Hamburg. Die Hamburger besiegen Holstein Kiel dank Traumtoren und in die Bresche springenden Leistungsträgern verdient mit 5:1.

Kurz vor Ende der Bewerbungsfrist zum Tor des Tages wollte auch Marcel Hartel seinen Beitrag noch einreichen. Es lief bereits die vierte Minute der Nachspielzeit, als der Ersatzkapitän des FC St. Pauli aus 18 Metern und halblinker Position den Ball in die rechte obere Ecke schlenzte.

So bezaubernd der Treffer auch war, er reichte nicht – zumindest für Hartel. „Einige der anderen Dinger waren schon schöner, vor allem das erste von Connor“, gab sich der Mittelfeldspieler geschlagen.

St. Pauli besiegt Holstein Kiel deutlich

Letzteres ließ sich am Sonntagnachmittag ansonsten nur über Holstein Kiel behaupten, denn für die Gastgeber im mit 29.546 Zuschauern ausverkauften Millerntor-Stadion reichte es sehr wohl. Und wie: Direkt mit 5:1 (3:0) gewannen die Hamburger das Nordduell und beendeten die vorherige Serie von vier Unentschieden bei nur einem eigenen Treffer, wie es ansehnlicher kaum möglich war.

Es schien so, als wäre jedwedes schnöde Tor St. Paulis verboten. Der von Hartel erwähnte Connor Metcalfe (siehe Text unten) legte früh mit einem Hammer aus 30 Metern los (4.).

Metcalfe ersetzt Irvine gut

Ein wenig Ironie des Schicksals, denn der Australier war nur in die Startelf gekommen, weil sich sein Landsmann Jackson Irvine bei der Nationalmannschaft am rechten Knöchel verletzt hatte und die kommenden Wochen ausfällt. Wenn der Kapitän sowie der kranke Rechtsverteidiger Manolis Saliakas so aus der zweiten Reihe ersetzt werden, sollte den Braun-Weißen nicht bange werden.

Apropos zweite Reihe: Gleiche Position wie Metcalfe, nur drei Minuten später, trifft Eric Smith per pittoreskem Freistoß. Der Ketchup-Effekt, erst kommt ganz lange gar nichts, dann ganz viel auf einmal.

Wahl: "Brauchten nach der ganzen Scheiße sowas"

Das angestaute Pech der vorherigen Begegnungen, die St. Pauli größtenteils dominiert, aber nicht gewonnen hatte, entlud sich nun, als plötzlich fast jeder Weitschuss im Tornetz landete. Der statistische Beleg hierfür: Metcalfes Tor hatte laut Daten von bundesliga.de eine Trefferwahrscheinlichkeit von zwei Prozent, Smiths von vier.

„Nach der ganzen Scheiße, die wir vor der Hütte hatten, brauchten wir sowas“, sagte Verteidiger Hauke Wahl nach dem Duell mit seinem Ex-Club, betonte aber auch, „spielerische Fortschritte“ gesehen zu haben.

Ritzka mit Topleistung

Zum Rezept soll das Draufhalten aus der Distanz allerdings nicht werden. Grundsätzlich möchte Cheftrainer Fabian Hürzeler hauptsächlich Abschlüsse innerhalb des Sechszehnmeterraums generieren. „Wenn wir zunächst den freien Spieler vor dem Strafraum finden, ist das aber auch ein Schritt“, sagte Hürzeler, der neben Hartels Schlenzer noch das 4:1 von Lars Ritzka (70.), ein elysischer Einschuss aus gut 20 Metern, beobachten durfte.

„Lars wird häufig vorgeworfen, dass ihm offensiv die Torgefahr fehlt. Das sehe ich nicht so. Er macht Fortschritte, besitzt ein gutes Spielverständnis und wächst in seine Position hinein“, sagte Hürzeler über den Linksverteidiger, der wie selbstverständlich Topleistungen bringt und seinen Stammplatz längst manifestiert hat.

Hürzeler: "Waren unglaublich gut"

Oladapo Afolayan, der sein bestes Saisonspiel absolvierte, gestattete sich zwischendurch die Dreistigkeit, nicht per Distanzschuss, sondern lediglich per humorlosem Volley vom Fünfmetereck zum 3:0 treffen (38.). Basketball-Weltmeister Justus Hollatz (22), der eine Woche nach dem Triumph der deutschen Nationalmannschaft als Ehrengast geladen war, dürfte es ihm ebenso verziehen haben wie Afolayans Trainer.

Denn Hürzeler war angesichts der Leistung in der ersten Hälfte geradezu ungläubig. „Wir haben unglaublich gut verteidigt, hatten ein unglaublich gutes Gegenpressing und eine unglaublich gute Passgenauigkeit“, sagte der 30-Jährige glaubhaft nach dem Spiel.

Skuriller Auftritt von Holtby

Das zwischenzeitliche 1:3 durch Lewis Holtby brachte St. Pauli nicht ins Wanken. Der Auftritt des Ex-HSVers ist dennoch einen kleinen Absatz wert, so skurril war er.

Zur Halbzeit eingewechselt, direkt Gelb abgeholt, Tor erzielt, ein Gelb-Rot-würdiges Foul gespielt und zur Sicherheit wieder ausgewechselt. Eine stattliche Bilanz für 23 Minuten.

St. Pauli beherrscht Kiel

Wie sich die Leistung des FC St. Pauli bilanzieren lässt, fällt in die Kategorie „Nichts Genaues weiß man nicht“. Den starken Gegner beherrschten die Platzherren wie ihre Rivalen zuvor auch, spielten sich allerdings auch Chancen der gleichen Qualität wie in den vorangegangen Begegnungen heraus.

Eindrucksvoll war allerdings, wie schnell der Kiezclub im Vergleich zu den Kielern den Ball zurückeroberte und den Tabellendritten mit einem hohen Anlaufen in Schwierigkeiten brachte und zu ungenauen Bällen zwang. Die eigene Passgenauigkeit las sich hingegen fast so schön wie die Tore.

Hartel holt ersten Sieg als Kapitän

Hartel erzielte zwar nicht das malerischste davon, durfte sich aber dennoch über seinen ersten Sieg als Kapitän freuen. „Ich habe den Jungs im Kreis vorher gesagt, dass die Leute wissen, wie schön wir spielen können. Nun wollen wir zeigen, dass wir auch schön gewinnen können.“ Hat geklappt.

FC St. Pauli: Vasilj – Wahl, Smith (87. Dzwigala), Mets – Treu, Metcalfe, Hartel, Ritzka – Afolayan (87. Boukhalfa), Eggestein (71. Albers), Saad (77. Amenyido).
Holstein Kiel: Weiner – Schulz, Becker, Komenda – Porath (46. Holtby, 68. Remberg), Sander, Ivezic, Skrzybski (83. Simakala), Rothe – Machino (46. Mees), Pichler (83. Fridjonsson).
Tore: 1:0 Metcalfe (4.), 2:0 Smith (7.), 3:0 Afolayan (38.), 3:1 Holtby (50.), 4:1 Ritzka (70.), 5:1 Hartel (90.+4). Schiedsrichter: Dankert (Rostock). Zuschauer: 29.546 (ausverkauft). Gelbe Karten: Smith, Burchert, Saad (2), Hürzeler, Bornemann – Porath (2), Holtby (2), Rothe (2). Statistiken: Torschüsse: 18:13; Ecken: 3:1; Ballbesitz: 55:45 Prozent; Zweikämpfe: 76:79; Laufleistung: 117,9:114,9 Kilometer.