Hamburg. Der Coach des FC St. Pauli nervt die Clubbosse in den Verhandlungen über seine Vertragsverlängerung mit überzogenen Forderungen.
Stellen Sie sich doch mal ein Paar vor, das sehr ernsthaft darüber nachdenkt zu heiraten. Als sie zusammensitzen, um alles zu besprechen, sagt einer der beiden, dass er diese Ehe wirklich sehr gerne eingehen möchte. Allerdings wolle er betonen, dass er die Beziehung sofort beenden werde, falls jemand hübscheres oder reicheres (idealerweise beides) Interesse an ihm zeige. Und: Er wolle selbstverständlich einen Ehevertrag, in dem steht, dass er in diesem Fall zu keinerlei finanziellem Ausgleich verpflichtet sei.
Nun, in diesem Szenario würde es wohl eher keine Hochzeit geben. Und sehr wahrscheinlich wären im Laufe des Gesprächs einige Worte aus der nicht ganz so jugendfreien Kategorie gefallen.
FC St. Pauli und Fabian Hürzeler: ein kritischer Beziehungsstatus
Derlei Verbalscharmützel sind vom FC St. Pauli und seinem Trainer zwar nicht überliefert, aber der Beziehungsstatus zwischen dem Club und Fabian Hürzeler ist längst im hochkritischen Bereich. Denn der gerade 31 Jahre alt gewordene Übungsleiter verhält sich in etwa so wie der oben beschriebene Bräutigam in spe. Er möchte seinen am 30. Juni 2024 um 24 Uhr auslaufenden Vertrag verlängern. Und er möchte eine Ausstiegsklausel, die vom 1. Juli 2024 an um 0.00 Uhr gültig ist.
Zurzeit wird offenbar wieder über Details dieser Klausel verhandelt – da geht es dann um Fristen, vielleicht doch fällige Ablösesummen und die etwaige Festlegung, dass nur besonders hübsche Nebenbuhlerinnen („Top-Clubs“) in Betracht kommen. Gutmeinende könnten glauben, da ringen zwei um Kompromisse – doch es sieht eher nach Zeitspiel aus.
Hürzelers Bedingungen sind für St. Pauli unannehmbar
Hürzeler und seine Berater wollen bisher von Forderung nach einer sofortigen Ausstiegsklausel nicht abrücken. In der Diplomatensprache nennt man das eine „conditio sine qua non“, eine „Bedingung, ohne die nicht…“ Nur dass diese Bedingung für den Club völlig unannehmbar ist – eine solche Vertragsklausel wäre wohl auch einmalig im deutschen Profifußball. Und so naht das Ende dieser so überaus erfolgreichen Beziehung, falls Hürzeler nicht nachgibt. Oder besser gesagt: zur Vernunft kommt. Denn er könnte mehr verlieren als nur Sympathien.
Das Talent des Trainers Hürzeler ist gewaltig, sein Ehrgeiz steht dem in nichts nach. Und jedem St.Pauli-Fan ist klar, dass der Coach am Millerntor keine Ära prägen, sondern früher oder später den Weg zu einem der Branchengrößen finden wird. Das würde ihm auch niemand übelnehmen. „Soll er doch verlängern. Und wenn ihn jemand will, sollen sie ihn eben rauskaufen.“ So oder so ähnlich äußern sich viele in Fankreisen – und sind zunehmend genervt. Doch Hürzeler will sich offenbar alle Optionen offenhalten, und zwar zu jedem Zeitpunkt.
Fußballromantisch Veranlagte – und von denen gibt es ja so einige rund ums Millerntor – werden denken: Mensch, Fabian. Wir haben Dich mit 27 zum Co-Trainer gemacht, Du konntest nebenbei Deine Pro-Lizenz machen. Mit 29 wurdest Du Chefcoach, und jetzt hast Du die Chance, den FC St. Pauli in der Bundesliga zu trainieren. Warum willst Du weg – Du hast doch noch so viel Zeit…? Aber Fabian Hürzeler ist kein Romantiker, und Dankbarkeit im Fußballgeschäft keine harte Währung.
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Hürzeler und der FC St. Pauli: Vernunftehe auf wackeliger Basis?
Falls Hürzeler nicht umdenkt, wird der Club irgendwann demnächst also die Verhandlungen für gescheitert erklären und sich auf Trainersuche begeben (müssen). Und dann begänne für den souveränen Tabellenführer der Zweiten Liga eine brisante, möglicherweise gefährliche – und den Aufstieg gefährdende – Phase. Denn es würde unweigerlich die Schuldfrage gestellt: im Club, bei den Fans, in den Medien.
Und die dürfte von den wenigsten zugunsten des Trainers beantwortet werden. Denn einerseits (angeblich) bleiben zu wollen, und andererseits unerfüllbare Bedingungen zu stellen, passt nun einmal nicht zusammen. Da will eben einer so schnell wie möglich nach ganz oben. Das ist natürlich legitim, aber das werden im Übrigen auch alle potenziell interessierten Erstliga-Clubs ganz genau beobachten. Denn auch sie sind dann ja vielleicht nur eine kurze Zwischenstation.
Ganz gleich, wie die Beziehungskrise ausgeht: Eine Liebesheirat wird es nicht mehr, vielleicht noch eine Vernunftehe auf Zeit. Mit allen Risiken und Nebenwirkungen.