Hamburg. Die Kiezkicker gewinnen in einem absolut würdigen Spitzenspiel gegen Greuther Fürth. Elias Saad avanciert zum Helden.
Die Voraussetzungen waren exzellent. Holstein Kiel hatte am Freitagabend in der Nachspielzeit noch einen Sieg beim 1. FC Magdeburg verschenkt, der direkte Verfolger Greuther Fürth war mit einem Erfolg zu distanzieren, und der HSV muss am Sonnabendabend ja auch erstmal bei Hertha BSC punkten.
"Wenn du auf St. Pauli einen ordentlichen Fußball spielen lässt, kannst du richtig was anzünden", hatte Fürths Trainer Alexander Zorniger im Vorwege noch im Abendblatt-Podcast "Millertalk" gesagt. Es war ein Feuerwerk, ein absolutes Topspiel zwischen Erstem und Zweiten. Eines, das der FC St. Pauli letztlich verdient mit 3:2 (2:1) gewann und sich vorübergehend auf sechs Punkte abesetzt.
St. Pauli gewinnt Spitzenspiel gegen Fürth
Und in der Tat: Die Hamburger hatten angesichts der Möglichkeit, einen gewaltigen Schritt in Richtung Aufstieg zu gehen, eine sehr kurze Lunte. Schon nach 2:50 Minuten hätten die Kiezkicker 2:0 führen können. Erst brachte Hauke Wahl zu wenig Wucht hinter seinen Kopfball (2.), dann gelang Oladapo Afolayan genau dies - doch der Ball krachte nur an die Unterkante der Latte (3.).
So oder so: Die Platzherren hatten die Partie mit ihrem Gegenpressing umgehend im Griff, ließen die Franken kaum zur Entfaltung kommen, geschweigedenn ihnen den Ball. Dass Stammkeeper Nikola Vasilj zurück war, tat dem Spielaufbau gut.
FC St. Pauli: Eggestein hat die Führung doppelt auf dem Fuß
Apropos kurze Lunte: Cheftrainer Fabian Hürzeler hielt sich im ersten Zweitligaspiel nach seiner Gelbsperre sowie seiner Gelb-Roten Karte im DFB-Pokal-Viertelfinale am Dienstag merklich zurück, gab seine Anweisungen lange Zeit im Sitzen.
Vom Platz riss es ihn allerdings, als Johannes Eggestein die Führung zweimal auf dem Fuß hatte (16./23.), aber jeweils an Jonas Urbig scheiterte. Es war ein wenig das Bild der Hinrunde: St. Pauli war drückend überlegen, aber VIEL (in Versalien!) zu ineffektiv vor dem Tor.
Saad bringt Gastgeber in Front
Wie ineffizient aber auch chronologisch aktualisierte und mit Spielende fertige Berichte sein können, wiesen die Folgeminuten nach. Ein Hammer von Philipp Treu vom Sechszehner war selbst für Urbig nur noch vorn abzuklatschen, von dort brauchte Elias Saad nur noch einzuschieben (30.).
Bedauerlicherweise bekam das bereits mehrfach bemühte Bild der kurzen Lunte eine unangenehme Perspektive, da mitten in den Jubel hinein ein Anhänger von der Gegengerade einen Feuerwerkskörper auf den Rasen direkt neben der St.-Pauli-Bank warf, der extrem laut detonierte. Alle Spieler kamen umgehend dort zusammen, um nach dem Rechten zu sehen. Verletzt wurde glücklicherweise niemand, ein Verdächtiger gefasst.
Afolayan erhöht auf 2:0
Verletzend war es hingegen, was Afolayan auf der rechten Seite mit Lukas Petkov veranstaltete. Der Engländer überlief seinen hoffnungslos überforderten Gegenspieler immer wieder - so auch direkt nach dem Führungstreffer.
Minütlich rollten Angriffe gen Fürther Tor, den nächsten davon schloss Afolayan ab, Gideon Jung fälschte den Schuss unglücklich über Urbig hinweg ins Netz ab (33.). Vier Gegentore hatte das Kleeblatt in den vergangenen neun Partien kassiert, nun die Hälfte derer in einer halben Stunde. Und Petkov? Wurde von Zorniger daraufhin gegen Oussama Haddadi ausgewechselt (35.).
Anschlusstreffer kommt aus dem Nichts
So schien St. Pauli einer souveränen Tabellenführung entgegen zu trudeln. Aber was eigentlich ins Trudeln geriet, war die nur vermeintlich sichere Führung. In der Luft lag nichts, da die Gäste weiter wenig nach vorn anzubieten hatten. "Das war die beste erste Halbzeit der Saison", sagte Spielmacher Eric Smith.
Umso mehr kam der Anschlusstreffer aus dem Nichts. Einer der wenigen Angriffe, die kontrollierte ins letzte Drittel kamen, gelangte zu Armindo Sieb, der nach starker Annahme Karol Mets verlud und auch Vasilj, der mit den Fingerspitzen noch am Ball war, keine Chance bot (44.)
Gegentor zeigt Wirkung
Ein bis dahin sicheres Konstrukt geriet ins Wanken. Fürth hatte die Minuten bis zum Pausenpfiff unter Kontrolle - ehe Manolis Saliakas noch mal einen Strich abfeuerte, den Urbig nur mit Mühe übers Tor lenken konnte (45.+4).
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Wenngleich eine Halbzeitführung verdienter kaum sein könnte, ein leichter Wirkungstreffer war dieses 1:2. St. Pauli war nach Wiederbeginn zurückhaltend. Zumal die Spielvereinigung, die höher als im ersten Durchgang stand, auch kommen musste.
Fürth gleicht zum 2:2 aus
Und kam. Und wie. Simon Asta drang nach klasse Vorlage von Branimir Hrgota rechts in den Strafraum ein und hielt aus spitzem Winkel einfach drauf - keine Chance für Vasilj (59.). Längst war das Duell eines Spitzenspiels würdig. Letztlich war es Zorniger selbst, der mit seinem Team das Match wieder angezündet hatte.
Nun war eine Reaktion des Tabellenführers nötig. Es folgte eine durchaus kontrovers diskutierte Entscheidung Hürzelers: Der Coach brachte in Etienne Amenyido einen der Akteure, die im DFB-Pokal enttäuscht hatten. Dafür ging der auffällige Eggestein.
Kaum Durchkommen gegen die Franken
Immerhin kam damit, wenngleich nicht singulär dadurch begründet, wieder mehr offensives Investment ins Spiel der Braun-Weißen. Vor allem die Bemühungen über die rechte Seite des starken Afoloyan wurde intensiviert, bis auch ihm die Kräfte ausgingen.
Überhaupt war es spürbar, welche der beiden Mannschaften eine englische Woche in den Beinen hatte. Fürth war in der Lage, Löcher zuzulaufen und St. Pauli mit Passstaffetten laufen zu lassen.
Saad avanciert zum Matchwinner
Müde, ein selbstbewusster Gegner, mentale Tiefschläge - eine Situation, die nur noch Fußballgötter retten können. Aber selbst die benötigen mitunter Unterstützung.
Diese lieferte Aljoscha Kemlein mit einem Ballgewinn hinein ins Fürther Aufbauspiel - um volley auf besagten Fußballgott Saad, den an diesem Nachmittag besten Spieler auf dem Platz, weiterzuleiten. Der versenkte von halbrechts links unten zu seinem ersten Doppelpack im 27. Zweitligaspiel. "Ich habe nicht lange nachgedacht und einfach draufgehalten", sagte der Matchwinner - und die Party am Millerntor konnte beginnen (81.).
FC St. Pauli lässt nichts mehr anbrennen
Wirklich? Zunächst noch Aufregung und Verwirrung. Nach einem Ballgewinn von Marcel Hartel und Querpass auf Carlo Boukhalfa sorgte ein ausbleibender Pfiff für ein Raunen, weil der Joker aus Sicht einiger Zuschauer gefoult worden sei (88.). Sein Abschluss eine Minute darauf war ohne Kontroverse, wurde aber von Urbig locker pariert.
Richtig Feuer kam in der Nachspielzeit nicht mehr rein. Aber das Stadion war angezündet und feierte zum Abpfiff das Team mit Sprechchören und Gesängen. Nie schien der Weg in die Bundesliga in dieser Saison näher.
St.-Pauli-Verteidiger Wahl mahnt: "Nicht locker lassen"
"Es zeichnet unsere Mannschaft aus, dass wir zusammenbleiben und uns zurückkämpfen. Am Ende glaube ich, dass der Sieg auch verdient ist", fasste Innenverteidiger Hauke Wahl nach dem Abpfiff zusammen. Und er blickte schon nach vorn: "Wir sind auf einem guten Weg, aber wir dürfen jetzt nicht locker lassen, sondern müssen diesen Weg weitergehen. In Magdeburg wird es wieder ein wichtiges und sehr schweres Spiel.“ Bei jener Mannschaft also, die am Freitagabend St. Paulis Aufstiegskonkurrenten Holstein Kiel in der Schlussphse noch zwei Punkt entrissen hatte.
FC St. Pauli: Vasilj - Wahl, Smith, Mets - Saliakas (87. Dzwigala), Kemlein, Hartel, Treu - Afolayan (78. Boukhalfa), Eggestein (65. Amenyido), Saad (87. Ritzka).
SpVgg. Greuther Fürth: Urbig - Jung, Michalski (68. Meyerhöfer), Dietz - Asta, Wagner (83. Consbruch), Green, Petkov (35. Haddadi) - Hrgota - Sieb (83. Popp), Lemperle (68. Srbeny).
Tore: 1:0 Saad (30.), 2:0 Afolayan (33.), 2:1 Sieb (44.), 2:2 Asta (59.), 3:2 Saad (81.). Schiedsrichter: Exner (Münster). Zuschauer: 29.035. Gelbe Karten: Afolayan (3) - Hrgota (3), Haddadi. Statistiken: Torschüsse: 19:7; Ecken: 7:3; Ballbesitz: 57:43 Prozent; Zweikämpfe: 77:89; Laufleistung: 129,0:128,8 Kilometer.