St. Leonhard in Passeier. Der FC St. Pauli ist mit positiven Eindrücken aus dem Trainingslager zurückgekehrt. Ein Spieler hat aber wohl keine Zukunft mehr.

Als der Mannschaftsbus des FC St. Pauli am Sonntagmittag ein letztes Mal für diesen Sommer vom Gelände des Hotels Bad Fallenbach auf die Jaufenpassstraße in Richtung Bozen fuhr, war das zentrale Kapitel der Sommervorbereitung der Hamburger auf die neue Saison in der Zweiten Liga beendet.

Es ist nicht übertrieben, die zehn Tage von St. Leonhard im Südtiroler Passeiertal als optimal gelungen zu bezeichnen, was nicht allein an den drei Siegen in den Testspielen gegen den SC Austria Lustenau (7:1), Sabah FK (4:1) und Arminia Bielefeld (2:0) lag.

FC St. Pauli gut vorbereitet auf die neue Saison

Wie die folgende Situationsanalyse knapp zwei Wochen vor dem Ligastart mit dem Auswärtsspiel beim 1. FC Kaiserslautern zeigt, spricht derzeit nahezu alles dafür, dass der Mannschaft von Trainer Fabian Hürzeler eine wirklich gute Saison gelingen kann.

Kaderqualität: Die Mannschaft präsentiert sich sowohl in den Spielen als auch in praktisch jeder Trainingseinheit mit einer großen Spielfreude, aber auch diszipliniert, wenn es um die Defensivarbeit geht. Dabei ragen zwar einzelne Akteure wie Jakov Medic, Eric Smith, Jackson Irvine und immer wieder auch Elias Saad, Doppeltorschütze gegen Sabah, mit ihrer ganz eigenen individuellen Qualität heraus.

Der entscheidende Faktor aber ist, dass alle Spieler auf ihren Positionen die ihnen zugewiesenen Aufgaben erfüllen. Die wichtigste Qualität des Kaders besteht darin, dass das Kollektiv funktioniert. Auf diese Weise ist es auch gelungen, den Verlust des zum 1. FC Köln gewechselten Leart Paqarada zu kompensieren, ohne dass ein Ersatz in Person eines gleichwertigen Spielers mit ähnlichen Fähigkeiten insbesondere in der Spielgestaltung verpflichtet wurde.

David Otto spielt keine Rolle im Sturm

Konkurrenzkampf: Da auch im Trainingslager schwerwiegende Verletzungen trotz der intensiven und dennoch langen Einheiten ausgeblieben sind, stehen Trainer Hürzeler für jede einzelne Position mindestens zwei bedenkenlos einsetzbare Profis zur Verfügung. Dies führte in den Testspielen am Sonnabend gegen Sabah und Bielefeld sogar dazu, dass für David Otto kein Platz in einer der beiden komplett unterschiedlich besetzten Startformationen war, obwohl Zugang Danel Sinani mit muskulären Problemen geschont wurde.

Stattdessen wurde der Stürmer in beiden Partien jeweils nur für 30 Minuten eingewechselt. „Wir haben versucht, jeden zum Einsatz zu bringen, damit jeder Spielzeit bekommt. Wenn der Kader so groß ist, und wir verletzungsfrei durchgekommen sind – toi, toi, toi –, ist es ganz normal, dass dann der eine oder andere Profi weniger spielt. Wir sind im Austausch während der Vorbereitung und waren es schon davor. Das ist kein Problem“, sagte Hürzeler.

Bitteres Trainingslager für Otto

Für Otto, der vor einem Jahr aus Regensburg zu St. Pauli kam, meist nur Jokereinsätze hatte, war es dennoch bitter, weil er im Trainingslager keineswegs enttäuscht hatte oder krass abgefallen war. Und doch könnte der 24-Jährige zu einem Kandidaten werden, der sich angesichts der Konkurrenz verändern möchte. „Wenn der 20er-Kader für das Spiel in Kaiserslautern an der Wand steht, ändert das auch noch mal etwas bei Spielern, die denken, dass sie eigentlich dran sind. Das bringt auch noch mal was in Gang“, hatte kürzlich schon Sportchef Andreas Bornemann ganz grundsätzlich gesagt.

Trainer Hürzeler unterstrich im Resümee des Trainingslagers: „Alle machen es gut, und dabei möchte ich auch das Wort ,alle‘ betonen. Keiner hat sich hängen lassen im Trainingslager.“

Ganz sicher haben nur wenige Spieler ihren Platz in der ersten Elf. „Ich verrate jetzt nicht zu viel, wenn ich sage, dass ein Eric Smith und Jackson Irvine nicht auf der Bank sitzen. Für Torwart Nikola Vasilj gilt dasselbe“, sagte Hürzeler, der bewusst nicht davon sprechen wollte, dass am Sonnabend die erste Elf gegen Sabah und der zweite Anzug gegen Bielefeld gespielt habe.

Mitspieler feiern Sascha Burchert

Teamgeist: Wer am Sonnabend miterlebte, wie Ersatzkeeper Sascha Burchert von seinen Teamkollegen nach dem 2:0 gegen Bielefeld gefeiert wurde, nachdem er mit einigen spektakulären Paraden sein Tor sauber gehalten und damit auch den sechsten Sieg im sechsten Testspiel gesichert hatte, bekam einen Eindruck vom Teamgeist, der aktuell in der St.-Pauli-Mannschaft herrscht. Auch sonst sind immer wieder kleine Gesten der Anerkennung und Aufmunterung unter den Spielern zu beobachten. „Auch die Bank neben mir, wie sie supportet hat, wie sie in der Phase, in der wir gelitten haben, jede kleine positive Aktion gefeiert hat, war eindrucksvoll“, sagte Hürzeler dazu.

Die Annahme, dies seien nun schon die Ergebnisse der Arbeit des seit gut drei Wochen tätigen Teamcoaches Hinnerk Smolka, wollte der Trainer aber dann doch so banal nicht stehen lassen. „Es ist wichtig, dass ich keinen Einzelnen hervorhebe. Jeder hat eine Eigenverantwortung, ist ein Experte und soll sich mit seiner Expertise auch einbringen. Hinnerk ist auf seinem Gebiet der Experte und versucht, das Team zu formen. Aber nicht durch ihn werden wir erfolgreich sein. Das Team muss sich selbst formen“, sagte er.

Transfers sind bis Ende August möglich

Zugänge: Noch bis Ende August läuft die Transferperiode, allein deshalb sind moderate personelle Veränderungen auch bei St. Pauli noch zu erwarten. Das ganz große Loch in der Personaldecke ist aber nicht auszumachen. Daher sagt Hürzeler: „Ich habe keinen Wunsch für Verstärkungen, sondern bin sehr zufrieden mit dem Kader. Klar sondieren wir den Markt. Aber da muss schon viel passen.“

Soll heißen: Ein neuer Mann müsste eine sichere Verstärkung sein und dürfte gleichzeitig keine Gefahr für den herrschenden Teamgeist darstellen. Wie in der Vergangenheit dürfte ein solcher Königstransfer der Kategorie Guido Burgstaller 2020 oder Marcel Hartel 2021 erst zum Ende des Wechselfensters möglich werden.

Verschiedene Formationen einstudiert

Taktik und Physis: Sowohl die aus der vergangenen Halbserie gewohnte Dreier-/Fünferkette als auch die jetzt verstärkt wieder einstudierte Viererkette funktionieren, wie die nur drei Gegentore in den sechs Testspielen zeigen. Dass das Team grundsätzlich offensiv ausgerichtet ist, belegen die 25 selbst erzielten Tore, die sich übrigens auf zwölf verschiedene Spieler verteilen. Kurios ist, dass Verteidiger Adam Dzwigala mit vier Treffern die interne Rangliste anführt.

Dass nahezu alle Akteure die langen Einheiten in St. Leonhard mitmachten, zeugt von Willen, aber auch einem hohen Fitnesszustand. Der war schon in der Rückrunde ein Pluspunkt und dürfte es in der neuen Saison bleiben. In den Tests am Sonnabend bissen sich die Spieler in der Gluthitze durch. „Es war war wichtig, dass unsere beiden Mannschaften über den Punkt drübergegangen sind und gemeinsam leiden“, sagte Hürzeler.

FC St. Pauli gegen Sabah FK: Vasilj – Saliakas, Medic, Smith, Mets, Treu – Irvine (62. Jessen), Hartel (62. Otto) – Afolayan (62. Winter), Albers, Saad. Tore: 1:0 Saad (17.), 2:0 Afolayan (19.), 3:0 Saad (27.), 3:1 Mickels (57.), 4:1 Albers (80.).

FC St. Pauli gegen Arminia Bielefeld: Burchert – Günther, Nemeth (65. Marie), Wahl (65. Otto), Dzwigala, Ritzka – Aremu, Boukhalfa – Metcalfe, Eggestein, Amenyido (65. Winter). Tore: 1:0 Eggestein (28.), 2:0 Dzwigala (58.).