Rostock. Die Hamburger bezwingen Hansa Rostock in einem spannenden Spiel mit 3:2. Auf den Rängen bleiben Eskalationen aus.

Der FC St. Pauli stinkt Hansa Rostock. Beide Vereine sind verbitterte Rivalen. Das ist nichts Neues. Neu dagegen ist, dass die Kiezkicker im Ostseestadion gewinnen können.

Unter Cheftrainer Fabian Hürzeler gelang am Sonnabendnachmittag erstmals seit 2011 wieder ein Sieg. Und das 3:2 (3:1) der Hamburger, die sich an der Tabellenspitze wieder um drei Punkte vom HSV, dem kommenden Freitag zum Derby im Millerntor-Stadion gastiert, absetzten, stank den Gastgebern erwartungsgemäß heftig.

St. Pauli gewinnt nach zwölf Jahren wieder im Ostseestadion

Das mit dem Stinken war im Übrigen wörtlich zu nehmen. Unmittelbar nach Anpfiff des für eine Partie dieser Art ungewöhnlich jungen Schiedsrichters Robin Braun (27) fackelten die Ultras unter dem imposanten, die Südtribüne einnehmenden Banner, das eine Rostocker Plattenbaukulisse zeigt, Pyrotechnik, die schwarzen, übel riechenden Rauch freigab. Braun sah erst schwarz und dann rot, ließ die Begegnung für rund vier Minuten ruhen, ehe der Qualm verzogen worden.

Und dennoch kamen dunkle Wolken über dem Tor von Nikola Vasilj auf. Aus einem Freistoß heraus gaben die Gastgeber gleich eine Salve von Schüssen ab, von denen der letzte an der Hand von Eric Smith landete.

Saliakas mit Tor des Monats

Beim fälligen Handelfmeter verlud Junior Brumado (9.) Vasilj. "Das war ein denkbar ungünstiger Start. Die Szene zuvor haben wir nicht gut verteidigt", sagte Hürzeler. Und wenn der FC Hansa ein Tor erzielt, wird es laut im Ostseestadion. Wenn der Treffer auch noch gegen St. Pauli fällt, wird es so richtig laut.

Bis es leise wurde, ganz leise. Unbeeindruckt von der Atmosphäre und jeglichen Pyroshows zündete Manolis Saliakas eine Fackel aus knapp 25 Metern (15.), für die die Sportschau eigentlich schon die nächste Medaille für das Tor des Monats prägen kann. Jubel nur im Gästeblock. "Wir haben eine sehr gute und mutige Reaktion auf den Rückstand gezeigt", sagte Hürzeler.

Hartel-Treffer Ausdruck von St. Paulis Dominanz

Bei dieser ersten Duftmarke sollte es nicht bleiben. Erneut Saliakas leitete den nächsten Angriff über seine rechte Seite ein, flankte maßgeschneidert auf Marcel Hartel ins Zentrum. St. Paulis Toptorjäger brauchte diesmal Anlauf für seinen siebten Zweitligasaisontreffer (19.). Den ersten Versuch hielt Markus Kolke noch, den Abpraller klatschte Hartel direkt ins Tor.

Abgesehen von der Anfangsphase spielte der Spitzenreiter die Platzherren nun an die Wand, St. Pauli kontrollierte mit dominantem Offensivfußball. Rostock, dessen Kernkompetenz des Verteidigens misslang, war nun offensiv gefordert, tat sich aber schwer.

Afolayan erhöht für die Hamburger

Trotzdem wurde es schon bald wieder ganz laut im Ostseestadion – weil Oladapo Afolayan kurz hinter der Strafraumgrenze in verkehrten Arjen-Robben-Manier von links auf rechts zog und ins linke untere Eck einnetzte (23.). Die Hansa-Fans ergriffen nun wieder die verbale Initiative, weil sie merkten, dass ihr Team lautstarke Unterstützung benötigte. Die Anhänger des Kiezclubs feierten ohnehin.

Kam die souveräne Führung zu früh, sodass fanseitig die Fassung verloren wird? Glücklicherweise nicht. Abgesehen von den erwartungsgemäßen Schmähgesängen und -rufen blieben Eskalationen sowie weitgehend auch Geschmacklosigkeiten diverser Form aus.

St. Pauli hätte höher führen müssen

Ein Aufbäumen der Ostdeutschen im ersten Durchgang ebenso. Stattdessen hätte Johannes Eggestein auf 4:1 erhöhen müssen (43.), Kolke parierte jedoch glänzend.

Direkt nach Wiederbeginn hätte auch der Rostocker Kapitän nichts machen können, als St. Paulis Amtskollege Jackson Irvine nach schöner Afolayan-Vorarbeit scharf auf Elias Saad weiterleitete. Doch der tunesische Nationalspieler traf nur das Außennetz (48.).

Nächster Elfmeter bringt Rostock zurück

An dieser Stelle hätte nun die Luft raus sein können. Hätte St. Pauli entweder die weitgehend vergeblichen Offensivaktionen der Ostseestädter konsequent unterbunden oder Eggestein seinen Drehschuss nicht knapp am Tor vorbei befördert (75.).

Lange war es geradezu verräterisch still im Ostseestadion - es war die Ruhe vor dem Sturm. Denn nach einem Trikotzupfer von Innenverteidiger Karol Mets entschied Braun auf Strafstoß. Brumado verwandelte ein weiteres Mal sicher (80.). Nur noch 2:3.

St. Pauli hat Glück in der Schlussphase

So etwas kann bei der bedrohlichen Kulisse einschüchtern. Das Publikum war plötzlich wieder da, Brumado auch schon wieder. Diesmal per Kopfball, der knapp übers Tor ging (87.).

In der Schlussminute der regulären 90 Minuten war es dann noch enger. Kevin Schumacher verfehlte aus spitzem Winkel nur um Zentimeter, und mit der Ruhe und gediegenem Sitzen war es längst vorbei. "Wir hatten keine Kontrolle mehr gegen den Ball, haben nicht mehr gut gepresst. Rostock hätte das 3:3 machen können", sagte Hürzeler.

Nordostderby bleibt weitgehend ruhig

St. Pauli wurde unnötig passiv, aber überstand auch die siebenminütige Nachspielzeit. "Mit unserer Leistung über 75 Minuten bin ich sehr zufrieden, alles andere arbeiten wir auf", sagte Hürzeler.

Unterm Strich passierte aber nichts Relevatens mehr in diesem Nordostderby - und zwar auf und neben dem Platz, wo es, ob laut oder leise, ruhig blieb.

Und das war die beste Nachricht an diesem Sonnabendnachmittag. Über die dürfte kaum jemand stinkig sein.

FC St. Pauli: Vasilj – Wahl, Smith, Mets – Saliakas (90.+1 Ritzka), Irvine, Hartel, Treu – Afolayan (73. Metcalfe), Eggestein, Saad (85. Amenyido).
FC Hansa Rostock: Kolke – van der Werff, Hüsng, Roßbach, Rossipal – Vasiliadis (87. Güler), Dressel – Fröling (65. Schumacher), C. Kinsombi (65. Perea) – Pröger (87. Singh), Brumado.
Tore: 1:0 Brumado (9./HE), 1:1 Saliakas (15.), 1:2 Hartel (19.), 1:3 Afolayan (23.), 2:3 Brumado (80./FE). Schiedsrichter: Braun (Wuppertal). Zuschauer: 27.100 (ausverkauft). Gelbe Karten: Hüsing, Brumado – Eggestein. Statistiken: Torschüsse: 16:18; Ecken: 2:1; Ballbesitz: 41:59 Prozent; Zweikämpfe: 101:125; Laufleistung: 118,7:125,3 Kilometer.