Hamburg. Großer Streit innerhalb der Liga über die Weitergabe vertraulicher Informationen an die Öffentlichkeit.
Es ist davon auszugehen, dass die Stühle in den Besprechungsräumen der Deutschen Fußball Liga (DFL) in Frankfurt am Main äußerst komfortabel sind. Für Oke Göttlich dürften sie sich bei der Aufsichtsratssitzung am vergangenen Mittwoch jedoch zeitweise hart angefühlt haben wie eine hölzerne Anklagebank.
Denn zumindest auf der vermeintlich „moralischen Anklagebank“ musste der Präsident des FC St. Pauli, der zugleich Präsidiumsmitglied der DFL ist, Platz nehmen. Vorausgegangen war einer eingehenden Befragung von Göttlich und anderen Vereinsgesandten der immer noch nicht verrauchte Ärger der DFL-Spitze um Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke über den geplatzten Investorendeal der DFL.
Zu viele Clubs lehnen Investorendeal ab
Zur Erinnerung: Die Liga hatte Verhandlungen mit potenziellen Investoren unter den 36 Clubs zur Abstimmung gestellt, die von elf abgelehnt wurden, während sich fünf ihrer Stimme enthielten – zu wenig Zustimmung, um den milliardenschweren Deal, von dem sich die Verantwortlichen Kapital zur sportlichen, wirtschaftlichen und medialen Entwicklung erhofft hatten, zu landen.
Die Gegner, zu denen auch St. Pauli zählt, hatten vor allem eine undurchsichtige Kommunikation seitens der DFL beanstandet, viele Fragen seien offen geblieben. Details des Investmentpakets dagegen waren bereits im Vorwege an die Öffentlichkeit geraten.
DFL sieht von Strafanzeige ab
Nach Abendblatt-Informationen erwog die DFL sogar das Stellen einer Strafanzeige gegen Unbekannt wegen der Weitergabe vertraulicher Dokumente an die „Sportschau“. Die DFL vermutete demnach wohl den 1. FC Köln, wegen der geografischen und medialen Nähe zum Westdeutschen Rundfunk, sowie St. Pauli dahinter. Von der Anzeige wurde letztlich abgesehen. Unter anderem auch deswegen, weil der DFL die stichhaltigen Belege fehlen.
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Hintergrund: Dem Kölner Sportchef Christian Keller, seit Anfang März Mitglied im Aufsichtsrat, war laut eines Insiders bereits einmal die Weitergabe sensibler Informationen vorgeworfen worden – bis sich herausstellte, dass Keller zum Zeitpunkt der angeblichen Herausgabe noch gar nicht im Aufsichtsrat saß. Dennoch sei man in der DFL-Zentrale „stinksauer“ auf die kritischen Clubs, insbesondere die besagten beiden Vereine, die als Rädelsführer gelten.
Göttlich bei nicht allen Kollegen beliebt
Die DFL selbst wollte sich zu den schriftlich eingereichten Fragen dieser Zeitung nicht äußern. Ein durchaus übliches Verfahren bei Gremienthemen dieser Art.
Der FC St. Pauli kommentierte die Sachlage ebenfalls nicht. Die Vereine sind um eine konstruktive Zusammenarbeit bemüht. Führende Köpfe der DFL kritisieren Göttlich trotzdem – da er kein Kopfnicker, sondern ein ausgeprägter Charakterkopf ist. Der Präsident sei bei einigen Kollegen „extrem unbeliebt“ wegen seiner grundsätzlich hinterfragenden Haltung zu den meisten Themen, was teilweise zu einer Voreingenommenheit ihm gegenüber führe.
Zerstrittene DFL um Kitten der Risse bemüht
Das öffentliche Anprangern der Gegner des geplatzten Investorendeals stieß bei diesen wiederum auf Befremden. Ebenso wie das Durchstechen der Namen der künftigen Geschäftsführer Marc Lenz und Steffen Merkel an die Medien während der laufenden Sitzung am Mittwoch. Nicht das erste Mal, dass Informationen vorab in der Boulevardpresse landeten.
Fest steht: Die DFL ist zerstritten – naturgemäß angesichts ihrer heterogenen Zusammenstellung. Allerdings scheint sie in einigen Punkten geprägt von einer Kultur des Misstrauens. Diese Risse, so sind die DFL-Verantwortlichen gewillt, sollen nun gekittet werden. Es dürfte dafür viel Zeit auf gepolsterten Sitzen nötig sein.