Hamburg. Das Spiel gegen den 1. FC Nürnberg ist das dritte am späten Abend in Folge. Das Training der Hamburger wurde daran angepasst.

Manolis Saliakas tanzte sich schon mal warm. Auf einem herrlichen Kabinenvideo ist zu sehen, wie der Rechtsverteidiger des FC St. Pauli außer sich vor Freude ist, nach zwei Länderspielen 2021 nun endlich wieder für die griechische Nationalmannschaft nominiert worden zu sein.

Die Party soll weitergehen. Und die Voraussetzungen dafür sind geschaffen. Direkte Lage an der Reeperbahn, Vorglühen im Millerntor-Stadion, Dienstschluss gegen 23 Uhr. Die Partie gegen den 1. FC Nürnberg an diesem Sonnabend (20.30 Uhr/Sky und Sport1) ist das dritte sogenannte TV-Topspiel in Folge für den FC St. Pauli – und für dessen Profis somit die dritte Spätschicht in Serie.

Wie wirkt sich das dritte Abendspiel auf St. Pauli aus?

Die zwei vorherigen, der 3:1-Sieg gegen den FC Schalke 04 sowie der 2:1-Erfolg bei Hertha BSC, brachten die Hamburger mit Bravour hinter sich. Auch weil sie ihren Trainingsrhythmus auf die ungewohnte Uhrzeit angepasst haben?

An den jeweils zwei Tagen vor einem Abendspiel ändert Cheftrainer Fabian Hürzeler zumindest den Zeitplan der Einheiten. Die Mannschaft trifft sich dann erst um 17 Uhr, beginnt gut eine Stunde später mit der Arbeit auf dem Platz.

St. Pauli laufstärkste Mannschaft der Zweiten Liga

Ein fundiertes Konzept steckt noch nicht dahinter, es ist eher etwas Gefühliges. „Wir wollten das mal untersuchen, weil wir viele Abendspiele haben, und dann einen Vergleich ziehen, wie die athletischen Parameter aussehen“, sagt Hürzeler, dem allerdings noch keine ausführlichen Ergebnisse dieser Studien vorliegen. Wohl aber, dass sein Team am vergangenen Sonnabendabend in Berlin „sehr viel gelaufen“ sei. 126,3 Kilometer im Vergleich zu Herthas 122, um genau zu sein.

„Aber das ist die Grundvoraussetzung für unser Spiel, immer und nicht nur am Abend bei den athletischen Parametern maximal gut zu sein“, sagt Hürzeler. St. Pauli ist mit durchschnittlich 118,65 Kilometern pro Partie die laufstärkste Mannschaft der Zweiten Liga, mit Nürnberg (114,05 Kilometer) gastiert der Zehnte in dieser Kategorie auf dem Kiez. Schlusslicht ist übrigens der HSV (86,21 Kilometer). „Unser Trainerteam leistet in diesem Bereich hervorragende Arbeit“, sagt Hürzeler.

Sollte das Training an den Spieltermin angepasst werden?

Ob diese speziell auf den Abend ausgerichtet sein muss, ist jedoch fraglich. „Der Biorhythmus wird nicht so stark von einer Spielzeitverschiebung in den Abend beeinträchtigt, dass Probleme zu erwarten wären, solange genügend Regenerationszeiten vorhanden sind. Gute Ernährung, kein Alkohol und vor allem Schlaf als zentralster Regenerationsregler vorausgesetzt“, sagt Prof. Dr. Erin Gerlach vom Institut für Bewegungswissenschaft der Universität Hamburg. Interessanter sei dagegen die psychologische Ebene.

„Wenn jemand glaubt, dass durch die späte Spielzeit Probleme entstehen, kann das zur selbsterfüllenden Prophezeiung werden“, sagt der 53 Jahre alte Fußball-A-Lizenzinhaber. Den Trainingsrhythmus leicht an die Anstoßzeit anzupassen, die sich um sieben bis siebeneinhalb Stunden von den herkömmlichen am Wochenende unterscheidet, ergebe allerdings schon Sinn, so der Experte.

Mets spielt gern unter Flutlicht

„Ob es aber wirklich einen physiologischen Effekt hat, am Vortag zur exakt gleichen Spielzeit auch zu trainieren, ist nicht klar“, sagt Gerlach. Das sei eher ein psychologischer Faktor, um sich beispielsweise an die Dunkelheit zu gewöhnen. „Bundesligaspieler sind allerdings in der Regel am Spieltag so voll mit Adrenalin und so fokussiert, dass physiologische Beeinträchtigungen aus meiner Sicht zu vernachlässigen sind.“

Tatsächlich scheint es auch den Spielern zu gefallen. „Ich spiele lieber am Abend. Die Lichter, die Atmosphäre, das ist besonderer als tagsüber“, sagt Innenverteidiger Karol Mets.

Nürnberg hat ebenfalls schon ein Abendspiel absolviert

Darüber hinaus ändert sich für den 30 Jahre alten Esten wenig. „Für mich ist es die gleiche Prozedur wie vor jedem Spiel, abgesehen davon, dass der Trainingsplan etwas angepasst wird“, sagt Mets, der wie Saliakas in der kommenden Woche mit der Nationalmannschaft unterwegs sein wird.

Gegner Nürnberg hat in dieser Saison ebenfalls bereits die Erfahrung eines Abendspiels gemacht – eher eine zum Vergessen. Am fünften Spieltag unterlagen die Franken beim 1. FC Kaiserslautern mit 1:3.

Irvine kehrt in Startelf zurück

Es war neben der 0:2-Pleite bei Hansa Rostock zum Saisonauftakt allerdings die ansonsten einzige. Der „Club“ wirkt stabil, sucht spielerische Lösungen und beschäftigt im 17 Jahre alten Can Uzun, der schon vier Tore erzielt hat, den Shootingstar der Zweiten Liga.

Dieser hat mit Vollendung seines 17. Lebensjahres zwar keine nächtliche Ausgangssperre mehr zu fürchten, wohl aber das zweifelhafte Vergnügen eines Duells mit St. Paulis Kapitän Jackson Irvine, der nach überstandener Bänderverletzung im Knöchel für Connor Metcalfe in die Startelf zurückkehren dürfte. Uzun steht also auf dem Platz eine lange Nacht bevor.

Auslaufen um 8 Uhr kontraproduktiv

Den St.-Pauli-Profis im Idealfall auch noch danach außerhalb des Stadions. „Es wäre wahrscheinlich kontraproduktiv, das Auslaufen am Sonntag um 8 Uhr anzusetzen“, sagt Gerlach. Nicht nur Saliakas dürfte dies recht sein.

FC St. Pauli: Vasilj – Wahl, Smith, Mets – Saliakas, Irvine, Hartel, Ritzka – Afolayan, Eggestein, Saad.

1. FC Nürnberg: Mathenia – Gyamerah, Marquez, Gürleyen, Brown – Flick – Duman, Möller Daehli – Goller, Okunuki – Lohkemper.