Hamburg. Der Kiezclub verzichtet bei Sponsoren bewusst auf mögliche Einnahmen – um sie an anderer Stelle mindestens zu refinanzieren

Mit mittlerweile 57 Jahren, er mag es verzeihen, versprüht Bernd von Geldern inzwischen auch den sympathischen Charme eines großväterlichen Geschichtenerzählers. Es könnte nicht trefflicher sein. „Wir wollen keine Investoren-, sondern Partnergeschichten erzählen“, wiederholt der Geschäftsleiter Wirtschaft des FC St. Pauli immer wieder seinen Leitsatz. Derzeit trägt von Geldern vor allem eine Story vor: eine Erfolgsgeschichte.

Es war einmal eine Corona-verzerrte Saison 2021/22, in der der Kiezclub immerhin schon wieder 49,52 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet hatte. In der abgelaufenen Spielzeit 2022/23 rechnet von Geldern mit 55 bis 56 Millionen Euro, etwas weniger als 40 davon generiert allein sein Geschäftsbereich, der die Segmente Kartenverkäufe, Gastronomie, Vermarktung und Merchandising umfasst. Dass in der nächsten Saison schon die Marke von 60 Millionen Euro erreicht werden kann, klingt nicht mehr nur nach einem Wunschtraum.

FC St. Pauli: 20.500 Dauerkarten verkauft

„Wir verfügen über einen kräftigen und gesunden Wirtschaftsapparat, der hinter einem emotional wahnsinnig aufgeladenen Produkt steht“, sagt von Geldern, schränkt jedoch ein, „aber wir dürfen uns nicht zu viel zumuten.“ Denn den Einnahmen des Vereins stehen auch hohe finanzielle Anforderungen gegenüber. Noch drücken die Rückzahlungen von KfW-Krediten aus der Corona-Krise sowie die Inflation – die sich in Teilen in den um rund 15 Prozent gestiegenen Ticketpreisen niederschlägt.

„Vergangene Saison haben wir aus Dankbarkeit für die Solidarität während der Pandemie darauf verzichtet, nun ließ es sich nicht vermeiden. Aber es gab nahezu keine negativen Reaktionen darauf“, sagt von Geldern, dessen Nachsatz sich nummerisch belegen lässt. Bereits gut 20.500 Dauerkarten und Saisonabos sind verkauft worden. Die Auslastung im deutlich teurer gewordenen VIP-Bereich, den St. Pauli bewusst verkleinerte, um für ein exklusiveres Erlebnis zu sorgen, wird sehr hoch sein. Ende gut, alles gut: „Wir werden bei allen 17 Heimspielen ausverkauft sein“, sagt von Geldern.

Kein Stehplatzabbau im Millerntor-Stadion

Dennoch ein delikates Thema. Nur gut 3000 Tickets gehen pro Partie in den freien Verkauf, die Wartelisten für Dauerkarten sind lang, pro Jahr werden nur knapp 200 frei. „Das ist eine Mängelverwaltung, wir wollen auch neuen und jüngeren Menschen einen Stadionbesuch ermöglichen. Hierzu sind wir im engen Dialog mit der Fanszene“, sagt von Geldern.

Der bewusst darauf verzichtet, Stehplätze zugunsten von teurer zu verkaufenden Sitzplätzen abzubauen. „Das ist indiskutabel. Wir wollen das überragende Erlebnis erhalten und sind überzeugt, uns das Geld an anderer Stelle wieder zu holen.“

Marke St. Pauli besitzt Strahlkraft

Das ist eine dieser Partnergeschichten, von denen er so gern spricht. Dass Sponsoren von der Strahlkraft der Marke St. Pauli und vor allem dessen, wofür sie steht, derart profitieren, dass sie bereit sind, „die extra Meile zu gehen“. Potenzielle Partner werden vom von der Wirtschaft losgelösten Bereich Strategie, Veränderung und Nachhaltigkeit vorab geprüft.

Man weiß, was man im Millerntor-Stadion bekommt. Zwar stehen Sponsoren nicht Schlange, es sei noch Vertriebsarbeit notwendig, „doch wir haben uns in den vergangenen Jahren als glaubhafte Plattform entwickelt“, sagt von Geldern.

DIIY auf dem Prüfstand

Dazu zählen auch die selbst produzierten Textilien der Eigenmarke DIIY. Die jedoch stets auf dem Prüfstand steht. Die Rückkehr zu einem größeren Ausstatter wie Puma sei denkbar – allerdings nur unter passenden Voraussetzungen. „Ein reizvoller Gedanke wäre es, wenn wir mit einem großen Player von innen heraus das Textilsystem nachhaltig verändern und verbessern könnten“, sagt von Geldern.

Inhaltliche Entscheidungen müssen zur Gesamtstrategie passen. Mitunter sei der Weg des Verzichts an der einen Stelle nötig, um Glaubwürdigkeit zu wahren und dadurch andere Erlösquellen zu erschließen. Beispielsweise beim Auslaufen des Partnervertrags mit Sportwettanbieter bwin.

St. Pauli passt Ansprüche der Realität an

„Bei allen Projekten ist eine professionelle Begleitung notwendig, um den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklungen gerecht zu werden. Allerdings müssen wir unsere Ansprüche an die Realität anpassen“, sagt von Geldern. Die Realität bei St. Paulis Finanzen ist eine Geschichte mit Happy End.

Die Emil Frey Küstengarage hat den Sponsoringvertrag mit dem FC St. Pauli in der Kategorie „Kiezkönig“, der vierthöchsten von sechs, bis 2025 verlängert.