Hamburg. Der FC St. Pauli, HSV und die Polizei treffen Maßnahmen, um das Gefahrenpotenzial beim Stadtderby zu verringern.
Als offizielle Entschuldigung zur Vorlage beim Arbeitgeber oder der Schulleitung dürfte das Schreiben nicht durchgehen, das Ultrà Sankt Pauli am Dienstag auf der Website des Fanclubs veröffentlichte.
„Packt euren Schal ein, macht früher Schluss von Arbeit, Uni, Schule oder sonstigen Verpflichtungen und kommt ins Viertel, es ist wieder Derbyzeit!“, heißt es in dem Beitrag, der am Freitag von 15 Uhr an zum Fanmarsch von der Susannenstraße zum Millerntor-Stadion aufruft. Dort wird um 18.30 Uhr (Sky) das Stadtderby und Zweitligaspitzenspiel zwischen dem FC St. Pauli und HSV ausgetragen.
Die Begegnung, die mittlerweile in der sechsten Saison in Folge in der Zweiten Liga stattfindet, ist jedoch auch eine, in deren Nachklapp immer wieder um Entschuldigung gebeten werden musste. Und mit einem Wisch vom Fanclub ist es da bei Weitem nicht getan.
St. Pauli – HSV: Wieder Krawalle
Im vergangenen Jahr war es im Vorwege des Prestigeduells am Millerntor zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen. Einer der maßgeblichen Auslöser war die Gruppierung Rotsport, dem FC St. Pauli nahestehende Hooligans, die der Verein als kritisch einstuft.
Diese hatten zur Attacke auf den Fanmarsch der HSV-Anhänger aufgerufen, rund 250 Personen wollten diesen stürmen. Die Bundespolizei ging dazwischen, nahm 47 Personen in Gewahrsam. Rotsport soll vor rund zwei Wochen auch an den Ausschreitungen nach dem St.-Pauli-Spiel gegen Hannover 96 beteiligt gewesen sein. Dabei wurden zwölf Polizisten verletzt, einer davon schwer.
Wo der Marsch der HSV-Unterstützer in diesem Jahr lang führt, ist bislang nur ganz wenigen im internen Kreis bekannt. Der Treffpunkt soll bis spätestens einen Tag vor dem Derby kommuniziert werden, ebenso wie die Route, die sich üblicherweise von der im Vorjahr unterscheidet. Erwartet werden zwischen 2000 und 3000 Teilnehmer, was der Größe des Gästeblocks entspricht.
HSV-Supporters: „Lebensgefahr“ auf St. Pauli
Und dort ergibt sich ein potenzielles Problem. Wegen des praktizierten Prinzips der strengen Fantrennung, um Zusammentreffen mit Konfliktpotenzial zu vermeiden, werden die Anhänger gastierender Clubs durch ein Nadelöhr vom Neuen Kamp zum Millerntor-Stadion geführt. Die Auslaufbereiche sind vergleichsweise begrenzt, rechtsseitig von der Rindermarkthalle, linksseitig von der Sportanlage Heiligengeistfeld.
Diesen Umstand hatte der HSV Supporters Club bereits vorvergangene Woche in einer Stellungnahme angeprangert, in der von einer „lebensgefährlichen Einlasssituation“ die Rede war. Es sei „leider nur eine Frage der Zeit, bis etwas passiert“. Das Schreiben des Fanclubs wurde vom FC St. Pauli überrascht aufgenommen, da sich der Kiezclub bereits seit Wochen im Austausch zu genau diesem Thema mit den Vertretern des HSV befunden hatte – und auch Lösungen präsentieren kann, die die Sicherheit erhöhen sollen.
„Die Wortwahl ,lebensgefährlich’ erscheint uns wenig geeignet, verbal etwas zu deeskalieren und verantwortlich mit der eigenen Rolle umzugehen, aber das nur am Rande: Wie bereits mit dem HSV und allen Beteiligten abgesprochen, wird der Puffer-Block vor dem Eingang deutlich vergrößert bis zum Recycling-Hof, der dafür früher schließen muss“, sagt St. Paulis Mediendirektor Patrick Gensing.
Wie St. Pauli das Derby sichert
Grundsätzlich tragen Fanmärsche eher zur Sicherheit bei, da dann nicht viele kleinere und schlechter zu kontrollierende Fangruppierungen unterwegs sind. Andererseits kommen dann sehr viele Zuschauer gleichzeitig am Stadion an, was die Einlasssituation deutlich verzögert. Um dem entgegenzuwirken, öffnet das Millerntor-Stadion bereits um 16.30 Uhr. Dazu soll die Anzahl der Scanner zur Ticketkontrolle erhöht werden, was jedoch nicht gesichert gelingen wird.
Zur Relation: Bei St. Paulis Auswärtsspiel bei Hansa Rostock gab es lediglich vier elektronische Einlasskontrolle für 2600 Fans – was jedoch zu keinerlei Schwierigkeiten oder gar lebensgefährlichen Situationen geführt hatte, von moderaten Wartezeiten abgesehen.
Innerhalb des Stadions wird der komplette Gästebereich mit einem Netz umgeben, um Spielfeld und Heimbereich vor Wurfgeschossen zu schützen. „Geplant sind noch Vereinzelungsanlagen beim Eingang zum Gästebereich – als Schutz vor Blockstürmen. Wegen Lieferverzögerungen konnte der Plan noch nicht realisiert werden, es wird aber weiter daran gearbeitet“, sagt Gensing.
Polizei mit Großaufgebot vor Ort
Der gesamte Alkoholverkauf im Public-Bereich des Stadions ist untersagt worden, die Polizei erlaubt allerdings den Ausschank von Alkohol im Inneren, also in den geschlossenen VIP-Bereichen. Von dort sind bislang keine nennenswerten Probleme und Gewalttätigkeiten dokumentiert, weswegen das Alkoholverbot dort nicht gilt.
Hinzu kommt, dass ein gastronomisches Angebot inklusive Spirituosen im Preis einer VIP-Karte inkludiert sind, was bei Tickets für den öffentlichen Bereich nicht der Fall ist. Optisch mag es dennoch seltsam anmuten, wenn in zwei nur durch eine kleine Absperrung getrennten, wenige Zentimeter entfernten Sektionen unterschiedliche Ausschankregeln gelten.
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Wenn dies am Freitag die einzigen Probleme von Relevanz sind, könnten beide Vereine sowie die Polizei gut damit leben. Die Gesetzeshüter werden mit einem Großaufgebot vor Ort sein, zu dem sieben Beweissicherungs- und Festnahmeeinheiten aus Norddeutschland sowie Alarmhundertschaften zählen. Im Moment sei die Lagebeurteilung noch nicht vollständig abgeschlossen.
St. Pauli – HSV: Polizei äußert sich
Hamburgs Polizeipräsident Falk Schnabel äußerte sich jedoch bereits und forderte generell von den Zuschauern mehr Unterstützung bei polizeilichen Einsätzen im Stadion. „Es gibt auch in Stadien keine rechtsfreien Räume. Und wenn die Polizei eine Maßnahme durchführt, dann die dringende Bitte: Lasst uns das auch machen“, sagte der 54-Jährige.
Dass eingefleischte Fans, vor allem Eltern mit Kindern, aus Sicherheitsbedenken nach einer Entschuldigung suchen, dem Derby fernzubleiben, sollte jedenfalls nicht zur gelebten Praxis werden.