Hamburg. St. Pauli präsentiert sich beim DFB-Pokalspiel in Homburg als Einheit – und kann sich durch die DFB-Pokalprämien konsolidieren.

„Was hier entsteht, ist etwas ganz Spezielles“, sagte Jackson Irvine – als er gerade dabei war, etwas optisch ganz Spezielles entstehen zu lassen, was angesichts des schillernden Äußeren des Kapitän des FC St. Pauli schon eine Herausforderung ist. Aber da stand der 30-Jährige am Dienstagabend nun mal passend hinter der Theke des improvisierten Presseraums des FC 08 Homburg, dessen Logo direkt über seiner langen Mähne heiligenscheingleich erstrahlte und sprach über die sportliche Herausforderung durch den Regionalliga-Tabellenführer, die der Kiezclub im Achtelfinale des DFB-Pokals mit 4:1 (1:1) souverän gelöst hatte.

„Diese Mannschaft ist so besonders, einzigartig in meiner Karriere. Und wir können und wollen wirklich gemeinsam etwas erreichen“, sagte Irvine, der in seinem Aufzug nicht nur als Barkeeper in einer Szenekneipe durchgehen konnte, sondern scherzhaft sogar anbot, Bier zu zapfen. Eines hatte sich der Australier zuvor bereits gegönnt. Im Kabinentrakt hinter ihm waren laute und musikalisch herausfordernde Gesänge seiner Mitspieler zu hören, die den Viertelfinaleinzug ausgelassen feierten.

FC St. Pauli erscheint in dieser Saison als Schicksalsteam

Nichts scheint in dieser Saison der guten Laune des FC St. Pauli Abbruch zu bereiten. Dabei gab es auch in Homburg Sollbruchstellen, die dieses offenbare Schicksalsteam zu kitten vermochte.

Zunächst hatte ein Rückpass von Karol Mets, an dem Pokalkeeper Sascha Burchert wegen einer Unebenheit des Platzes vorbeitrat, in Folge für das zwischenzeitliche 1:1 gesorgt. Nur ein vermeintlicher Torwartfehler, wie die Ansicht der TV-Bilder eindeutig belegt. Aber das Eindrucksvolle daran war ja sowieso die Reaktion darauf. Geschlossen lief die Mannschaft umgehend zu Burchert, um ihn aufzumuntern. Der 34-Jährige, der das Gegentor mit einem lässigen „passiert“ kommentierte, zeigte anschließend keinerlei Anzeichen von Unsicherheit.

Spieler und Trainer finden besondere Worte

Stattdessen setzte er zu beinahe pathetischen Worten an. „Der Spirit im Team ist ganz speziell. Es gilt, dieses Besondere zu schützen und es Tag für Tag im Training mit Leben zu füllen“, sagte Burchert. Ihm sei völlig egal, ob er im Viertelfinale wieder den Vorzug vor Ligatorhüter Nikola Vasilj erhalte. „Entscheidend sind der Erfolg und unsere Arbeitseinstellung unter der Woche“, sagte der Ostberliner.

Die Einstellung in der Kabine schien jedenfalls zu stimmen. Denn auch auf die enttäuschende erste Halbzeit in Homburg, in der sich St. Pauli ungewohnt bräsig präsentierte, zeigte die Mannschaft die passende Reaktion. „Was wir bis dahin gezeigt hatten, ist einfach nicht unser Anspruch, da war keine Dynamik drin. Es gab dann in der Halbzeit eine Ansprache, die wir auch gebraucht haben“, sagte Marcel Hartel.

In der Kabine herrscht eine Diskussionskultur

Noch bevor Cheftrainer Fabian Hürzeler die Umkleide betreten hatte, waren die Akteure bereits in eine „sehr produktive, offene Diskussion“, so Irvine, übergegangen. „Wir machen das häufig so. Das zeigt auch, was für eine Art Team wir sind“, sagte der Anführer. Oder besser: einer der Anführer. Denn reden darf jeder, der sich dazu berufen fühlt. In Schienenspieler Philipp Treu ist ein 23-Jähriger, der vergangene Saison beim SC Freiburg II Kapitän war, einer der Wortführer. „Philipp spielt mit breiter Brust, ist ein geborener Leader“, adelte ihn Irvine.

Hürzeler versucht dann, eine Mischung aus Emotionalität und Sachlichkeit hineinzubringen. „Aber überwiegend bin ich lösungsorientiert. Es bringt wenig, die Jungs in diesem Moment nachträglich für Fehler zu kritisieren“, sagt der Coach, für dessen Club sich der Pokalsieg auszahlt.

Prämien im DFB-Pokal helfen dem Club

Im Wortsinn. 3,234 Millionen Euro hat St. Pauli in dieser Saison schon an Prämien eingenommen. Allein der Einzug ins Viertelfinale war 1.724.800 Euro wert, die als Antrittsbörse vor der am 30./31. Januar oder 6./7. Februar 2024 ausgetragenen Partie ausgeschüttet werden. Schaffen es die Hamburger sogar ins Halbfinale, kommen weitere 3.449.600 Euro dazu.

Geld, das einerseits dringend benötigt wird, um die Finanzen des Vereins nach dem Verlust vor gut 4,9 Millionen Euro im vergangenen Geschäftsjahr auszugleichen. Andererseits war es bislang oft so, dass Anteile der Gratifikationen, die die Profimannschaft erwirtschaftet, auch dort reinvestiert werden können. Ähnlich verhielt es sich zuletzt bei den TV-Geldern, deren Höhe von der Saisonendplatzierung abhängig ist.

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Aus diesen zusätzlichen Einnahmen fließen Boni für die Spieler und Trainer ab. Ein Quantum steht Sportchef Andreas Bornemann für Transfers und Vertragsverhandlungen zur Verfügung. In Anbetracht des Konsolidierungskurses, den St. Pauli einschlagen muss, sowie der Stärke der Mannschaft ist es jedoch unwahrscheinlich, dass in der kommenden Winterpause teure Verpflichtungen getätigt werden. Zumindest können die Einnahmen den Spielraum für den Verein im Hinblick auf mögliche Transferaktivitäten im Winter vergrößern.

Gar nicht so unwahrscheinlich dagegen, dass es für die Braun-Weißen im DFB-Pokal sogar noch weiter geht. Gegen jeden Zweitligisten, der im Viertelfinale warten könnte, wäre der Spitzenreiter favorisiert, und in dieser Verfassung vermutlich auch gegen einen Bundesligisten nicht chancenlos – die passenden Lose, die am Sonntag (19.15 Uhr) während der ARD-Sportschau aus dem Deutschen Fußballmuseum in Dortmund gezogen werden, vorausgesetzt. Ob Heimspiel oder Erstligist – alles egal. „Wir können jeden schlagen“, sagt Hartel. Und ehrlich gesagt: So überraschend und speziell wäre dies gar nicht mehr.