Hamburg. Mitgliederboom beim Kiezclub: 17.500 Menschen wollen Sport treiben, aber das Wachstum hat Grenzen. Schulneubauten als Teil der Lösung?
Jörn Sturm spricht Klartext: „Für einen Fußballverein ist es eine Katastrophe, dass wir kein Angebot für normal talentierte Jungs haben.“ Nur Sieben- bis Elfjährige können beim FC St. Pauli kicken. Regelmäßig müssen junge Hobbyspieler ab zwölf Jahren abgewiesen werden, deren Traum es ist, im braun-weißen Trikot gegen den Ball zu treten. Denn: „Es gibt dafür keine Flächen“, sagt Sturm.
Der 57 Jahre alte Geschäftsführer des Straßenmagazins „Hinz und Kunzt“ ist ehrenamtlich Vorsitzender des Amateurvorstandes des FC St. Pauli und mit seinen vier Vorstandskollegen zuständig für all die aktiven Sportler im Kiezclub, die eben nicht Profi- und Leistungsfußball betreiben.
St. Paulis Wachstum – 17.500 aktive Hobbysportler
Als Breitensportverein hat der Club in den vergangenen Jahren dabei eine echte Erfolgsgeschichte geschrieben. 17.500 Menschen sind aktuell in 23 Abteilungen und 26 Sportarten aktiv – der FC St. Pauli ist damit hinter dem Eimsbütteler TV im Hamburger Sportbund der Verein mit den meisten Sporttreibenden. Dazu kommen weitere rund 20.000 Fans, die als Unterstützer in der Abteilung Fördernde Mitglieder (AFM) organisiert sind.
„Natürlich kommen viele Sportler zu uns, weil die Mitgliedschaft bei St. Pauli auch immer eine Haltung beinhaltet“, weiß Sturm. Die Identifikation mit den gesellschaftlichen Positionen des Vereins ist eine große Motivation. Dass dies jedoch auch zu internen Verwerfungen führen kann, musste der Amateurvorstand kürzlich erleben, als Sturms Stellvertreter Carsten Balschat nach heftiger Kritik an dessen Mitgliedschaft in der Deutschen Polizeigewerkschaft zurückgetreten war.
St. Paulis Präsident Göttlich mischt sich bei den Amateuren nicht ein
Präsident Oke Göttlich mischt sich in solche Dinge in der Regel nicht ein. „Es ist die Aufgabe des Amateurvorstands, seine Probleme selber zu lösen“, sagt Sturm. Dafür gibt es ein wöchentliches Jour fixe, an dem auch der hauptamtliche Referent Amateursport, Julian Kulawik, teilnimmt. Einmal im Monat treffen sich zudem Delegierte aus den Abteilungen mit dem Vorstand, einmal im Jahr werden auf einer Klausurtagung die großen Themen und Vorhaben besprochen.
„Das Engagement des Amateurvorstandes ist enorm“, sagt Kulawik, der den erkrankten Geschäftsleiter Amateursport, Thomas Michael, vertritt. Seit der Einrichtung eines Hauptamtes für die Verwaltung der Amateursportler und Förderer 2018 ist deren Anzahl um rund 13.000 gewachsen. Die Nachfrage allerdings ist noch deutlich größer. „Es ist kein Zufall, dass einige unserer größten Abteilungen Sportarten organisieren, für die es keine eigenen Flächen braucht“, sagt Sturm. Die Triathlonabteilung mit rund 1000 Aktiven ist ein Beispiel, aber auch Radsport, Marathon und Segeln florieren.
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Andere haben die Grenzen des Wachstums längst erreicht. Handball hat immense Probleme, Hallenzeiten zu finden, Basketball ist nur im Bereich Freizeitsport ohne regelmäßigen Spielbetrieb möglich. „Auf die Gründung einer Volleyballsparte mussten wir verzichten, um den Handballern keine Konkurrenz zu machen“, so Sturm. Deshalb gibt es „nur“ Beachvolleyball im Verein.
Sturm appelliert deshalb, „dass bei den geplanten 16 Schulneubauten in Hamburg Sportflächen ausreichend mitgedacht werden.“ Kulawik sowie weitere Hauptamtliche im Verein nutzen auch ihre Kontakte im Hamburger Sport und der Politik, um Hallen und Sportflächen zu suchen. Gerade laufen da intensive Gespräche, die Perspektiven eröffnen könnten. In der Hamburger Vereinigung der Topsportvereine ist der FC St. Pauli zwar Mitglied, hält sich dort jedoch zurück: „Wir haben bei manchen Themen andere Ansichten“, sagt Kulawik, „wir wollen lieber selber Netzwerke aufbauen.“