Hamburg. Erinnerungen an historische Spiele zwischen St. Pauli und dem VfL Osnabrück. Wann der Skandal-Schiedsrichter seinen Auftritt hatte.

Krasser könnten die Unterschiede aus sportlicher Sicht nicht sein, wenn der VfL Osnabrück an diesem Sonnabendabend (20.30 Uhr, Sky, Sport1 und Liveticker auf abendblatt.de) auf den FC St. Pauli trifft. Das Team vom Millerntor tritt an diesem vorletzten Spieltag der Hinrunde nicht nur als Spitzenreiter der Zweiten Liga beim Aufsteiger und Tabellenschlusslicht an, sondern auch bei allen anderen maßgeblichen Parametern ist das St.-Pauli-Team klar im Vorteil.

FC St. Pauli tritt als Spitzenreiter beim Letzten an

So haben die Braun-Weißen mehr als doppelt so viele Tore (29) geschossen wie die Lila-Weißen (14), nur gut ein Drittel so viele Gegentreffer (13) kassiert wie der VfL (37) und sind nach Punkten (31 zu 7) dem alten Nordrivalen weit enteilt. Längst nicht immer waren die Ausgangspositionen zwischen den beiden Mannschaften so verschieden wie derzeit. Oft traf man sich auf Augenhöhe, und so stehen auch überwiegend knappe Resultate und 25 Unentschieden in der Liste der bisher 89 Spiele seit 1947, also der Wiederaufnahme des Liga-Spielbetriebs nach dem Zweiten Weltkrieg. 34-mal gewann der FC St. Pauli, 30-mal der VfL.

Gegen keinen anderen Club spielte St. Pauli in den vergangenen 76 Jahren häufiger als gegen die Osnabrücker. Zwischen 1947 und 1977 waren die Vereine ununterbrochen in derselben Liga zu Hause, ehe St. Pauli das erste von bisher fünf Malen in die Bundesliga aufstieg. Dorthin schaffte es der VfL hingegen nie.

Das 9:0 von 1966 ist St. Paulis Rekordsieg gegen den VfL

Seinen höchsten Sieg landete St. Pauli mit dem 9:0 am Millerntor am 16. Januar 1966 auf Schneeboden. Drei Treffer gingen auf das Konto des überragenden Siegfried Bronnert. Für den VfL ist es bis heute die höchste Nachkriegsniederlage.

Skandalträchtiges trug sich hingegen am 14. August 2004 zu, als sich die beiden Nordclubs in der damals drittklassigen Regionalliga Nord am Millerntor trafen. Mit einem Doppelschlag hatte Stürmer Sebastian Wojcik den FC St. Pauli in Front gebracht, ehe Thomas Reichenberger und Björn Joppe ausglichen. Höchst umstritten war dann der Foulelfmeter für Osnabrück, den erneut Joppe zum 3:2-Sieg verwandelte. St. Paulis Marinko Miletic sah für sein angebliches Foul auch noch Gelb-Rot. Ein weiteres Tor von Wojcik wurde aberkannt. Schiedsrichter war der Berliner Robert Hoyzer, der genau eine Woche später mit seinen noch abenteuerlicheren Entscheidungen den HSV beim SC Paderborn aus dem DFB-Pokal beförderte.

Skandal-Schiedsrichter Hoyzer gab Strafstoß und Gelb-Rot

Der Rest ist Fußball-Geschichte. Hoyzer gab Anfang 2005 zu, gegen Geld Spiele manipuliert zu haben. Zunächst stand auch St. Paulis Niederlage gegen Osnabrück auf der Liste der verdächtigen Spiele, woraufhin der Verein vorsorglich Protest gegen die Wertung einlegte. Später wurde diese Partie wieder von der Liste gestrichen, weil es keine konkreten Anhaltspunkte für eine Manipulation gab. Ein fader Beigeschmack blieb.

Gut zwei Jahre später, am 2. Juni 2007, tanzte Osnabrücks Trainer Claus-Dieter „Pele“ Wollitz in einem der „Retter“-Shirts des FC St. Pauli auf dem Rasen des Stadions an der Bremer Brücke. 2:1 hatte der VfL am letzten Regionalliga-Spieltag gegen Ahlen gewonnen, den Zweitligaaufstieg aber nur deshalb geschafft, weil die schon eine Woche zuvor als Aufsteiger feststehenden St. Paulianer trotz tagelanger Feierlichkeiten am letzten Spieltag ein 1:1 bei Osnabrücks direktem Konkurrenten Magdeburg erkämpften. Mit dem St.-Pauli-Shirt dokumentierte Wollitz, der als Spieler immer mal wieder am Millerntor im Gespräch gewesen war, seine Dankbarkeit für die sportliche Einstellung.

Osnabrücks Trainer Wollitz im St.-Pauli-Shirt

Die Trikots beider Clubs trugen im Laufe der Jahre etliche Spieler, zuletzt wechselte Etienne Amenyido im Sommer 2021 von der Bremer Brücke ans Millerntor. Den umgekehrten Weg war 1979 Rolf-Peter „Buttje“ Rosenfeld gegangen, nachdem St. Pauli aus wirtschaftlichen Gründen die Lizenz für die Zweite Liga entzogen worden war. „Ich wollte damals mit 22 Jahren weiter Profifußball spielen“, sagt der ehemalige Verteidiger und Mittelfeldspieler, der 1977 mit St. Pauli in die Bundesliga aufgestiegen war.

„Es sind zwei großartige Vereine mit einem außergewöhnlichen Zuschauerpotenzial. Ich habe mich bei beiden wirklich sehr wohl gefühlt“, sagt Rosenfeld, der schon mit 25 Jahren seine aktive Karriere verletzungsbedingt beenden musste, im Rückblick. „Die Herzlichkeit, die mir damals beim VfL entgegengebracht wurde, habe ich erst kürzlich wieder gespürt, als sich die Mannschaft von damals nach 42 Jahren im Stadion wieder getroffen hat.“

Zuletzt siegte St. Pauli vor leeren Rängen 2:1 in Osnabrück

Noch mehr Spuren hinterließ Joe Enochs, der 1996 von St. Paulis Amateurmannschaft zum VfL wechselte und hier zum Rekordspieler, Publikumsliebling und Cheftrainer avancierte. Den Vertrag hatte er noch im St.-Pauli-Trikot im Kabinengang in Osnabrück unterschrieben.

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Unterdessen entwickelte sich auch das bisher letzte Aufeinandertreffen zwischen den Clubs zu einer knappen Angelegenheit. Am 21. März 2021, als die Corona-Beschränkungen mal wieder keine Zuschauer zuließen, hatten Torjäger Guido Burgstaller mit einem höchst umstrittenen Strafstoß und Leihgabe Omar Marmoush St. Pauli mit 2:0 in Front gebracht, ehe Osnabrücks Marc Heider mit seinem Anschlusstor das Match noch einmal spannend gestaltete.

Bei St. Paulis bisher letztem Spiel gegen den VfL Osnabrück war Torjäger Guido Burgstaller (r.), hier gegen VfL-Verteidiger Timo Beermannn, noch in Diensten des Millerntorteams. St. Pauli gewann am 21. März 2021 mit 2:1, Burgstaller erzielte die 1:0-Führung.
Bei St. Paulis bisher letztem Spiel gegen den VfL Osnabrück war Torjäger Guido Burgstaller (r.), hier gegen VfL-Verteidiger Timo Beermannn, noch in Diensten des Millerntorteams. St. Pauli gewann am 21. März 2021 mit 2:1, Burgstaller erzielte die 1:0-Führung. © WITTERS | LeonieHorky

Für die Kiezkicker war der 2:1-Sieg der praktisch entscheidende Schritt zum Klassenverbleib, während Osnabrück nach einer guten Hinrunde (11., 22 Punkte) am Ende abstieg und erst in diesem Sommer in die Zweite Liga zurückkehrte. Aus St. Paulis damaligem Team ist heute übrigens nur noch Verteidiger Adam Dzwigala dabei.

Eines allerdings wird der VfL Osnabrück dem FC St. Pauli bis zum Saisonende voraus haben – ganz gleich wie sich beide Mannschaften nach diesem Sonnabend weiterentwickeln: Einen Heimsieg gegen den HSV.