Hamburg. Das 0:0 gegen den 1. FC Magdeburg war für Zweitligist FC St. Pauli das dritte derartige Resultat in Serie.

Es gibt eine ziemlich witzige, fast schon kultige Aktion der Fans des 1. FC Magdeburg, die mittlerweile elf Jahre her ist. Damals hatte ihre Mannschaft 550 Minuten lang, also mehr als fünf Spiele, das Tor nicht getroffen, weswegen sich ein Teil der Zuschauer mit großen, bunten Pfeilen hinter dem gegnerischen Gehäuse aufbaute, um anzuzeigen, wohin der Ball befördert werden muss. Der Aufwand wurde direkt in der nächsten Partie belohnt.

Und hätten sich die Anhänger der Sachsen-Anhaltiner und des FC St. Pauli während der Zweitligabegegnung am Sonntagnachmittag im Millerntor-Stadion nicht wechselseitig als „Nazischweine“ und „Scheiß St. Paulianer“ beschimpft, es wäre vielleicht eine Option für die Hamburger Fans gewesen, sich mal in Magdeburg zu erkundigen, wie das mit den Pfeilen denn so funktioniert. Denn das aus Gastgebersicht enttäuschende 0:0 war bereits das dritte derartige Resultat in Folge.

FC St. Pauli vergibt gegen Magdeburg 26 Chancen

Dass es „einer dieser Tage war, an denen der Ball einfach nicht ins Tor geht“, wie Spielmacher Eric Smith sagte, lässt sich auch statistisch simpel belegen. 26 Torschüsse gab St. Pauli ab, nur fünf Magdeburg. Aber es war nun mal der dritte dieser Tage am vierten Spieltag einer Saison, in der der Kiezclub trotz herausragender Defensive schon früh an Boden zu den Spitzenplätzen verliert.

Andreas Albers, wieder zurück im Sturmzentrum, die Außenspieler Oladapo Afolayan, Elias Saad, Kreativposten Marcel Hartel – es ist fast müßig, alle Chancen zu erwähnen. Selbst die Kopfbälle von Kapitän Jackson „Airvine“ Irvine finden den Weg ins Tor nicht mehr.

Bornemann: "Keine Qualitätsfrage, sondern Kopfsache"

Trotzdem wird eine Stürmerdiskussion, zumindest öffentlich, was durchaus nachvollziehbar ist, am Millerntor tunlichst gemieden. „Es ist keine Frage der Qualität im Sturm, sondern Kopfsache. Wir haben uns da in eine Debatte reinreden lassen“, sagte St. Paulis Sportchef Andreas Bornemann direkt nach Spielende dem Radiosender NDR 90,3.

Cheftrainer Fabian Hürzeler stimmte teilweise damit überein. „Der Kopf hat immer einen Anteil im Fußball. Ich kann die Jungs mal fragen, was sie vor dem Tor denken“, sagte der 30-Jährige bei der Pressekonferenz.

Hürzeler lässt Stürmerdebatte nicht an sich heran

Worin sich seine Ansicht zu der Bornemanns unterschied, waren die möglichen Auswirkungen der medialen und fanseitigen Stürmerdebatte. „Die Diskussion ist seit Längerem präsent, aber wir lassen sie intern überhaupt nicht an uns heran. Wir werden die Spieler weiter stärken, ihnen Selbstvertrauen und im Training die Möglichkeit geben, weiter aufs Tor zu schießen“, sagte Hürzeler.

Besonders mit Sturmtank Albers zeigte er sich zufrieden, der Däne, der fünf Chancen vergab, zwei weitere Schüsse wurden abgeblockt, gebe seiner Mannschaft „das Element, das uns noch gefehlt hat“.

Albers verfehlt Tor knapp

Tatsächlich war der 33 Jahre alte Routinier äußerst präsent und mehrfach im Pech, dass seine Versuche ihr Ziel mitunter um Zentimeter verfehlten. „Ich fühle mich von Woche zu Woche wohler damit, wie wir bei St. Pauli spielen wollen, kenne die Abläufe besser“, sagte Albers.

Mit ihm verbesserten sich auch seine Mitspieler, die sich im Gegensatz zur Vorwoche in Fürth, als das letzte Drittel Verbotszone war, als würde es aus Lava bestehen, Gelegenheiten im Minutentakt herauskombinierten. „Das war eine große Steigerung“, sagte Albers. Gar „brillant“ nannte Smith die zweite Halbzeit.

Magdeburg in die Defensive getrieben

Denn, trotz allen Verdrusses über ein Unentschieden, ist nicht zu vergessen: Magdeburg gehört zu den besten Teams der Zweiten Liga. Die von Ex-HSV-Trainer Christian Titz gecoachten Ostdeutschen hatten sogar acht Prozent mehr Ballbesitz und wurden dennoch von St. Pauli bespielt, als seien sie ein Abstiegskandidat, der ständig in die Defensive getrieben wurde.

Bis zum ersten Torschuss von Jan Luca Schuler dauerte es 55 Minuten. Weswegen Hürzeler ein größtenteils positives Fazit zog: „Die defensive Stabilität wird immer die Basis bilden, mit unser Kompaktheit bin ich sehr zufrieden.“

Irvine: "Knoten muss platzen"

Auch offensiv gab es offenkundige Fortschritte. „Wir haben sehr gute Lösungen mit dem Ball gefunden, hatten unsere Tiefenläufe“, sagte Hürzeler. Doch so sehr sich die Defensive zum Herzstück entwickelt hat und im Angriff Konzepte regelmäßig aufgehen, „es bringt uns nichts, wenn wir jetzt immer Unentschieden spielen“, sagte Albers.

Eine Lösung des Problems: einfach treffen, „den Knoten platzen lassen“, wie Kapitän Jackson Irvine floskelte. „Bevor die Schüsse geblockt werden, noch mal nach dem freien Mann Ausschau halten oder den Schuss aufziehen und warten, bis sich der Verteidiger hinlegt“, sagte Hürzeler, ein früherer defensiver Mittelfeldspieler.

Bornemann: "Suchen nicht gezielt"

Eine weitere Lösung: Auf dem noch bis Freitag um 18 Uhr geöffneten Transfermarkt eine Offensivkraft verpflichten. „Wenn sich etwas ergibt, das im Rahmen unserer Möglichkeiten umsetzbar ist, werden wir sehen. Aber wir sind nicht gezielt auf der Suche“, sagte Bornemann.

Dass St. Pauli keine Millionensummen in einen Angreifer investiert, hatte der Club mehrfach klargestellt. „Ich bin super glücklich mit dem Kader, den ich habe, weiß, woran ich damit bin“, sagte Hürzeler.

Tore? Fehlanzeige

Bliebe noch eine weitere, äußerst kostensparende Lösung, deren Effekt jedoch nicht sonderlich erprobt ist: Bunte Pfeile basteln und der Mannschaft den Weg zum Tor weisen.

FC St. Pauli: Vasilj – Wahl, Smith, Nemeth – Saliakas (83. Treu), Irvine, Hartel, Ritzka – Afolayan (83. Metcalfe), Albers (90.+1 Eggestein), Saad (73. Banks).
1. FC Magdeburg: Reimann – Piccini, Elfadli, Heber – El Hankouri, Hugonet, Condé (63. Gnaka), Bell Bell – Ito (46. Castaignos), Schuler, Atik.
Schiedsrichter: Jablonski (Bremen). Zuschauer: 29.546 (ausverkauft). Gelbe Karten: Nemeth (2), Irvine – El Hankouri, Atik (2), Bell Bell. Statistiken: Torschüsse: 26:5; Ecken: 11:3; Ballbesitz: 46:54 Prozent; Zweikämpfe: 89:81; Laufleistung: 116,6:110,6 Kilometer.