Hamburg. Der plötzliche Abgang von Bernd von Geldern beim FC St. Pauli wirft weiter Fragen auf. Wie es nun weitergeht.
- Im Umfeld des FC St. Pauli herrscht Irritation über die plötzliche Trennung von Bernd von Geldern
- Nach sieben Jahren wurde vermeldet, dass der Geschäftsleiter Wirtschaft den Club verlässt
- Das kam nicht nur für die Fans des Fußball-Zweitligisten völlig überraschend
Auch zwei Tage nach dem Ende der Ära von Bernd von Geldern beim FC St. Pauli herrschte im Umfeld des Vereins noch immer eine große Irritation darüber, wie es zur plötzlichen Trennung vom in den vergangenen Jahren auf seinen Arbeitsfeldern sehr erfolgreichen Geschäftsleiter Wirtschaft kommen konnte.
Als am vergangenen Freitag um Punkt 18 Uhr die Meldung über die vereinseigenen Kanäle verbreitet wurde, dass der 57 Jahre alte von Geldern nach rund sieben Jahren den Hamburger Fußball-Zweitlisten auf eigenen Wunsch verlässt, hatte dies auf breiter Ebene für ungläubiges Staunen gesorgt.
FC St. Pauli: Von Gelderns Abgang bei Fußball-Club kam völlig überraschend
Dies betraf keinesfalls nur außenstehende Anhänger und Beobachter des Vereins, sondern, wie das Abendblatt inzwischen erfuhr, auch wichtige Mitarbeitende aus den Bereichen Vermarktung, Ticketing und Merchandising, die von Geldern verantwortete.
Es habe Zeitdruck auf der Sache gelegen, teilte am Freitag ein Vereinssprecher auf Nachfrage über den höchst kuriosen und fragwürdigen Termin der Veröffentlichung dieser wichtigen Personalie mitten im gleichzeitig laufenden Testspiel der eigenen Zweitligamannschaft in Ahlhorn gegen den VfB Oldenburg (6:0) mit, ohne dies konkret zu erläutern.
Naheliegend ist, dass es damit zusammenhing, dass dieser Tag der 30. Juni war, also beim FC St. Pauli der letzte Tag des wirtschaftlichen Geschäftsjahres 2022/23, und so möglicherweise relevante Fristen eingehalten werden konnten.
Von Geldern wirkte kurz vorher in Schottland noch voller Tatendrang
Doch der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist im Vergleich zur entscheidenden Frage nach dem Warum fast schon eine Marginalie. Noch wenige Tage vor diesem denkwürdigen, einem personellen Beben gleichenden Ereignis hatte von Geldern anlässlich der von ihm federführend organisierten Reise des Clubs nach London und Schottland mit den mitgereisten Medienvertretern über seine weiteren Projekte und Pläne beim FC St. Pauli gesprochen. Er wirkte dabei voller Tatendrang und Elan, von Abschiedsgedanken war nichts zu spüren.
Hat es also in den Tagen danach einen ganz großen Knall, einen Eklat gegeben? Auf konkrete Nachfragen danach wollten sich weder Bernd von Geldern selbst, der sich erst einmal kurzfristig in den Urlaub verabschiedet und in diesem Zuge auch Termine abgesagt hat, noch St. Paulis seit einem Jahr hauptamtlich tätiger Vereinspräsident Oke Göttlich (47) äußern. Vielmehr verwiesen sie auf die Zitate in der offiziellen Pressemitteilung vom Freitag, in der sich ausschließlich beidseitig freundliche Formulierungen befanden.
Trennung vom FC St. Pauli kam offenbar ohne den großen Knall
Nach allem, was bisher zu erfahren war, ist es tatsächlich in den entscheidenden Gesprächen zu keinem großen Zerwürfnis zwischen den Beteiligten gekommen. Zu hören war von sachlichen, respektvollen Gesprächen, an deren Ende aber die sofortige Trennung offenbar die für beide Seiten sinnvollste Lösung war. Womöglich war sie sogar unvermeidlich.
Es spricht daher zumindest einiges dafür, dass es keinen ganz aktuellen Anlass für die Entscheidung gab, sondern sich im Laufe der vergangenen Monate manche Dinge aufgestaut hatten.
So ist seit Längerem offenkundig, dass von Geldern in bestimmten Teilen der Mitgliedschaft und Fanszene längst nicht die hohe Reputation genoss, die ihm Präsident Göttlich und die Aufsichtsratsvorsitzende Sandra Schwedler in ihrem offiziellen Statement zur Trennung zuteil werden ließen: „Bernd hat in den vergangenen Jahren wegweisende Entscheidungen umgesetzt, dabei unternehmerischen Mut bewiesen und so maßgeblich dazu beigetragen, den FC St. Pauli auf ein solides wirtschaftliches Fundament zu stellen.“
Teile der Fanszene sahen von Geldern kritisch
Schon bei den beiden jüngsten ordentlichen Hauptversammlungen war von Geldern verbal hart von einigen Mitgliedern für einen mutmaßlich unangemessenen Umgang mit Beschäftigten und ihre angeblich zu niedrige Bezahlung in seinen Bereichen angegangen worden.
Wie die Einschätzung zu ihm in manchen Kreisen war, wurde jetzt aktuell auch in einem Kommentar des sehr aktiven und meinungsstarken Fanblogs „Magischer FC“ deutlich. Hier steht unter anderem nach einigen anerkennenden Worten: „BvG ist Vermarkter und Wirtschafter, und mit dieser Denke eckt man beim FCSP auch mal an. In seine Verantwortung fallen nun mal auch einige komplett misslungene Werbungen am Millerntor, diverse fragwürdige Werbepartner … und fragwürdige Kollektionen.“
Und weiter: „Auch die unglücklichen (freundlich ausgedrückt) Beiträge auf der MV zum Thema ,Tarifvertrag‘ zeigen, dass in dem Bereich garantiert Optimierungspotenzial vorhanden war.“
Berufung ins Präsidium wurde ein Jahr lang nicht vollzogen
Auffällig ist zudem, dass bis zuletzt weder Bernd von Geldern noch Sportchef Andreas Bornemann als „Besondere Vertreter“ in das Präsidium berufen worden waren, obwohl der Verein dies bereits am 11. Juli vergangenen Jahres offiziell verkündet hatte.
In der Pressemitteilung zur damals neuen Hauptamtlichkeit von Präsident Göttlich hieß es explizit: „Darüber hinaus erweitern Bernd von Geldern (Wirtschaft) und Andreas Bornemann (Profifußball) das Präsidium als Besondere Vertreter.“ Vollzogen wurde dieser Schritt, für den der Aufsichtsrat zuständig ist, seither nicht. Eine Begründung dazu gab es offiziell nie.
Welche Rolle spielte der neu besetzte Aufsichtsrat?
Es liegt nahe zu vermuten, dass dieses Zögern auch mit der seit Dezember 2022 deutlich veränderten Besetzung des Kontrollgremiums – vier neue und nur drei bisherige Mitglieder – zusammenhängen könnte. Man darf gespannt sein, ob jetzt, da von Geldern den Verein verlassen hat, wenigstens Sportchef Bornemann dieser beschlossene Aufstieg gewährt wird.
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Wie aber wird es nun in der täglichen Arbeit in den bisher von von Geldern verantworteten Bereichen weitergehen, zumal der im Präsidium auch für den wirtschaftlichen Bereich zuständige Vizepräsident Carsten Höltkemeyer nur wenige Tage zuvor seinen Rücktritt aus beruflichen Gründen erklärt hatte?
Holt der FC St. Pauli wieder einen "starken Mann"?
Auf Abendblatt-Nachfrage sagt dazu Oke Göttlich: „Bernd hat den wirtschaftlichen Bereich beim FC St. Pauli in den vergangenen Jahren geprägt, daher ist sein Abschied eine große Veränderung. Unsere Aufgabe ist es, zum Wohl des FC St. Pauli nach vorne zu schauen und klare Entscheidungen zu treffen. Durch den Rücktritt von Vizepräsident Carsten Höltkemeyer beschäftigen wir uns bereits mit der zukünftigen Aufstellung des FC St. Pauli.“
Zunächst wird dabei zu klären sein, ob es wieder einen „starken Mann“ für alle drei Bereiche geben wird oder die Aufgaben auf mehrere Schultern verteilt werden. Bis dahin wird wohl Göttlich selbst den Bereich Wirtschaft besetzen. Erfahrungen als Unternehmer besitzt er ja.