Hamburg. Mehr als 200 Menschen kommen an diesem Wochenende im Millerntor-Stadion zum Kongress zusammen, um Leitlinien zu entwickeln.

Einen womöglich entstehenden falschen Eindruck möchte Martin Drust direkt ausräumen. Der große Zampano beim St.-Pauli-Kongress ist er gewiss nicht.

Als Geschäftsleiter Marke falle es nun mal in sein Aufgabenfeld, bei der Organisation zu helfen, als kleiner Dienstleister am Verein. „Der FC St. Pauli ist immer dann am besten, wenn er durch die Vielfalt der Menschen gestaltet wird, die ihn prägen. Dieses Prinzip drückt der Kongress in strukturierter Form aus“, sagt Drust.

FC St. Pauli wird von innen heraus gestaltet

Die Protagonisten, die von diesem Freitag an bis zum Sonntag im Millerntor-Stadion zusammenkommen, sind daher andere: Fans, Mitglieder, Ehrenamtler, Ultras, Sponsoren, Interessierte. Zum erst zweiten Mal nach 2009 gibt es einen St.-Pauli-Kongress.

Damals bestand der Wunsch, Entwicklungen wie den Umbau des Stadions und die des Vereins zu besprechen. Letztlich entstanden daraus Richtlinien, an denen sich der Kiezclub in den Folgejahren teilweise orientierte.

Leitlinien zum 125. Geburtstag

„Der FC St. Pauli hat sich in den vergangenen Jahren unheimlich entwickelt und professionalisiert, dazu hat sich seit 2009 die ganze Welt massiv verändert, der Fußball ist kommerzieller geworden. Daher besteht das Bedürfnis, erneut mit der Fanszene ins Gespräch zu kommen“, sagt Drust. Drei zentrale Fragen sollen an den drei Tagen im Zentrum stehen.

Wer sind wir? Was tun wir? Wer werden wir? „Die übergeordnete Frage lautet, wie der Verein 2035, wenn wir 125 Jahre alt werden, aussehen soll, was wir jetzt schon dafür tun können“, sagt Drust.

Teilnehmerliste war schnell gefüllt

Die Antworten darauf besitzen keinen bindenden Charakter. „Es könnten aber Strategiepapiere daraus entwickelt werden“, die dann wiederum perspektivisch bei Mitgliederversammlungen zur Abstimmung gestellt werden könnten, sagt Drust.

Anfangs war der 55-Jährige besorgt, die Teilnehmerliste nicht füllen zu können. „Das Zweifeln wohnt dem FC St. Pauli inne“, begründet der zweifache Vater dies.

Kiezclub besteht aus 26 Abteilungen

Doch binnen kürzester Zeit waren sämtliche Plätze belegt. Fürs Wochenende rechnet der Club mit rund 200 Personen, davon kommen etwa 90 Prozent aus Hamburg, sowie gut 50 hauptamtlichen Vereinsmitarbeitern. Eine Anzahl, die der Veranstaltung Legitimation erteilt.

Ein prägnanter Unterschied zu 2009: Der FC St. Pauli steht inzwischen für weit mehr als ausschließlich Fußball. Der Verein ist auf mehr als 20.000 aktiv sporttreibende Mitglieder angewachsen, die sich in 26 Abteilungen organisieren.

Kongress wird wissenschaftlich begleitet

Dies geht mit gesteigerten Erwartungen an den Kongress einher, weswegen Lars Hochmann (35), Professor für Transformation und Unternehmung an der Hochschule für Gesellschaftsgestaltung in Koblenz, die Zusammenkunft wissenschaftlich begleiten wird. Schwerpunkte sind die Ergebnisdokumentation sowie vor allem die Moderation, um sicherzustellen, dass alle Teilnehmer sich Gehör verschaffen können.

En detail bedeutet dies, dass bei den Unterpunkten unmittelbare Themen abgehandelt werden. „Wir stellen uns die Frage, welche Zumutungen wir akzeptieren? Der FC St. Pauli ist Teil eines Wettbewerbs, den er in gewissen Punkten ablehnt. Dieses Spannungsfeld wollen wir erörtern“, sagt Drust beispielhaft.

Wer Visionen hat, sollte zum Kongress gehen

Aber auch die nicht greifbaren Visionen werden entworfen. „Wir werden gemeinsam schauen, welche Werte zentral sind und uns dazu eine utopische Insel vorstellen, auf der die Menschen ihr Zusammenleben nach diesen Werten organisieren“, heißt es auf der Website zum Kongress.

Drust, der ja nicht den Eindruck erwecken möchte, sich das Ganze ausgedacht zu haben, möchte gespannt zuhören – und sich schließlich selbst Ideen ausdenken. Als Mensch, der den FC St. Pauli prägt.