Ketten per Passspiel zu überspielen. Hier war Smiths Fehlen offenkundig.
Die Hausherren gelangten dagegen in schöner Regelmäßigkeit mit Geschwindigkeit zum Strafraum, ohne dabei Ausbrüche an Kreativität zu verursachen. Es war eher Cleverness, die zur verdienten Führung des Außenseiters führte.
Hürzeler bringt Eggestein
Terodde ließ eine Hereingabe für Yusuf Kabadayi im Rücken durch, der Philipp Treu entwischt war (44.). St. Pauli zahlte die Zeche für den schwachen Auftritt.
Hürzeler zog den als Sturmspitze wahlweise blass gebliebenen oder in der Luft hängenden Marcel Hartel ins offensive Mittelfeld zurück, brachte mit Johannes Eggestein einen echten Neuner. Inwiefern die Maßnahme fruchtete, ließ sich nach dem Seitenwechsel nicht beurteilen.
Nur noch Schalke spielt nach vorn
Denn die Förderkapazitäten nach vorn schienen längst erschöpft zu sein. Für die Chronisten gab es einen weiteren Schuss von Metcalfe (58.), und dieser resultierte auch nur aus einem Schalker Fehlpass. Ansonsten war das 1:0 für die Gelsenkirchener längst hochverdient.
Gegen die mannorientierte und durch die zunehmend lautstarke Unterstützung des Publikums couragierte Arbeit gegen den Ball der Gastgeber fiel den Kiezkickern erschreckend wenig bis gar nichts ein. Anstatt der zündenden Idee kam es abermals zum Flächenbrand im eigenen Strafraum.
Vorentscheidung durch Doppeltorschütze
Aus einem Abstoß Müllers – ja, der durfte ab und an auch mal an den Ball – resultierte ein Terodde-Durchbruch, den Vasilj zunächst noch aufhalten konnte. Über Umwege und Karol Mets sprang der Ball dann aber erneut Kabadayi vor die Füße, der problemlos einschob (73.). Der Anschlusstreffer von Elias Saad kam zu spät (89.), zumal Kenan Karaman schnell wieder den alten Abstand herstellte (90.+2).
Bei noch zehn ausstehenden Partien ist der Aufstieg für den FC St. Pauli keineswegs ausgemachte Sache. Und in dieser Verfassung kann man dem Team für den Endspurt nur „Glück auf“ wünschen.
FC Schalke 04: Müller - Soppy (69. Brunner), Kalas, Schallenberg, Murkin - Kabadayi (77. Churlinov), Seguin, Ouwejan - Karaman - Terodde, Lasme (63. Topp).
FC St. Pauli: Vasilj - Wahl (85. Albers), Smith (12. Dzwigala), Mets - Saliakas, Kemlein (46. Eggestein), Irvine, Treu - Metcalfe (62. Saad), Hartel, Afolayan.
Tore: 1:0, 2:0 Kabadayi (44., 73.), 2:1 Saad (89.), 3:1 Karaman (90.+2). Schiedsrichter: Siebert (Berlin). Zuschauer: 61.497 (ausverkauft). Gelbe Karten: Soppy, Kabadayi (4), Churlinov (3). Statistiken: Torschüsse: 14:7; Ecken: 6:4; Ballbesitz: 44:56 Prozent; Zweikämpfe: 104:100; Laufleistung: 116,3:121,2 Kilometer.