Hamburg. Der Trainer steht nach seiner bisher beeindruckenden Karriere auf dem Zettel von Bundesligisten. Wie er und sein Club damit umgehen.
Er rollt und rollt und rollt. Natürlich geht es bei Fabian Hürzeler dabei immer nur in eine Richtung: bergauf. Ob nun beim Mountainbiken in den Alpen, wo der 30-Jährige am Wochenende auf Videos in den sozialen Medien fleißig strampelnd zu sehen war, oder in der Tabelle – die nächsten Stopps des Cheftrainers des FC St. Pauli scheinen vorgezeichnet zu sein. Ganz aktuell die Berghütte, in nicht allzu ferner Zukunft die Bundesliga. Denn, wie das Abendblatt erfahren hat, befassen sich mehrere Erstligisten mit Hürzeler.
„Wir haben ihn definitiv auf dem Zettel, sofern eine Personalie auf der Trainerposition zu besetzen ist“, sagt ein Verantwortlicher aus der Sportdirektion eines Bundesligisten dieser Zeitung. Was das bedeutet? Zunächst mal gar nichts.
"St. Pauli spielt den interessantesten Fußball"
Hürzeler ist ein Name unter vielen, die bei Clubs vom Tabellenmittelfeld abwärts für den Fall eines Trainerwechsels gelistet sind. Es ist zudem nur logisch, einen Trainer, der von 17 Zweitligaspielen 13 gewonnen hat, im Auge zu haben.
Der wesentlich spannendere Satz fiel dagegen im Umfeld einer Tagung der Deutschen Fußball Liga in Frankfurt/Main: „Der interessanteste Fußball in Deutschland wird derzeit vom FC St. Pauli gespielt.“ Doch was zeichnet Hürzeler, seine Spiel- und Herangehensweise, eigentlich aus und macht ihn sportlich so attraktiv?
Hürzeler wie Mourinho und Simeone
„Am faszinierendsten finde ich die Bereitschaft des Teams zur Defensivarbeit, die Fabian geschaffen hat“, sagt Tim Eckhardt vom St.-Pauli-Blog Millernton. Diese Aussage ist bereits insofern bemerkenswert, da Eckhardt normalerweise Fakten, Statistiken und Taktisches schwieriger definierbaren sowie messbaren Eigenschaften wie Bereitschaft und Kampfgeist vorzieht.
„Aber es fällt tatsächlich auf, wie häufig die Spieler in der Rückrunde angemerkt haben, dass sie richtig Bock aufs Verteidigen haben. Da erinnert mich Fabian in Anflügen an die ganz Großen seiner Zunft, die Ähnliches geschafft haben, wie José Mourinho oder Diego Simeone“, sagt Eckhardt, der Hürzeler, wenngleich diesem die Zuschreibung nicht gefällt, grundsätzlich als „defensiv denkenden Trainer“ bezeichnet.
St. Pauli orientiert sich an Eintracht Frankfurt
Dabei ist dies ziemlich zutreffend. Denn selbst, wenn Hürzeler von der Offensive redet, fällt am häufigsten das Wort „Konterabsicherung“. Was gleichwohl nicht bedeutet, dass St. Pauli unter dem gebürtigen Texaner keinen ansehnlichen Angriffsfußball spielt.
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Im Winter studierte Hürzeler dazu intensiv die Spielweise von Bundesligist Eintracht Frankfurt, der ein ähnliches 3-4-3-System spielt, das auch ihm vorschwebt. Ein weiteres Vorbild sei der Club Atalanta Bergamo aus Italien, dem seit Jahren der Ruf verfolgt, Europas attraktivsten Fußball zu spielen.
Das Resultat: „Unter ihm ist es St. Pauli gelungen, mit vielen Verschiebungen spielerische Lösungen und Räume gegen Teams, die mannorientiert und mit einer Dreierkette spielen, zu finden“, sagt Eckhardt.
Hürzeler spricht Sprache der Spieler
Hinzu kommt, dass Hürzeler in seinem Alter die Sprache der Spieler spricht. Aber nicht nur deshalb folgte ihm die Mannschaft bislang bedingungslos. Die Akteure sind beeindruckt vom logisch vermittelten Fachwissen des Bayern, schon Ex-Stürmer Guido Burgstaller schwärmte, als Hürzeler noch Co-Trainer war, von der „krassen Expertise“. Ansagen formuliert er unmissverständlich, bei aller Sympathie für seine Spieler trifft er Entscheidungen auf Basis verbindlicher Regeln sowie sportlicher Grundlagen.
Hürzeler selbst befasst sich, allem ihn schon seit Jugendtagen auszeichnendem Ehrgeiz zum Trotz, bislang nicht mit anderen Vereinen und Ligen. „Ich habe meinem Berater gesagt, dass er alle Anfragen abblocken und mir auch nicht davon berichten soll“, sagt der in München aufgewachsene Deutsch-Schweizer.
Bornemann unbesorgt über Interesse an Hürzeler
Sportchef Andreas Bornemann, dessen Mut, Hürzeler in die Verantwortung gehoben zu haben, belohnt worden ist, sieht das gestiegene Interesse an seinem Trainer ebenso entspannt. „Es ist logisch, dass er durch seine gute Arbeit in den Fokus anderer Vereine gerückt ist, das ist nichts anderes als bei Spielern. Aber wir haben das Bestreben, auf entscheidenden Positionen wie der des Trainers Kontinuität zu haben“, sagt der 51-Jährige. Wie sehr Hürzeler in die Vorbereitung der kommenden Saison involviert sei, zeige, „dass er mit vollem Fokus beim FC St. Pauli ist“.
Was er im Übrigen von Beginn an war, schon als Hürzeler bei St. Pauli noch das Interimslabel als Trainer anhaftete, nachdem er im Dezember vergangenen Jahres zunächst übergangsweise für den geschassten Timo Schultz übernommen hatte. „Vieles von dem, was thematisiert wurde, ist Fabian angegangen. Sei es die defensive Stabilität, die Gefahr bei Standards oder Torgefahr aus dem Mittelfeld heraus“, sagt Bornemann nun.
Bei aller Spannung um Hürzeler steht die spannendste Frage aus: Wie der Jungtrainer seine erste komplette Saison im Profibereich gestalten wird. An Arbeitseifer wird es ihm nicht mangeln. Als Alpinist weiß er, wie schnell auch Lawinen bergab ins Rollen kommen können.