Hamburg. Am Sonnabend kommt Hapoel Tel Aviv ans Millerntor. Warum sich die Ultras des Kiezclubs so gut mit dem israelischen Club verstehen.

So etwas hatte die edel-optics.de Arena in Wilhelmsburg noch nie gesehen: Eine Irre Pyroshow wie man es hierzulande eigentlich nur vom Fußball kennt. Die Basketballer von Hapoel Tel Aviv waren im EuroCup Anfang Dezember zu Gast bei den Veolia Towers Hamburg – und unter die mitgereisten Anhänger aus Israel hatten sich auch zahlreiche Fans des FC St. Pauli zur Anfeuerung gemischt.

Darunter auch Präsident Oke Göttlich. Die Ultras beider Clubs sind freundschaftlich verbunden, das Testspiel der Fußballer beider Vereine am Sonnabend (15 Uhr) zur Saisoneröffnung am Millerntor kann deshalb auch ein besonderes Fest werden.

St. Pauli spielt gerne gegen befreundete Clubs

Der FC St. Pauli bemüht sich schon länger darum, zur Generalprobe vor der Saison Clubs einzuladen, zu denen eine besondere emotionale Beziehung besteht. So war zum Beispiel 2014 Celtic Glasgow zu Gast, ein Jahr darauf Rayo Vallecano aus Madrid. „Wir sprechen über den Fanladen mit den Anhängern deren Wünsche ab“, sagt ein St.-Pauli-Sprecher, „aber natürlich muss es auch sportlich und terminlich passen.“

Das ist bei Hapoel nun der Fall, der Zehnte der ersten israelischen Liga bestreitet gerade ein Trainingslager in Deutschland und trat bereits Mittwochabend bei Eintracht Braunschweig an. Rund 8000 Karten sind bisher verkauft.

Vor dem Spiel wird es eine „historische Autogrammstunde mit Spielern der Mannschaft von 1988 geben, es gibt Spielstationen für Kinder und nach der Partie ein Konzert. Und, ganz wichtig: Der Fanladen St. Pauli organisiert gemeinsam mit der Deutschen Knochenmarkspenderdatei eine Registrierungsaktion für Spenden von Stammzellen, die gegen Blutkrebs gebraucht werden.

Hapoel Tel Aviv hat seine Wurzeln im Arbeitersport

Die Fanszene von Hapoel Tel Aviv definiert sich ganz deutlich antirassistisch, antifaschistisch. Die vertretenen Werte sind ähnlich, wie sie am Millerntor sind. Die Ultras beider Vereine gehören „Alerta“ an, dem 2007 gegründeten Netzwerk gegen rassistische Tendenzen in Stadien. „Hapoel gilt immer noch als linker Verein, die aktive Fanszene nutzt auch Symbole wie Che-Guevara-Plakate“, sagt Oliver Vrankovic, ein deutscher Journalist, der seit sechs Jahren in Israel lebt, „sie haben auch Plakate auf denen steht: Wir sind Hapoel, nicht Israel.“

Die Spaltung der israelischen Gesellschaft, die sich in diesen Wochen besonders krass an den Protesten gegen die Justizreform der rechten Regierung zeigt, wird in den Fußballvereinen widergespiegelt. Viele Fußballfans gehen seit Wochen gegen die Regierung auf die Straße, ohne ihre Farben zu zeigen – „sondern als Bürger“, sagt Vrankovic.

Gesellschaftliche Spaltung in Israel zeigt sich auch im Fußball

Vereine mit dem Namen Hapoel gingen aus der Arbeiterbewegung hervor und stehen bis heute in dieser Tradition. Sie gründeten einen eigenen Sportverband, weil ihnen Maccabi „zu bürgerlich“ war. Maccabi wurde 1921 in Karlsbad auf dem 12. Zionistenkongress gegründet. Die ausgeprägte Rivalität zwischen Hapoel und dem zweiten großen Sportverband zieht sich immer noch durch den gesamten israelischen Sport.

Es gibt darüber hinaus Clubs, die arabische Israelis vertreten, aber auch nationalistische, rassistische oder religiöse Vereine wie Beitar Jerusalem, wo Fans keine arabische Spieler in ihrer Mannschaft akzeptieren. „Mittlerweile gehören Israels Vereine zwar überwiegend einzelnen Investoren, das hat manches entpolitisiert“, sagt Vrankovic, „das Tel-Aviv-Derby gegen Maccabi ist aber eine wirklich emotionale Sache.“

Einige Fans in Israel haben es geschafft, ihren Verein den Investoren wieder abzukaufen und selbst zu führen. Hapoel Katamon Jerusalem wird quasi genossenschaftlich geführt. Mit dem Basketballclub Hapoel Tel Aviv ist das auch gelungen. Er ist von den Fußballern unabhängig.

Diese wurden erst Ende Juni von der US-amerikanischen Mintzberg-Gruppe übernommen, nachdem der vorherige Besitzer Schulden von 26 Millionen Dollar nicht mehr ausgleichen konnte. „Wir lieben die Tradition, die Werte und die Tatsache, dass der Club Menschen zusammenbringt“, heißt es in einer Stellungnahme der neuen Besitzer: „Wir freuen uns, Geld in Israel investieren zu können.“

Es gibt also doch Unterschiede zum FC St. Pauli.