Hamburg. Die Hamburger überzeugen auf mehreren Ebenen und beweisen, dass sie für den Aufstieg in die Bundesliga gerüstet sind.

Fabian Hürzeler hatte Glück. „Eigentlich wollte ich hinlaufen und das Ding wegwerfen“, sagte der Cheftrainer über den Böllerwurf eines Zuschauers von der Gegengeraden nach dem 1:0-Führungstreffer des FC St. Pauli in Richtung Spielerbank.

Verletzt wurde glücklicherweise niemand, auch Hürzeler war kurz vor der durchs Millerntor-Stadion hallenden Detonation abgedreht. „Unschön“ fand er diese gemeingefährliche wie hirnrissige Aktion, deren Tatverdächtiger schnell dingfest gemacht worden war.

FC St. Pauli dominiert im Spitzenspiel

Die Symbolik eines Knallerentschärfers Hürzelers hätte auch nicht gepasst. Schließlich ist er längst dafür da, die Kracher zu produzieren – in symbiotischer Coproduktion mit seiner Mannschaft.

Das 3:2 (2:1) im Spitzenspiel gegen die vor dem Spieltag zweitplatzierte SpVgg Greuther Fürth war solch eine kleine Schockwelle, die die Kiezkicker erneut durch die Zweite Liga schickten. Nicht unbedingt der Sieg des Tabellenführers kam überraschend, die Art und Weise sowie die damit einhergehenden Umstände umso mehr.

Sechs Punkte Vorsprung auf den Relegationsplatz

Sechs Punkte Vorsprung haben die Hamburger nun vor dem Relegationsplatz drei. Es ist nach drei Siegen zum Auftakt in die Rückrunde logisch, worauf es im restlichen Saisonverlauf hinausläuft.

Mit scherzhaften Gratulationen zum Klassenerhalt und ernsthaften Nachfragen zum Aufstieg wollte sich Hürzeler aber nicht befassen. „Nach dieser Woche sollten wir mehr denn je wissen, was eine Momentaufnahme im Fußball ist. Unter der Woche war die Gefühlslage noch so, als seien wir im Abstiegskampf“, sagte er und leitete damit zu einer weiteren Demonstration der Stärke seines Teams über.

Hartel: "Dienstag war der härteste Moment meiner Karriere"

Das bittere Aus im DFB-Pokal-Viertelfinale am Mittwoch gegen Fortuna Düsseldorf hätte den Braun-Weißen einen Knacks verpassen können. Stattdessen gab es ihnen Auftrieb. „Dienstag war der härteste Moment in meiner Karriere. Ich war sehr enttäuscht über mich selbst, habe aber versucht, es so schnell wie möglich abzuhaken. Das hat funktioniert“, sagte Marcel Hartel, der gegen Düsseldorf im Elfmeterschießen gescheitert war.

St. Pauli ließ jegliche Zweifel an einer Trotzreaktion von Beginn an verfliegen, als beinahe minütlich Angriffe gen Fürther Tor rollten. „Das war eine der besten Halbzeiten unserer Saison. Nach dieser Vorgeschichte sagt das viel über unseren Charakter aus, ich könnte nicht stolzer auf die Jungs sein“, sagte Eric Smith.

Fürth macht nur 25 Minuten das Spiel

Auch physisch war dem Spitzenreiter die englische Woche mit enormen Laufdistanzen über die meiste Zeit nicht anzumerken. Lediglich zwischen dem 2:0-Raketenstart und 2:2-Ausgleich bekamen die Franken Oberwasser.

Aus Sicht von Smith vornehmlich aus spielerischen Gründen: „Wir sind in diesen 25 Minuten zu passiv geworden und mussten uns neu skalieren.“ Wobei Hürzeler betonte, seine Spieler hätten leidensfähig sein müssen und sollten nun vor allem gut schlafen und essen. „Es war ein extrem schweres Spiel für uns. In der zweiten Halbzeit mussten wir 20 Minuten leiden. Da haben wir die Müdigkeit gespürt“, sagte Hauke Wahl.

Mehr Tore wären möglich gewesen

Am eindringlichsten zeigte sich die Extraklasse St. Paulis aber weder im mentalen noch im physischen Bereich, denn im spielerischen. Neun Partien in Serie war Fürth ungeschlagen, hatte in dieser Zeit nur vier Gegentore kassiert.

Am Millerntor war die Mannschaft des sympathischen Alexander Zorniger verdientermaßen unterlegen und hätte mehr Treffer einstecken können. „Wir waren sehr gut vom Trainerteam vorbereitet“, sagte Hartel.

Außenspieler Saad und Afolayan kaum zu stoppen

Die zündende Idee von Hürzeler: Die Außenspieler Elias Saad und Oladapo Afolayan mächtig Rauch in der grün-weißen Defensive aufwirbeln zu lassen. Beide positionierten sich sehr weit außen.

„Wir wussten, dass Fürths Schienenspieler weit vorschieben. Über den dritten Mann haben wir dann Elias und ,Dapo’ hinter ihren Gegenspielern freispielen können“, erläuterte Smith. In Summe all dessen ergab sich ein Statement von Sieg.

Hürzeler versichert: "Will bei St. Pauli bleiben"

Den nächsten Kracher ließ Hürzeler bei der Medienrunde im Anschluss an die Pressekonferenz folgen. Über die im Vorwege der Begegnung erschienenen Berichte, wonach Bundesligist VfL Wolfsburg bei potenziellen Zugängen mit seinem Namen als Wunschlösung ab Sommer werbe, zeigte er sich „extrem irritiert und genervt“.

Hatte der begehrte Coach bezüglich seiner möglichen Vertragsverlängerung mit St. Pauli bislang vorrangig betont, das Gefühl müsse stimmen, wurde er nun deutlich: „Ich kann immer wieder betonen, das habe ich allen Verantwortlichen mitgeteilt, dass ich beim FC St. Pauli bleiben will.“ Dass er, wie einige Medien aus dem Ursprungsbericht ersonnen hatten, sich mit anderen Clubs getroffen habe, dementierte Hürzeler vehement.

Vertragsverhandlungen gehen weiter

Demnach liege der Ball beim Verein. Die ganze Wahrheit? Wohl kaum. Denn es geht vor allem um die Bedingungen – Vertragslänge, Ausstiegsklausel – der Verlängerung.

Ein Thema, das in den kommenden Wochen Zündstoff bietet. Wenngleich beiden Seiten bewusst ist, dass eine Fortsetzung der Zusammenarbeit für weitere Glücksmomente sorgen dürfte.