Hamburg. Kiezclub sieht möglichen Investoreneinstieg bei der DFL kritisch. Wegen der vielen offenen Fragen soll erst später abgestimmt werden.
Ein möglicher Investoreneinstieg bei der Deutschen Fußball-Liga (DFL) sorgt unter den 36 Erst- und Zweitligisten für Unklarheit. Während der HSV dem Projekt offen gegenüberstehen, allerdings ein nachhaltiges Einsetzen des Geldes zugunsten einer gesteigerten Attraktivität der Bundesliga einfordern soll, sieht Präsident Oke Göttlich vom FC St. Pauli das gesamte Vorgehen der DFL kritisch.
DFL-Investor? St. Paulis Göttlich beantragt Verschiebung
„Ich habe noch viele Fragen zu dem geplanten Einstieg von Investoren“, sagt Göttlich, der zugleich Mitglied im DFL-Präsidium ist, auf Anfrage des Abendblatts. Für den 47-Jährigen ist unklar, warum nicht zunächst eine gemeinsame Strategie entwickelt worden ist, bevor ein Prozess den Wettbewerb auf Jahrzehnte prägen wird. „Warum entwickeln wir nicht erst eine klare Strategie, um dann die passenden Geldgeber zu akquirieren?“
Konkret geht es bei den Plänen darum, dass ein Investor für 1,8 bis 2 Milliarden Euro über einen Zeitraum von 20 bis 30 Jahren 12,5 Prozent der Einnahmen aus der TV-Vermarktung einer noch zu gründenden Tochterfirma der DFL erhält. Damit bekäme zwar jeder Verein eine millionenschwere Finanzspritze, andererseits müssten die Clubs jedes Jahr auf 12,5 Prozent ihrer Fernsehgelder verzichten.
Für die Vereine sind noch viele Detailfragen offen, weshalb Göttlich einen Antrag auf eine Verschiebung der für den 24. Mai geplante Abstimmung gestellt hat. An jenem Tag sollten die 36 Clubs darüber entscheiden, ob es überhaupt konkrete Verhandlungen mit den potenziellen Investoren geben soll. Göttlich will diese Fragestellung wegen der vielen Unklarheiten frühestens im August klären. Eine finale Abstimmung über die dann noch zwei von ursprünglich sechs verbleibenden Angebote soll im Juli erfolgen.
Göttlich: DFL-Deal bevorzuge große Vereine
„Wir müssen uns unserer Verantwortung vor den Fans, Mitgliedern und Gesellschaftern bewusst sein, bevor wir den Wettbewerb in seiner Unausgewogenheit und daraus resultierenden mangelnden Attraktivität weiter prägen“, fordert Göttlich. Dies könne auch zu einer Beschädigung der wertvollsten Einnahmequelle, der nationalen Medienerlöse, führen.
Der Präsident sieht in der ungleichen Verteilung der Gelder eine Gefahr: „Wir fahren hier ein klares Internationalisierungskonzept, welches die Schere zwischen den oberen Clubs und den kleineren sowie mittelständigen Clubs weiter auseinanderführt.“
Er befürchtet, dass der Deal in der derzeit geplanten Form vor allem die bereits bestehende Ungleichheit in der DFL manifestieren wird. „Die großen Clubs werden bevorteilt“, meint er, „damit wird der Wettbewerb nicht spannender.“
Mitbestimmung in neuer Gesellschaft von zentraler Bedeutung
Daher seien Fragen nach der Regulatorik, der Verteilung des Geldes und der Mitbestimmung in der neu zu gründenden Gesellschaft – in der alle Vermarktungsrechte der Bundesligaclubs liegen sollen – zentral. Auch über maximale Kadergrößen und Gehaltsobergrenzen sollte nicht nur gesprochen werden, sondern Umsetzungsbeschlüsse sollten vorbereitet werden.
40 Prozent des Investorengeldes sollen in die Digitalisierung der DFL fließen. Auch das sieht Göttlich kritisch. Man hätte eine Diskussion führen sollen, inwieweit überhaupt ein solch hoher Investitionsbetrag nötig sei, um die notwendigen Entwicklungen in Digitalisierung und Internationalisierung innerhalb der DFL zu finanzieren.
St. Pauli: Göttlich will Fremdkapital statt DFL-Investor
Die DFL-Investitionen in die Digitalisierung möchte der FC St. Pauli über Fremdkapital genieren. Der sich noch nicht auf eine finale Position festlegende HSV lehnt diese Pläne nach Abendblatt-Informationen ab – genauso wie eine deutliche Mehrheit der anderen Erst- und Zweitligisten.
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Göttlich fordert mehr Zeit, um über das Vorgehen, die Strategie, die Verteilung und Regulatorik sowie über alternative Modelle zur Finanzierung zu diskutieren. Es falle ihm schwer, auf Basis des derzeitigen Informationsstands dem weiteren Prozess zuzustimmen. Es sei nicht nachzuvollziehen, warum der Prozess so schnell und ohne eine bestellte Geschäftsführung umgesetzt werden müsse.
Oke Göttlich und seine DFL-Prognose
Dennoch befürchtet Göttlich, dass die Clubs in der kommenden Woche gegen seinen Antrag und für weitere Verhandlungen mit den Investoren stimmen werden. „Ich vermute, ein deutlich überwiegender Anteil der Klubs wird dem zustimmen, weil sie schnellem Geld gegenüber sehr offen sind und in den Klubs Manager sitzen, die in wenigen Jahren nicht mehr im Klub sind oder ihn gewechselt haben. Das ist eine schnelle Bilanzverbesserung oft willkommen“, sagte er dem „Spiegel“.
Und weiter: „Meine Sorge ist zudem, dass dieser Deal das am stärksten spaltende Moment der Bundesliga-Geschichte werden könnte. Denn es treten darin die Interessen der großen Klubs deutlich hervor. Laut DFL-Plan werden 36 Millionen Euro über fünf Jahre an die Zweitligisten gezahlt, 400.000 Euro pro Klub pro Jahr. Das ist für Zweitligisten viel Geld. Am Ende aber werden damit billig Stimmen für den Deal eingekauft.“